Veröffentlicht inPolitik

Dozenten klagen: Lehramtsstudenten können nicht schreiben

Kritik an Lehramtsstudenten – „Keine zwei Sätze ohne Fehler“

73713263-kDbC--656x240@DERWESTEN.jpg
Foto: picture alliance / ZB
Uni-Dozenten schlagen Alarm: Viele Lehramtsstudenten könnten „keine zwei Sätze fehlerfrei schreiben.“ Schuld soll das „Schreiben nach Gehör“ sein.

Essen. 

„ich habe mit meinem froind carera geschbilt“. Der Schulanfänger, der diesen Satz zu Papier gebracht hat, lernt wahrscheinlich nach der Reichen-Methode, die auch als „Lesen durch Schreiben“-Methode bekannt geworden und seit ihrer Anwendung in den 80er-Jahren umstritten ist. Sie schade vor allem Kindern mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Schichten, meinen die einen. Sie sorge schnell für Erfolgserlebnisse bei den Grundschulkindern, meinen die anderen.

Dass die korrekte Rechtschreibung scheinbar als verzichtbar gilt, hat mit der Lernmethodik des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen zu tun, bei der den Kindern in den Grundschulen über Lauttafeln die Rechtschreibung beigebracht wird. Die Kinder sollen die Beziehung zwischen den Buchstaben und Lauten selbst ergründen und die Lehrer sollen sie dabei nicht korrigieren.

Tägliche Katastrophe

Kritiker warnen seit Einführung der „Reichen-Methode“ vor negativen Folgen. „Die Katastrophe begegnet mir jeden Tag“, sagt der Wissenschaftslektor und ehemalige Kommunikationswissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum, Peter Kruck, dieser Zeitung. „Die meisten Lehramtsstudenten können keine zwei Sätze fehlerfrei schreiben.“ Und diese kommen anschließend zurück an die Schulen und „haben keine Ahnung von Rechtschreibung“, so Kruck.

Täglich korrigiere er Abschlussarbeiten von Studenten und angehenden Lehrern, und er finde auf 80 Seiten Hunderte Fehler – das sei inzwischen normaler Standard. Kruck: „Es kommen Leute ins Lehramt, die nie darauf getestet wurden, ob sie die deutsche Sprache überhaupt beherrschen.“ Die Professoren würden es nicht als ihre Aufgabe betrachten, ihren Studenten in diesem Punkt Nachhilfe zu erteilen. Krucks Vorschläge: Die Reichen-Methode an den Grundschulen sofort abschaffen und Vorbereitungskurse für alle Lehramtsstudenten an den Unis einrichten.

Erfolgserlebnis für Schüler

Dass Lehrer die falsche Rechtschreibung nicht korrigieren dürften, weist Tanja Hilker, Deutschlehrerin an der Theodor-Heuss-Grundschule in Essen, zurück: „Wir sprechen nicht von Korrektur, sondern schreiben unsere Version unter das fehlerhafte Wort.“ Die herbe Kritik an der Reichen-Methode basiere auf Vorurteilen. Denn tatsächlich sorge sie für ein schnelles Erfolgserlebnis und motiviere die Grundschüler. Diese lernten die Laute und später, durch das richtige Abschreiben von Wörtern, präge sich eine korrekte Rechtschreibung ein. „Egal, welche Methode zum Zuge kommt: Die Kinder müssen üben, üben, üben. Ob in der Schule oder Zuhause.“

Die Landeselternschaft Grundschule NRW hat sich bereits 2014 in einem Brief an den Landesschulausschuss dafür ausgesprochen, dass Schulen gemeinsam mit dem Kollegium und den Eltern eigenständig im Sinne der Schüler entscheiden sollten, welche Methode der richtige Weg ist. Zum „Lesen durch Schreiben“ sagen die Eltern: „Nicht jedes Kind wird bereit und in der Lage sein, eine falsch erlernte Rechtschreibung nach ein oder zwei Jahren neu zu lernen.“ Doch die klassische Methode – richtig Schreiben von Anfang an – presse die Kinder sofort in ein Gerüst aus Regeln: „Kinder werden den Spaß am Schreiben und Erlernen der Rechtschreibung verlieren.“