- Ismail Atalan tritt in Bochum die Nachfolge von Gertjan Verbeek an
- Wir verraten, wer der neue Trainer ist
Bochum.
Ismail Atalan, der bisherige Trainer der Sportfreunde Lotte, wird Nachfolger von Gertjan Verbeek beim VfL Bochum werden (hier alle Infos zur Vorstellung des neuen Trainers).
Doch wer ist dieser aufstrebende junge Trainer, der in der vergangenen Saison mit seiner Mannschaft im DFB-Pokal für Furore sorgte?
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1) Gebürtiger Kurde
Ismail Atalan wurde am 1. April 1980 in der Türkei geboren, er ist kurdischer Abstammung. Mit vier Monaten hat er seinen Vater verloren. Als er fünf Jahre alt war, flüchtete er zusammen mit seiner Mutter und fünf Geschwistern nach Deutschland. Die Familie Atalan fand damals Zuflucht im westfälischen Dülmen. Noch heute wohnt der inzwischen 37-Jährige mit seiner Frau und den drei Kindern im benachbarten Senden. Zum 1. August 2017 hat sich die junge Familie ein Haus in dem beschaulichen Städtchen gekauft.
2) Aufstiegstrainer
Seit dem 1. Januar 2015 trug Ismail Atalan die Verantwortung als Trainer der Sportfreunde Lotte, er folgte auf Michael Boris, der zu den Sportfreunden Siegen zurückgekehrt war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Lotte auf dem zehnten Tabellenplatz, in der Abschlusstabelle hatten sich die Sportfreunde bis auf Platz sechs hochgearbeitet.
In der Saison 2015/16 dominierte Atalans Mannschaft in der Rückrunde die Regionalliga West. Stand die U23 von Borussia Mönchengladbach zur Winterpause noch punktgleich mit der Mannschaft aus dem Tecklenburger Land an der Tabellenspitze (wegen des besseren Torverhältnisses), so trennten in der Abschlusstabelle stolze 15 Punkte die beiden Kontrahenten. Lotte wurde mit 83 Punkten aus 36 Spielen Meister.
In zwei hochdramatischen Aufstiegsspielen gelang es Lotte, sich gegen Waldhof Mannheim durchzusetzen. Ging das Hinspiel in Lotte noch 0:0 aus, bestand die Elf von Ismail Atalan die Reifeprüfung in Mannheim und setzte sich vor 22.371 Zuschauern 2:0 im Carl-Benz-Stadion gegen den früheren Bundesligisten durch.
3) Balboa-Zitat als Lebensmotto
Zu seiner Zeit in Beckum wurde Ismail Atalan schon mal als „Rocky Balboa vom SC Roland“ bezeichnet. Das kam jedoch nicht daher, dass Atalan gerne in den Ring steigen würde und so dem bekanntesten Boxer der Filmgeschichte nacheifern möchte. Vielmehr hat er sich die Philosophie von Balboa zu eigen gemacht. „Zeig nicht mit dem Finger auf andere. Schwächlinge tun das. Und das bist du nicht. Du bist besser!“ Dieser Wortwechsel zwischen Balboa und seinem Sohn hat sich bei Atalan eingebrannt. Die Verantwortung müsse zuerst bei einem selbst gesucht werden. Dazu passt ein weiteres Motto, das Atalan zuletzt auch in Lotte vertrat: „Verlierer hören auf wenn sie müde sind, Gewinner wenn sie fertig sind!“
4) Leseratte
Wenn Ismail Atalan am Abend mit seiner Frau zusammen auf dem Sofa sitzt, dann interessiert ihn wenig, was gerade im Fernsehen zu sehen ist. „Ich habe immer ein Buch griffbereit“, erklärte er in Interviews. Auch in seinen Steckbrief bei den Sportfreunden Lotte hält das Hobby „Lesen“ Einzug.
5) Pokalheld
In der vergangenen Saison sorgten die Sportfreunde für Furore im DFB-Pokal. Zuerst bekam es Werder Bremen zu spüren, wie durch eine aggressive, aber dennoch faire Spielweise, ein Bundesligist vor Probleme gestellt werden kann. 2:1 siegte Lotte nach 90 Minuten – der Drittligist hätte sogar höher gewinnen können.
Durch eine aufopferungsvolle Leistung besiegten die Sportfreunde in der 2. Runde Bayer Leverkusen – die Bayer-Elf spielte zu diesem Zeitpunkt Champions League. Nach dem 4:3 im Elfmeterschießen folgten im Achtelfinale die Münchner Löwen, die ebenfalls am Lotter Kreuz den Kürzeren zogen – 1860 verlor 0:2.
Im Viertelfinale war für den furios aufspielenden Drittligisten jedoch Schluss: Der spätere Pokalsieger Borussia Dortmund tat sich zwar lange schwer, gewann nach einer Leistungssteigerung in der 2. Halbzeit jedoch verdient 3:0. Kurios: Wegen Unbespielbarkeit des Platzes Ende Februar musste die Partie am 14. März nachgeholt werden.
