Ermittlungserfolg dank grenzüberschreitender Zusammenarbeit: Der Essener Zoll schließt die Akten eines seiner größten Verfahren, nachdem der mutmaßliche Drogenboss Dorie X. verhaftet wurde und die Polizei den Drogenring zerschlagen hat. Die Bande hatte mit der Herstellung und dem Verkauf von Amphetaminen Millionengewinne gemacht.
Venlo/Essen.
Dorie X. hatte die Millionen bestens versteckt. Im Mai 2011 durchsuchte ein Großaufgebot von Polizei und niederländischer Zollfahndung (Fiod) Wohnungen und Häuser des mutmaßlichen Drogenbosses sowie seiner Familie in Venlo. In einer Küche wurden die Ermittler damals, im Frühjahr 2011, fündig: Genau 4.349.075 Euro waren dort deponiert, eingemauert hinter einem Schrank, alles in allem etwa 80.000 Scheine. Die Beamten kamen kaum mit dem Zählen nach. . .
Heute wissen die Ermittler: Das war längst nicht alles. Amphetamine, Kokain, Marihuana, unversteuerte Zigaretten, sogar Kaffee – alles in großen Mengen: Ein Kreis von Personen um den 47-jährigen Dorie X. hat mit Drogen und Genussmitteln lange Zeit gewaltig Kasse gemacht. „Wir sind auf Verhältnisse wie in Chicago zur Zeit der Prohibition gestoßen, als das Geld von Kriminellen in Fässern weggeschafft wurde“, meint Ulrich Schulze vom Zollfahndungsamt Essen.
Allein vier Drogenlabore an Rhein und Ruhr
Die schönen Geschäfte sind vorbei. Im Zuge von fast dreijährigen Ermittlungen haben deutsche und niederländische Fahnder den Kriminellen einen Strich durch die Rechnung gemacht; die Behörden loben die gute, grenzüberschreitende Kooperation. Es wurden zwei Dutzend Personen festgenommen. Mittlerweile haben Gerichte in ersten Urteilen langjährige Haftstrafen ausgesprochen.
Beim Essener Zoll gilt das Verfahren als eines der größten bislang. Die Ermittlungskommission „Zirkus“ schließt nun die Akten. Warum der Name „Zirkus“?„Es tauchten immer neue Akteure auf, fast wie in einer Manege“, erzählte Kommissionsleiter Stefan Muhr im Gespräch mit der NRZ. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch einen Hinweis aus den Niederlanden. Ein gewisser „Hub“ wolle mehrere Kilo Amphetamine in einem Mietwagen nach Deutschland bringen, heißt es. Es gibt weitere Ereignisse, die die Ermittler aufmerken lassen – etwa, als ein Mann in einem Fachmarkt in Willich 120 Liter Ameisensäure ordert – ein wichtiger Grundstoff für die Produktion von Amphetaminen. Im Herbst weist das Bundeskriminalamt darauf hin, dass zwei Männer in Frankreich mit neun Kilo Kokain festgenommen wurden – offenbar eine Probelieferung.
Ermittler stoßen auf Cannabis-Plantagen, Drogenküchen, Geld und Schusswaffen
Den Fahndern fällt es da noch schwer, die Ereignisse zusammenzubringen. Aber die Ermittlungen nehmen dank der engen Abstimmung mit den niederländischen Kollegen Fahrt auf. Es gibt Observationen, Telefonüberwachungen. „Das alles war sehr zeit- und personalintensiv“, berichtet Muhr.
Drei Cannabis-Plantagen werden in Nordrhein-Westfalen ausgehoben, die größte mit etwa 1000 Pflanzen in Marl. Es gibt mehrere Festnahmen. Im Dezember 2010 fliegt die erste Drogenküche auf – in Mönchengladbach. Deutlich größer ist das Labor, auf das die Fahnder wenige Wochen später in einer vollgestellten Kfz-Werkstatt im sauerländischen Neuenrade stoßen. Im Zuge weiterer Ermittlungen finden sie klare Belege, dass weitere Drogenküchen in der Vergangenheit in einer Kfz-Werkstatt in Bochum und auf einem Bauernhof in der Eifel gestanden haben.
Labore werden auch in den Niederlanden und Belgien ausgehoben. Die Spuren führen zu Dorie X. Mal sind es Autos, mal sind es verwandtschaftliche Beziehungen, die auf den 47-jährigen Niederländer hinweisen. Er selbst geht Spezialeinsatzkräften im Mai 2010 in Belgien ins Netz, wo er mit Helfern ein mobiles Labor betrieb – „eine hochprofessionelle Anlage“, sagt Harry Krüter von den niederländischen Zollfahndern. Erst sehr aufwendige Ermittlungen führten zu den Durchsuchungen in Venlo, bei denen nicht nur das mutmaßliche Drogengeld in Millionenhöhe gefunden wurde, sondern auch eine Schusswaffe und zudem mehrere Kilogramm harte Drogen. Merkwürdig: Auch nach der Verhaftung von X. lebte dessen Familie auf großem Fuß. Niederländische Zollfahnder führten deshalb in den vergangenen Wochen und Monaten erneut Durchsuchungen durch und stellten nochmal knapp eine Million Euro sicher. Vater und Mutter sowie der Sohn von X. sitzen seither in U-Haft; die Ex-Frau ist unter Auflagen auf freiem Fuß.
Auf deutscher Seite gilt Fritz A. aus Bochum als wichtiger Mann im Drogengeflecht. Der 67-Jährige, ein passionierter Autoschrauber, war mit Helfern in Neuenrade festgenommen worden. Er kam im Leben schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt – bislang ohne gravierende Urteile. Das könnte sich nun ändern: A. muss sich derzeit in Aachen vor Gericht verantworten. Gegen X. stehen Prozesse noch aus.