Olympia. Das ist die ganz große Bühne. Als Reiterin Isabell Werth mit ihrer Stute Weihegold am Dressurviereck von Rio erscheint, ist der große Moment gekommen. Und noch jemand will dem TV-Publikum zeigen, was er kann: ARD-Kommentator Carsten Sostmeier. Auch für ihn ist es die große Bühne. „Genießen Sie Weihegold, diese bildhübsche Stute“, beginnt Sostmeier. „Gucken Sie mal, wie sie die Ohren spitzt.“ Seine Stimme bebt euphorisch. Während Werth zur Goldmedaille reitet, gerät Sostmeier in Ekstase. „Strecke dich der Goldmedaille entgegen, mit deiner Isabell!“ „Isabell Werth ist eine hell strahlende Kerze inmitten dieser Kathedrale des Dressursports.“ „Ich werde heute Nacht nicht einschlafen können. Und wenn doch, träume ich von jedem Moment dieses Rittes.“
Seine Worte können auch verletzend sein
Kein anderer deutscher Kommentator schafft mit seinen Formulierungen eine solche Aufmerksamkeit für seinen Sport, wie der 56-Jährige. Manche halten es für albernes Gequatsche, andere genießen seine ungewöhnliche Art. Im Internet gibt es Fanseiten, die seine besten Sprüche auflisten. „Reiten“, sagt Sostmeier im Gespräch mit dieser Redaktion, „ist nicht nur ein Sport, sondern auch eine Kunst. Wenn meine Worte dem etwas gerecht werden können, freut mich das sehr.“ Vorbereitet sind seine Sprachbilder nicht. „Alles, was ich sage, kommt spontan.“ So auch, als Vielseitigkeitsreiter Michael Jung in Rio auf seinem Wallach Sam zu Gold ritt. Sam führe Jung „wie Mozart mit verbundenen Augen am Klavier“ über das Gelände, rief Sostmeier. „Sosti on fire“, sagen sie in solchen Momenten angeblich ARD-intern, wenn er mal wieder besonders fantasievoll wird.
Die Liebe zur Sprache, erzählt Sostmeier, habe sich erst nach der Schule entwickelt. Die Liebe zu Pferden aber, die war schon immer da. Als Kind hat er mit dem Reiten angefangen. „Ein großes Glück“, nennt er das heute. Irgendwann aber machte sein Rücken beim Springreiten nicht mehr mit. Deshalb reist Sostmeier heute quer durch Deutschland, um Pferde zu sehen. Würde man ihm das Reiten nehmen, „würde man mir das Herz rausreißen“. Der Hesse lebt diesen Sport. Und doch, manchmal vergaloppiert er sich. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 feierte er die Goldmedaille der Vielseitigkeitsreiter mit dem ungeschickten Ausruf: „Seit 2008 wird zurückgeritten.“ Und in der vergangenen Woche kommentierte er die Olympiapremiere von Julia Krajewski mit dem Spruch, sie habe „von Anfang an einen braunen Strich in der Hose“ und sei „den Weg der Angsthasen“ geritten. Das war doch etwas viel. Sportler, Zuschauer und Funktionäre beschwerten sich bei der ARD. „Es tut mir von Herzen leid, wenn ich jemanden verletzt habe“, beteuert Sostmeier. Er habe riesigen Respekt vor allen Zwei- und Vierbeinern bei Olympia. Nach einem Gespräch entschied der Sender: Sostmeier darf weitermachen.
Und dann sagt er wieder einen Sostmeier-Satz: „Ich tauche in das Becken des Wettkampfes ein und hoffe, dass ich am Ende irgendwie meinen Kopf wieder über das Wasser bekomme.“
ARD, ab 15 Uhr