Krieg mitten in Europa! Der Konflikt in der Ukraine schockiert die ganze Welt.
Russlands Präsident Wladimir Putin (69) spricht von den Sicherheitsinteressen seines Landes, er erkennt die Ukraine nicht als eigenen souveränen Staat an und wolle das Nachbarland „entmilitarisieren und entnazifizieren“.
Doch was geht wirklich vor im Kopf von Putin? Was ist nur Propaganda – und wovon ist er selbst überzeugt? Und welches große Ziel verfolgt er mit diesem Krieg gegen das eigene „Brudervolk“?
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Ukraine-Krieg: Experte erklärt – DAS hat Putin wirklich vor
Unsere Redaktion hat dazu mit Dr. Nikolaj Plotnikov (55) gesprochen. Er ist selbst in Moskau geboren und arbeitet an der Ruhr-Universität Bochum am Seminar für Slavistik/Lotman-Institut für russische Kultur. Im Interview ordnet er Putins Pläne und seine Vorgehensweise ein.
Offiziell vertritt Russland zwei Narrative. Zum einen sei die Ukraine kein eigenständiger Staat, sondern ein Volk von „Kleinrussen“ – das hat Putin immer wieder öffentlich geäußert und davon sei er auch persönlich überzeugt.
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Zum anderen bedrohe die Nato mit einer möglichen Osterweiterung die Sicherheitsinteressen Russlands, so der Kreml. In den Augen von Plotnikov sei das jedoch eine „komplette Verdrehung der Tatsachen“. Von der Ukraine gehe für Russland keinerlei militärische Gefahr aus. „Russland hat im Kaliningrader Gebiet so viele Raketen und Waffen stationiert, dass Putin damit in wenigen Minuten sogar Berlin erreichen könnte“, so Plotnikov.
Ukraine-Krieg: Wirtschaftliche Sanktionen „tangieren Putin nicht“
Plotnikov ist sich sicher: Putin fürchtet eine Annäherung der Republiken der ehemaligen Sowjetunion an eine westlich geprägte Demokratie – weil das die Vormachtstellung Russlands gefährde.
„Er hat den Untergang der Sowjetunion und den Wegfall ihres Einflussgebietes stets bedauert. Und klar ist es schwierig, den kompletten Einflussbereich wieder herzustellen – aber er versucht alles zu nehmen, was er kriegen kann.“
Putin werde oft als „größenwahnsinnig“ bezeichnet. Man argumentiere, dass es doch nicht in Putins Interesse liegen könne, heftige wirtschaftliche Sanktionen für sein Land zu riskieren – doch so einfach sei das laut Plotnikov nicht.
„Putin kann Wirtschaftsverluste in Kauf nehmen“, betont er. „Wenn der Rubel fällt oder die Aktien in den Keller gehen, das tangiert ihn nicht. Er hat eine ganz andere Denkperspektive.“ Es gehe ihm einzig und allein um Russlands Standing in der Weltpolitik.
Ukraine-Krieg: Experte ist sich sicher – „Es geht nicht nur um die Ukraine“
„Putin denkt an das Ewige Russland“, betont der Experte. „Es geht nicht nur um die Ukraine – um sein Vermächtnis.“ Und dabei schrecke er vor nichts zurück.
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„Es ist alles möglich, das ist das Schreckliche“, meint Plotnikov. „Das ist eine Situation, in der er bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen. Man weiß ja nicht, was Putin im Rausch dieser militärischen Machtentfaltung noch für Ideen bekommt.“
Selbst nach einem „Sieg“ Russlands sei die Angelegenheit keinesfalls vorbei: „Dann ist vielleicht ein paar Jahre Ruhe, aber da er jetzt eine hochmoderne Armee aufgebaut hat, wird er auch nicht davor zurückscheuen, die Nato herauszufordern und sein Einflussgebiet auf die baltischen Republiken und osteuropäischen Staaten auszuweiten.“
Ukraine-Krieg: Was hält die russische Bevölkerung vom Vorgehen ihres Präsidenten?
Putin arbeitet also an seinem eigenen Vermächtnis – doch wie steht sein Volk dazu, dass ihr Präsident einen Krieg beginnt und die Welt damit gegen sich aufbringt?
„Das Problem ist: Das Volk bleibt stumm“, so Plotnikov. „Jede öffentlich wirksame Äußerung des Protests wird sofort unterdrückt. Innerhalb des Landes ist nur die offizielle Argumentation zu diesem Krieg erlaubt, alles andere wird bestraft und kriminalisiert. Putin hat keine Gefahr zu befürchten, die von Innen kommt.“
„Die meisten lassen Putin einfach schalten und walten – Hauptsache sie selbst tragen keine Nachteile und werde in Ruhe gelassen.“ Erst, wenn Putin eine Mobilmachung der Zivilbevölkerung ausrufen würde, würden sich die Menschen widersetzen, vermutet Plotnikov.
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Der Experte: „Ich denke, die Unterstützung im Land ist viel niedriger für diesen Krieg. Doch Putin ist mit seiner neuen Berufsarmee völlig unabhängig von der Bevölkerungsmeinung.“
Ukraine-Krieg: Was passiert mit Präsident Selenskyi?
Wie es in der Ukraine weitergeht? Plotnikov wagt eine Prognose: „Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er versuchen, Kiew zu erobern und den ukrainischen Präsidenten Selenskyj dazu zu zwingen, schreckliche Kapitulationsbedingungen zu unterschreiben.“
Die andere Option: Selensky verhaften oder töten, und dann eine von Russland gelenkte „Marionette“ dort zu installieren. (at)