Essen.
Für die anderen war Gunter Sachs stets der große Lebemann. Für ihn selbst jedoch war der Begriff schon längst zu einer leeren Hülle geworden. Der Playboy wollte nie nur Playboy sein. Nun hat er sich offenbar wegen einer schweren Krankheit das Leben genommen. In einer am Sonntag von seiner Familie veröffentlichten Erklärung hieß es, der 78-Jährige sei zu dem Schluss gekommen, dass er an einer unheilbaren degenerativen Krankheit leide, die sein Gedächtnis und seine Fähigkeit zur Kommunikation beeinträchtige. Focus-Online zitiert aus dem Abschiedsbrief von Sachs: Darin heißt es, er habe erkannt dass er „an der ausweglosen Krankheit A.“ erkrankt sei. „Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten.“ Es war ein bewusster Schritt aus Furcht vor Alzheimer – der Schlusspunkt eines überaus bewegten Lebens.
Dass der Mann von Welt nur ganz selten versuchte, dieses Bild des Frauenvernaschers zu korrigieren, lag wohl daran, dass er wusste, wie die Öffentlichkeit tickt: Wer ein Leben an der Seite der Reichen und Schönen führte und die Schampusflaschen knallen ließ, der musste seine Rolle spielen. Auch wenn er über vierzig Jahre mit dem schwedischen Model Mirja Larsson glücklich verheiratet war. Glücklich sein, gemeinsam alt werden, das ist nicht so aufregend wie die Anekdoten aus einer Zeit, als er mit den jungen Dingern St. Tropez aufmischte. Von einem Mann wie ihm will man eben nicht wissen, wie es ist, wenn er sich mit Mirja über den Einkaufszettel austauscht. Ja, es ärgerte ihn, aber ändern konnte er nichts daran: Für die Welt war er stets der Jetset-Gunni der Swinging Sixties, der zeigte, wie man es krachen lassen kann zwischen Mann und Frau.
Ein erster Frauenversteher
Als er 1966 in Las Vergas das französische Sexsymbol Brigitte Bardot heiratete, war es die Hochzeit des Jahres. Interessanter als die Zeremonie, die nur acht Minuten gedauert haben soll, fanden die Menschen, dass das Paar noch am nächsten Tag auf der Couch des Mannes lag, der sie getraut hatte.
Gewiss, Fritz Gunter Sachs wusste, wie man Hochzeitsnächte unvergesslich machte. Doch der Meister der Verführung lief vor allem zu Beginn einer Affäre zu Hochform auf. Sachs war der Frauenaufreißer schlechthin. Weil er, will man ihm glauben, schon einer der ganz frühen Frauen-Versteher war. In einem großen Interview, das er 2008 der Online-Ausgabe der Süddeutschen gab, sagte er: „Erobern ist das falsche Wort. Die meisten Frauen waren ansprechbar, wenn man sie nicht überfiel und – wie in meinem Fall – mit einem Quäntchen Romantik überraschte.“
Mit Romantik meinte der Millionär natürlich mehr als ein gängiges Candle-Light-Dinner. Romantik, das waren Aktionen, die Geschichte schreiben sollten. Legendär sein Spektakel, als er versuchte, der französischen Filmdiva das Ja-Wort zu entlocken: Per Hubschrauber ließ der Liebestolle 1000 rote Rosen Marke „Brigitte Bardot“ auf die Schauspielerin niederregnen.
Er wusste eben, was Frauen wollen. Zuhören zum Beispiel. Deshalb ging er ja so gerne mit Coco Chanel aus. „Ich hörte ihr eigentlich dauernd zu, genauso wie ich mit Jane Fonda oder Jean Seberg gerne diskutierte.“ Mit vielen Frauen sei er zusammen gewesen, habe aber entgegen der offiziellen Lesart mit vielen nur geredet. Für die Freundschaft war das „meist beständiger“.
