Bundesweit ermitteln Staatsanwaltschaften gegen einen schwunghaften Handel mit gefälschten Titeln: Ein 64-jähriger Geschäftsmann soll mit der von ihm gegründeten „Yorkshire-Universität“ Doktoren im Dutzend ernannt haben – gegen Geld versteht sich. Im Visier ist auch eine amerikanische Freikirche.
Essen.
Staatsanwälte ermitteln auf breiter Front gegen Verkäufer und Träger falscher Doktor-Titel. Bundesweit sollen sich Beschuldigte für Summen zwischen 150 und 15.000 Euro falsche oder in Deutschland nicht anerkannte akademische Grade aus dem Ausland beschafft haben.
Im Visier der voneinander unabhängigen Verfahren der Staatsanwaltschaften in Osnabrück und Lübeck sind der mutmaßliche Gründer einer tatsächlich nicht existenten „Yorkshire-Universität“ auf den Jungferninseln, deren Doktor-Titel er offenbar über Jahrzehnte angeboten hat, sowie eine amerikanische Freikirche. Bei dieser können Kunden gegen Zahlung einer Spende einen „Doktor der Metaphysik“ erwerben. Insgesamt geht es um mehr als 150 Fälle.
Auch Titel der TU Warschau im Angebot
In Osnabrück ermitteln die Fahnder gegen einen 64-jährigen Geschäftsmann wegen Anstiftung zum Titelmissbrauch, Betrug und Steuerhinterziehung. Er soll nicht nur hinter der ominösen „Yorkshire“-Universität stehen, deren vermeintliche Promotion in mehreren Hochstapler-Prozessen eine Rolle spielte und deren „Doktorwürde“ schon einen Kommunalpolitiker aus Thüringen und den Chef einer Hilfsorganisation vor Gericht brachte.
Der Geschäftsmann soll seit 2002 auch mit gefälschten Titeln der TU Warschau handeln. Mehr als 70 Käufer haben über eine von ihm gegründete Schweizer Firma die Titel gekauft, berichtet der Norddeutsche Rundfunk.
Die Lübecker Staatsanwaltschaft hat seit dem Frühjahr im Zusammenhang mit der Freikirche MDLC in 87 Wohnungen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ein Sprecher der Behörde sagte der WAZ, in der Mehrzahl der Fälle seien Bußgeldbescheide bei gleichzeitiger Einstellung der Verfahren verhängt worden. In einigen anderen, so auch in einem Dortmunder Fall, werde es zur Anklage kommen.
Seit den Plagiatsvorwürfen schauen Ermittler genauer hin
Der Dortmunder Vorgang hat einiges Aufsehen erregt. Die Unternehmerin Eva I. war im April von vier Polizisten aus dem Bett geholt und ihre Wohnung und ihr Büro durchsucht worden, nachdem sie in ihrem Blog in satirischer Form berichtet hatte, ihre Kinder hätten ihr einen Ehrendoktor-Titel der Kirche MDLC geschenkt.
I. besteht darauf, dass das Ganze als Scherz gedacht war. Die Durchsuchung sei deshalb völlig unverhältnismäßig gewesen. Tatsächlich macht aber wohl MDLC auf seiner deutschen Homepage falsche Angaben: Danach ist das Tragen des Titels des Ehrendoktors der Metaphysik durch eine Kirche legal.
Offenbar schauen die Anklagebehörden seit dem Auffliegen abgeschriebener Doktorarbeiten genauer hin. Wie breit vertreten der Verstoß gegen den Paragraphen 132a des Strafgesetzbuches, darunter also der Kauf falscher oder illegaler Doktortitel, ist unklar. Eine etwas ältere Umfrage des Magazins „Capital“ ergab: In jedem zehnten Unternehmen wurden bereits Mitarbeiter mit einem falschen „Doktor“ vor dem Namen enttarnt.