In Bottrop entdeckte Stefanie Horn ihre Leidenschaft für den Kanusport. Nach einem Streit mit dem deutschen Verband startet sie nun für Italien.
Bottrop.
Stefanie Horn nimmt einen Schluck von ihrem Cappuccino, lehnt sich entspannt zurück und beginnt zu reden. „Der ist okay“, sagt sie mit einem Lächeln. Natürlich nicht zu vergleichen mit dem aus ihrer neuen italienischen Heimat. Bevor sie bei der WM, die heute in London startet, um Olympia paddelt, war die in Brescia lebende Kanutin zu Besuch in ihrer Heimatstadt Bottrop.
Überhaupt hat es die italienische Küche der 24-Jährigen angetan. „Ich vermisse das deutsche Brot und den Kuchen von meiner Mutter. Aber wenn italienisch gekocht wird, bin ich dafür zuständig“, erzählt Stefanie Horn. Wenn sie in Italien ist, kommt auch schon mal Schweinshaxe oder deutscher Eintopf auf den Tisch. „Das gibt es dort normalerweise nicht, aber meine italienische Familie liebt es.“
Italienerin aus Ehren
Durch den Sport und die Liebe hat die 24-Jährige ihr neues Zuhause jenseits der Alpen gefunden. Unstimmigkeiten mit dem deutschen Kanuverband sorgten Ende 2012 sogar für einen Verbandswechsel. Seitdem startet sie für die Italiener, deren Pass sie durch den Gewinn der Silbermedaille bei den Europameisterschaften 2013 wesentlich schneller als üblich bekam. „Ich bin sozusagen Italienerin aus Ehren geworden“, sagt Horn mit einem Schmunzeln.
In Norditalien hat sie sich gut eingelebt, dort fühlt sie sich heimisch. „Von der Lebensqualität habe ich mit Italien das große Los gezogen“, sagt sie. Auch ihrem Charakter habe der Umzug gut getan. Ruhiger sei sie geworden. Die deutsche Pünktlichkeit habe sie beibehalten, sie habe sich aber etwas angepasst. „In Italien sind immer alle zu spät, da nehme ich es jetzt auch etwas lockerer.“ Dass sie schon immer eine Quasselstrippe gewesen sei, komme ihr zu Gute: „Ich lerne gerne neue Menschen kennen und habe zum Glück keine großen Probleme mit Fremdsprachen.“
Sie lebt in der Nähe des Gardasees. Zusammen mit ihrem Mann Riccardo – ein ehemaliger Wildwasserkanute, der jetzt Anwärter bei der italienischen Umweltpolizei ist. Seit 2009 sind die beiden ein Paar, 2013 zog sie nach Italien. Im Februar 2014 folgte die Hochzeit. Wenn Stefanie Horn nicht mit der Nationalmannschaft unterwegs ist, studiert sie in Mailand Lebensmitteltechnologie. Oft schafft sie es nicht zu den Vorlesungen. Mehr als 250 Tage im Jahr ist sie mit dem Kanu-Kader unterwegs.
Am Anfang ihrer Karriere hatte sich der Stress noch in Grenzen gehalten. Damals auf der Lippe. Dort lernte sie das Paddeln. Vater Michael, selbst ein erfolgreicher Wildwasserkanute, brachte Stefanie zum Sport. „Früher sind wir immer mit dem Wohnwagen zu den Wettkämpfen gefahren“, erinnert sie sich. Sie und ihre beiden Schwestern haben dann im Zelt übernachtet. Die Eltern sind noch heute die größten Fans und Förderer. „Wenn man diesen Sport so betreiben möchte wie ich, braucht man tolle Eltern. Die habe ich zum Glück.“
In Rio soll es eine Medaille sein
Sie wusste schon früh, was gut für sie ist. Schon mit zehn Jahren wollte sie das alte Boot des Olympiadritten von 1996, Thomas Becker, fahren. Gemeinsam paddelten sie für Bayer Dormagen. „Ich war natürlich viel zu klein und viel zu leicht, um dieses Boot zu fahren. Da hat es mein Vater auseinander gebaut, zurecht gesägt und wieder zusammen gebaut.“
Heute sitzt sie selbst in einem Boot der Spitzenklasse. Mit dem will sie im kommenden Jahr in Rio im Kajak-Einer am Start stehen. „Olympia ist das Ziel überhaupt“, sagt Horn mit Blick auf die Spiele. Nicht nur wegen der Atmosphäre will sie an den Zuckerhut. Sie will um eine Medaille paddeln. Der Vorteil: Bei Olympia stellt im Kanuslalom jede Nation nur einen Starter, die Chancen auf Edelmetall sind groß.
Damit der Olympiatraum wahr wird, muss sie bei der WM in London Leistung bringen. Auf der Olympiastrecke von 2012 geht es nicht nur um Medaillen, sondern auch um die Nationen-Startplätze für Olympia. Sollte sich Italien qualifizieren, fährt Stefanie Horn dann im kommenden Frühjahr bei der italienischen Ausscheidung um ihr persönliches Ticket nach Rio.
Ihren Cappuccino hat sie mittlerweile ausgetrunken. Es geht nach Hause. Mama hat gekocht. Chili con carne – so gar nicht italienisch.