Dass die Welt ihn anders wahr nahm als er sich selbst, frustrierte ihn schon einigermaßen. „Nie wurde ich fotografiert, wenn ich morgens mit der Aktentasche ins Büro ging“, so sagte er. „Für den Illustriertenleser war ich elf Monate im Jahr in Saint Tropez. In Tat und Wahrheit habe ich die Firma an leitender Stelle immerhin 18 Jahre mitgeführt.“
Vater erschoss sich
Schicksalsschläge gehörten zu seinem Leben: Seine erste Frau Anne-Marie Faure starb durch einen Narkosefehler. Der Bruder kam bei einem Lawinenunglück ums Leben. Der Vater Willy starb 1958 – ebenfalls Selbstmord. Ebenfalls mit einer Schusswaffe. „Dass er so gelitten hat, war uns nicht bewusst. Depressive verfügen ja meist nicht über die Kraft, sich das Leben zu nehmen, aber als Jäger mit Waffen im Haus gab es hier keine Hindernisse“, so Gunter Sachs in einem Interview.
Sein Vater Inhaber der Kugellager- und Motorenwerke Fichtel & Sachs. Noch vor Gunter Sachs“ drittem Geburtstag trennten sich seine Eltern, und er wuchs, nach einiger Zeit im Waisenhaus, mit seinem älteren Bruder bei seiner Mutter, Elinor von Opel, in der Schweiz auf.
Sachs war von klein auf für Sensationen gut – mit 14 gewann er im Simultanschach gegen neun Lehrer seines Internats. Er studierte Mathematik und Wirtschaft, absolvierte eine Feinmechaniker- sowie eine Banklehre und erwarb schließlich noch ein französisches Dolmetscherdiplom. Bis in die sechziger Jahre vertrat er die Auslandsaktivitäten der Schweinfurter Sachs-Gruppe, die sein Bruder Ernst Wilhelm nach dem Tod des Vaters leitete.
Er galt als Mitentdecker von St. Tropez
Seit im Sommer 1962 seine Liaison mit der persischen Exkaiserin Soraya Schlagzeilen machte, verfolgten die Fotografen ihn auf Schritt und Tritt. Er galt als Mitentdecker von St. Tropez, propagierte die freie Liebe und trumpfte mit seinen Liaisons und Affären auf, bis er 1966 die umschwärmte Filmdiva Brigitte Bardot in Las Vegas ehelichte. Drei Jahre später trennte sich das Glamour-Paar aus Gründen, die beide bis heute für sich behalten haben.
Im November 1969, einen Monat nach der Scheidung, heiratete Sachs das schwedische Fotomodell Mirja Larsson in dritter Ehe. Aus dieser Ehe stammen seine beiden Söhne Christian Gunnar und Claus Alexander.
Sachs machte sich auch als Produzent und Kameramann von Dokumentarfilmen einen Namen, unter anderem über fremde Kulturen und Mythologien in der Südsee. Für seinen Wintersport-Film „Happening in White“ im Jahr 1970 wurde ihm der erste Preis des Internationalen Olympischen Komitees verliehen.
Auch als Kunstsammler ein besonderen Ruf
Sachs war 1974 Fotograf des offiziellen Plakats der Messe „Photokina“. Sämtliche Erlöse aus den Verkäufen der fotografischen Werke von Sachs kamen der Stiftung seiner Frau Mirja für Not leidende Kinder in aller Welt zugute.
1995 gründete Sachs ein „Institut zur empirischen und mathematischen Untersuchung des möglichen Wahrheitsgehaltes der Astrologie in Bezug auf den menschlichen Charakter“. Zwei Jahre später erschien sein Buch „Die Akte Astrologie“. Er selbst sah seine typischste Eigenschaft als Skorpion „mein Eulenspiegel-Zwinkern“.
Auch der Kunstsammler Sachs hatte im internationalen Vergleich eine Sonderrolle inne. Weil er zu Salvador Dalí, Yves Klein und Roy Lichtenstein enge persönliche Kontakte pflegte, zählte seine Sammlung zeitgenössischer Kunst zu den bedeutendsten in Europa.