Etwa zwölf Millionen Menschen sind in Deutschland ehrenamtlich engagiert. Ebenso wie im Berufsleben kann es zu heftigen Konflikten kommen – bis hin zum Mobbing. Weil die Arbeitsstrukturen aber weniger klar sind als im Job, sind Streitigkeiten oft schwerer zu lösen.
Berlin.
Sie trainieren den Fußballnachwuchs, unterstützen benachteiligte Kinder bei den Hausaufgaben oder setzen sich im Kirchenvorstand fürs Gemeindeleben ein: Ehrenamtliche wissen, dass sie dafür materiell kaum entlohnt werden. «Umso mehr erwarten die Engagierten aber, dass ihre Anstrengungen geschätzt und respektiert werden. Und umso eher verletzt es sie, wenn dies nicht der Fall zu sein scheint», sagt Peter Knuff, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Vereine und Verbände (bdvv).
Laut einer GfK-Umfrage setzen sich vor allem Ältere für andere in der Gesellschaft ein. Demnach hat jeder Dritte der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre (30 Prozent) ein Ehrenamt. Mehr als 40 Prozent von ihnen geben als Motiv an, Bestätigung und Glück zu erfahren, wenn sie anderen helfen (44 Prozent). Im Vergleich dazu engagiert sich nur etwas mehr als ein Viertel der 30- bis 59-Jährigen für andere (26 Prozent).
Unklare Strukturen begünstigen Streit und Mobbing
Gleichzeitig arbeiten laut Knuff viele Ehrenamtler in Bereichen, für die sie nicht ausgebildet sind, und in denen ihnen schneller Fehler passieren. Schließlich hat längst nicht jeder Kassenwart eine kaufmännische Lehre absolviert, und manch ein Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit ist alles andere als ein begnadeter Werbetexter. «Wenn dann etwas nicht rund läuft, fühlen sich die Engagierten zu Unrecht angeprangert.»
Die negativen Gefühle, die in solchen Situationen entstehen, bilden den Nährboden für schwelende Konflikte bis hin zum Mobbing, erläutert Christiane Prieß-Heimann. Sie hat als Mediatorin in Bordesholm (Schleswig Holstein) schon viele Vereine und Verbände begleitet. «Aber auch Kompetenzanhäufung bei einer Person, unzureichende Kommunikation und vor allem unklare Strukturen begünstigen Streit und Mobbing.»
Um dem entgegenzuwirken, rät sie, negativen Gefühlen und Stimmungen so früh wie möglich auf den Grund zu gehen – bei sich selbst und bei anderen. Am besten spricht man sie direkt an. So könnte der Kassenwart, der die Veranstaltungseinnahmen falsch deklariert und dem Verein dadurch zusätzliche Steuerzahlungen verursacht hat, sagen: «Es tut mir leid, aber ich konnte es nicht besser. Ich würde mich freuen, wenn ich fürs nächste Mal eine gründliche Einweisung oder auch Fortbildung bekäme.» Damit stellt er sich dem Problem, macht aber deutlich, dass er nicht zum Sündenbock abgestempelt werden möchte.
Rangeleien um Befugnisse und Zuständigkeiten vermeiden
Während im Berufsleben Verträge oder Betriebsvereinbarungen für klare Strukturen sorgen, scheuen Vereine oftmals genau das. Dort herrsche oft die Denkweise: «Das brauchen wir nicht», sagt Rechtsanwältin und Mediatorin Eva Lingen, Mitglied im bdvv. Zunehmend setze sich aber im Vereinsleben die Erkenntnis durch, dass solche Regelungen nützlich sind. «Viele große Nonprofit-Organisationen haben inzwischen sogenannte Governance-Regelungen aufgestellt, die Mobbing entgegenwirken können.»
Formal gibt es meist einen Vorstand, der Entscheidungen trifft und Aufgaben an verschiedene Personen delegiert. «Je klarer diese Vorgaben formuliert und eingehalten werden, desto weniger Rangeleien gibt es um Befugnisse und Zuständigkeiten», sagt Prieß-Heimann.
Umso besser lässt sich eine klassische Konfliktsituation lösen wie die, dass ein Ehrenamtler mit viel Entscheidungskompetenz aus privaten Gründen vorübergehend wenig Zeit hat. «Dann ist es oft so, dass ein anderes engagiertes Mitglied einspringt. Das geht so lange gut, bis etwas schief läuft – dann steht diese Person auf einmal unter Beschuss», sagt Prieß-Heimann. Umso wichtiger ist es, so früh wie möglich festzulegen, wer wann welche Aufgaben übernimmt. «Kommt so eine Klärung nicht vom Vorstand, sollten Mitglieder ihn dazu auffordern.»
Beschwerde über Mobbing ernst nehmen
Ganz unabhängig von den jeweiligen Regelungen rät Prieß-Heimann denjenigen, die das Gefühl haben, bei Entscheidungen übergangen zu werden, dies so früh wie möglich zu äußern: «Dann staut sich gar nicht erst etwas an und die Konfliktpartner können noch unvoreingenommen miteinander reden.» Dabei sollte es selbstverständlich sein, zunächst nur direkt Betroffene anzusprechen und nicht Dritte. Findet etwa ein Elternteil, dass der Turntrainer des Kindes die Kleinen zu sehr anschreit, sollte er als erstes mit diesem unter vier Augen darüber sprechen – und nicht mit anderen Eltern oder gar dem Jugendwart.
Dazu ist eine gute Kommunikation nötig: «Gute Kommunikation setzt immer das Einbeziehen der Sach- und der Gefühlsebene voraus», erläutert Prieß-Heimann. Häufig reiche es für die Einbeziehung der Gefühle des Betroffenen, diese einfach zu benennen: «Ich habe gerade den Eindruck, dass Ihnen irgendetwas nicht passt. Was ist es?»
Ehrenamtler fühlen sich durch ihre langjährigen Tätigkeit für die Gemeinschaft oft stark mit dieser verbunden. Dies sollte wertgeschätzt und geschützt werden, resümiert Mediatorin Eva Lingen. «Deshalb sollte ein Vorstand jede Beschwerde über Streit und Mobbing ernst nehmen und sofort das Gespräch mit den Betroffenen suchen.» (dpa)