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„Der Fall Jakob von Metzler“ im ZDF

Atzorn spielt Daschner im „Fall Jakob von Metzler“

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Foto: Hans-Joachim Pfeiffer
Entführung und Ermordung des Bankierssohns Jakob von Metzler schockte die Republik – über die Tat hinaus. Das ZDF hat den Fall als Spielfilm aufgearbeitet. Die Beteiligten von damals sind mit dem Ergebnis zufrieden.

Berlin. 

Die Geschichte klingt wie ein Fall für Derrick: Ein entführtes Kind aus besseren Verhältnissen, ein psychisch komplizierter Täter, ein stoffeliger Ermittler alter Schule. Doch „Der Fall Jakob von Metzler“ (ZDF, 20.15 Uhr) ist wahr. Vor zehn Jahren wurde der Frankfurter Bankierssohn vom Jura-Studenten Magnus Gäfgen entführt und ermordet. Der zuständige Chefermittler Wolfgang Daschner ließ dem Täter Gewalt androhen, um das Kind zu retten. Bis heute dauert die Debatte an – über den Foltervorwurf und die Grenzen des Rechtssystems.

Robert Atzorn spielt Daschner. Ein Beamtentyp mit Schnauzer, Eigenheim, Prinzipien. Daschner ist kein Held, er ist nicht mal besonders sympathisch. Und er ahnt kaum, welche Lawine er mit seiner heiklen Dienstanweisung lostritt. Der Frankfurter Vize-Polizeipräsident ist kein Hasardeur. Er sieht bloß keinen anderen Ausweg: Da sitzt ein praktisch überführter Kindesentführer, der als einziger weiß, ob und wie der elfjährige Jakob noch zu retten ist.

Doch dieser Gäfgen (Johannes Allmayer) führt die Ermittler seit Stunden an der Nase herum. Und die Zeit läuft. Wie lange kann ein Kind ohne Versorgung überleben? Daschner beruft sich auf einen „übergesetzlichen Notstand“. Bei Lebensgefahr muss die Polizei einschreiten. „Ich betrachte das als Nothilfe.“ Er hat die Paragrafen auswendig. Knallt sie seinen Leuten vor den Latz. Die zögern.

Hauptkommissar Ortwin Ennigkeit schließlich soll dem Entführer Gewalt androhen, um das Versteck des Kindes herauszubekommen. Gäfgen redet tatsächlich. Wie es genau dazu gekommen ist – bis heute unklar. Auch der Film zeigt keine Szene vom Geständnis. Gäfgen allerdings fängt Monate später an zu behaupten: Er habe Todesangst gehabt. Ennigkeit dagegen sagt, er habe Druck gemacht, in Maßen. Im ZDF-Film spielt Uwe Bohm den Kommissar – zwischen Kontrolle und Kontrollverlust. „Keiner von uns weiß, was wirklich passiert ist“, sagt Regisseur Stephan Wagner. Auch sein Film legt sich nicht fest.

Wagner hat Daschner zu Hause besucht. Er ist seit vier Jahren im Ruhestand und immer noch enttäuscht. Er ist damals aus Frankfurt versetzt worden und schuldig gesprochen, weil er einen Untergebenen zu schwerer Nötigung im Amt verleitet hat. Und: Er fürchtet, dass nach diesem Fall keiner mehr Verantwortung übernimmt in einer Extremlage wie dieser. Daschner hat den Film gesehen, genauso wie Jakobs Vater, Friedrich von Metzler, gespielt von Hanns Zischler. Beide, sagt der Regisseur, fühlen sich angemessen dargestellt.

Gäfgen2006 hat das ZDF den Fall bereits mit einer Doku aufgearbeitet. Auch der neue Spielfilm bleibt so eng wie möglich an den historischen Tatsachen. Das vergebliche Warten in der Metzler-Villa, der erfolglose Wettlauf gegen die Zeit im Polizeipräsidium. Bei der ersten Lagebesprechung hängt die böse Ahnung schon bleischwer an den Dialogen: Der Entführer – offenbar ein Dilettant. Einer, der gar keine Idee hat, wie er ein elfjähriges Kind tagelang versorgen soll. Und vor allem: wo. Wahrscheinlich, mutmaßt einer der Polizisten, „in einer Kiste im Wald“. Daschner glaubt: „Er schindet Zeit. Er will, dass das Kind stirbt, um ihn nachher nicht belasten zu können.“ Jakob ist da längst tot.

Der Zuschauer weiß das. Und sieht beklommen, wie sich der Apparat in Bewegung setzt, die Behörde Fahrt aufnimmt und, Verkettung von Zufällen, immer wieder ins Stolpern gerät. Am Ende trifft Daschner seine heikle Entscheidung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2010 die Folterandrohung als „unmenschliche Behandlung“ eingestuft. Der Film ist klug genug, kein eigenes Urteil zu sprechen.