6) Start beim A-Ligisten
Als Ismail Atalan am 7. Januar 2015 sein Debüt auf dem Trainingsplatz am Lotter Kreuz gab, war er noch ein relativ unbeschriebenes Blatt als Trainer. Er hatte zuvor als Spielertrainer ab Juli 2008 die Verantwortung bei der zweiten Mannschaft des 1. FC Gievenbeck in der Kreisliga A in Münster getragen, war im Anschluss ebenfalls als Spielertrainer zwei Jahre beim Landesligisten SV Davaria Davensberg (2010 bis 2012) aktiv.
Ab Juli 2012 war Atalan Trainer beim Oberligisten SC Roland Beckum und machte dort die Verantwortlichen der Sportfreunde Lotte auf sich aufmerksam. Inzwischen hat der Trainer mit der steilen Karriere seine Lizenz als Fußballlehrer vom DFB erhalten. Im März 2017 beendete er den Lehrgang, unter anderem gemeinsam mit Christoph Dabrowski, der mal beim VfL Bochum gespielt hat. In der 2. Bundesliga ist er nach Sandhausens Trainer Kenan Kocak (36) der jüngste Trainer.
7) Bildung und Toleranz
Atalans Mutter sah für die eigene Familie keine Zukunft mehr in der Türkei. Um ihren Kindern eine Chance auf gute Bildung zu ermöglichen, machte sie sich auf den Weg nach Deutschland. Schon früh konnten die Kindern in den Kindergarten, später auch die Schule besuchen. Dabei lebten die Atalans aber immer mit der Gefahr, doch noch in die Türkei abgeschoben zu werden. Es gab jedoch viel Unterstützung, Bürger setzten sich für die Familie ein, ebenso wie Ismail Atalans Jugendverein TSG Dülmen. Atalan äußerte sich in Interviews sehr positiv über die Hilfe in Deutschland. Er habe keine negative Erfahrungen gemacht.
Anfang der 90er-Jahre erhielt Atalan die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Mutter habe ihm immer wieder gesagt, dass es nur auf zwei Begriffe ankomme, „Bildung und Toleranz“. Darauf müsse man sich konzentrieren. Aus allen seinen Geschwistern sei etwas geworden, ein Bruder ist etwa Rechtsanwalt. Das habe man auch Deutschland zu verdanken.
8) Versicherungskaufmann
Ismail Atalan ist gelernter Versicherungs- und Bürokaufmann. Diesen Job gab er erst auf, als er in Lotte zum 1. Januar 2015 anheuerte. „Da war eine Menge Risiko dabei. Aber ich war selbstbewusst genug, um an mich zu glauben“, erklärte er seinen Schritt in einem Interview.
9) Hospitanz bei Guardiola
Eigentlich wollte Ismail Atalan nicht nach Bochum fahren, sondern nach Manchester reisen. Dort hätte er die Möglichkeit gehabt, ManCity-Trainer Pep Guardiola für drei Tage über die Schulter zu schauen und ein Praktikum zu absolvieren. Diese Erfahrung wäre eine besondere für ihn gewesen.
„Ich freue mich, dass das geklappt hat. Ich werde in den drei Tagen als Beobachter alles aufsaugen. Pep Guardiola gehört zu den Besten seines Fachs“, sagte Atalan noch Anfang Juli. Der neue Bochumer Cheftrainer hatte die Möglichkeit durch einen Freund erhalten. In der Vorbereitungszeit wäre die einzige Möglichkeit gewesen, bei Guardiola zu hospitieren. „In der Saison wäre es schwierig, bei beiden Seiten“, so Atalan.
10) Karriereende wegen Verletzungen und Fast-Food
Atalan begann seine Karriere als Fußballer in der Saison 1988/89 bei der TSG Dülmen. Er stieg dort in der F-Jugend ein und entwickelte sich im Verlaufe seiner Jugend zu einem treffsicheren Stürmer. Ulrich Lewe, Abteilungsleiter Jugendfußball bei der TSG, erinnert sich noch an den Spieler, den er selbst in der D- und C-Jugend trainierte. Er beschreibt ihn als sehr ballverliebt und abgeklärt.
Später spielte er in der Jugend von Preußen Münster, schaffte es dort aber nur in die zweite Mannschaft. Danach ging es für ihn nach Davensberg und Gievenbeck. „Im Prinzip habe ich schon mit 23 kaum mehr spielen können. Ich habe aber auch nicht für den Sport gelebt, habe viel Fast-Food gegessen und mich nicht im Griff gehabt“, blickte er auf diese Zeit zurück. Immer wieder hatte er mit muskulären Problemen zu kämpfen. Seine Spielerkarriere beendete er früh, schon mit 25 Jahren konzentrierte er sich auf seine Trainerlaufbahn.
11) Inkognito bei Klopp
Ismail Atalan war vom Fußball fasziniert, den Jürgen Klopp während seiner Zeit beim BVB in Dortmund spielen ließ. Deswegen beobachtete er das Training der Borussen. Auch nach Leverkusen zog es ihn, um sich die dortigen Trainingsmethoden anzuschauen. Später hospitierte er beim FC Schalke.