Bochum.
Werner Altegoer wollte in Bochum eigentlich immer nur anerkannt werden und dem Verein nie schaden. Doch bei der Jahreshauptversammlung des VfL tat er sich als halsstarriger Prinzipienreiter hervor. Ein Portrait.
Da stand er nun mit dieser Bierkutschermütze auf dem Kopf, die zu seinem dunkelblauen Anzug mit blauweißer Krawatte so gut passte wie Currysauce zu Kaviar. Mit einem Pils prostete Werner Altegoer den Menschen zu, die zu seinen Ehren zusammengekommen waren. Ein traditionsreiches Bochumer Brauunternehmen hatte ihn vor drei Jahren mit der Kopfbedeckung symbolisch „wegen seiner großen Verdienste um den Fußball in der Ruhrstadt“ ausgezeichnet. 5000 Euro Preisgeld gehörten auch dazu, die gab der Geehrte gleich weiter an eine Stiftung für kranke und benachteiligte Kinder. Mächtig stolz war er, diesen Preis bekommen zu haben. Weil es ein lokaler Preis war. Und weil ihm die Begründung gefiel.
Der eine Werner Altegoer wollte in Bochum eigentlich immer nur anerkannt werden. Und vielleicht sogar gemocht.
Der andere Werner Altegoer hat sich am späten Montagabend ein letztes Mal in seiner Funktion als Vereins-Chef als halsstarriger Prinzipienreiter hervorgetan und damit selbst die Möglichkeit genommen, sich in turbulenten Zeiten einen sanften, besonnenen, würdigen Abgang zu verschaffen. Der 75-Jährige, der exakt 30 Jahre lang in verschiedenen Funktionen die Geschicke dieses Vereins lenkte, der 1993 Präsident wurde und seit 2002 Aufsichtsratsvorsitzender war, wollte nicht wahrhaben, wie sehr er sich von großen Teilen der Anhängerschaft und damit von seinem eigenen Verein entfremdet hatte. In den vergangenen Jahren wurde er zunehmend vom Sturm der Kritik umtost. Stets widerstand er ihm wie eine tief verwurzelte Eiche. Doch die verweigerte Entlastung bei der Mitgliederversammlung musste er als extreme Ungerechtigkeit und persönliche Beleidigung empfinden.
Der eine Werner Altegoer hatte nämlich nie im Sinn, dem VfL Bochum zu schaden. Der Unternehmer half mit eigenem Geld aus, als die Vereinsfinanzen in Schieflage geraten waren; nicht wenige Bochum-Kenner behaupten, ohne ihn hätte der VfL längst den Weg von Klubs wie Bayer Uerdingen und Wattenscheid 09 gehen müssen. Stattdessen gelang dem krisenerprobten VfL nach fünf Abstiegen seit 1993 fünfmal direkt der Wiederaufstieg. Altegoers Absichten waren stets die besten, er galt ja auch nicht als hinterhältiger Mauschler, dem nicht zu trauen war. Es war sein Führungsstil, der den Klub entzweite. Altegoer pflegte seinen Ruf als einer der letzten Patriarchen des Profifußballs. Er trat nicht nur knorrig auf, sondern auch selbstherrlich und rechthaberisch. Dazu gab er sich oft empfindlich und kaum kritikfähig – für den anderen Werner Altegoer galt immer das Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
Altegoer bat Goosen um Mithilfe
Dabei gingen auch schon mal Freundschaften zu Bruch. Wie die mit Stefan Kuntz. Werner Altegoer holte den früheren Bochumer Torjäger und Publikumsliebling im April 2006 in den Vorstand, er sollte den häufig abstiegsfährdeten VfL sportlich auf sichere Schienen stellen. Zwei Jahre später aber floh Kuntz nach Kaiserslautern: entnervt und desillusioniert. Ihn und seinen einst „väterlichen Freund“ trennte längst ein tiefer Graben. Der war aufgerissen, weil Kuntz Reformen durchpauken und eigenmächtig handeln wollte. Weil er Macht beanspruchte. Macht aber besaß beim VfL Bochum seit ewigen Zeiten nur Werner Altegoer, den die Angst quälte, es könnte ihm jemand seinen Verein wegnehmen.
Es heißt allerdings auch, der Boss sei seitdem milder geworden, zu Konzessionen bereit, durchaus auch einsichtig. Als ein Indiz dafür wird gewertet, dass er den kritischen und bei vielen VfL-Fans beliebten Bochumer Kult-Autor Frank Goosen um Mithilfe im Aufsichtsrat bat. Wer frischen Wind nicht verträgt, macht nicht so ein großes Fenster auf.
Professionell aufgestellt
Auch Werner Altegoers Kritiker, die ihm regelmäßig vorhielten, er dulde nur Ja-Sager, müssen ihm attestieren, dass er den VfL Bochum professionell aufgestellt und ihm eine beachtliche Infrastruktur beschafft hat. Sie machen ihn allerdings für den sechsten Abstieg und die derzeit unbefriedigende Lage in der Zweiten Liga hauptverantwortlich. In den Internetforen ist zu lesen, der VfL sei nicht jetzt in eine Führungskrise geraten, sondern habe sie seit Werner Altegoers Rücktrittserklärung hinter sich.
Es gibt aber auch die anderen Stimmen, die Stimmen derjenigen, die über die aktuellen Aufgeregtheiten hinaus die persönliche Tragik erkennen. „Er wird nicht gedacht haben, dass er mal auf diese Weise ausscheiden würde“, meint ein langjähriger VfL-Mitarbeiter. „Das hat er so auf keinen Fall verdient.“