Vor mehr als eineinhalb Jahren startete der russische Machthaber Wladimir Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft aktuell umso mehr auf die Waffenlieferungen aus dem Westen.
Immer öfter drängt sich auch die Frage auf: Wie lange wird dieser Krieg in Europa noch gehen? Und wer wird ihn für sich entscheiden? Marcus Keupp leitet die Abteilung für Militärökonomie an der Militärakademie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Im Interview mit der „Zeit“ prognostiziert er einen möglichen Ausgang.
Putin: „Position wird unhaltbar werden“
Bereits im März sagte Keupp voraus, dass Russland im Oktober den Krieg verloren haben wird. Im Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) betonte er, dass die Ukraine ab April eine Gegenoffensive mit westlichen Panzern starten werde.
Seit vier Monaten läuft diese nun bereits. Die Ukraine versuche dabei die „russische Front mit dauerhaften Angriffen aufzuweichen“, so Keupp gegenüber der „Zeit“. Die Fortschritte bei diesem Vorgehen seien vor allem von logistischer Art: So verliere die russische Armee deutlich mehr Soldaten und militärisches Gerät als die Ukraine. Sollte das so weiter gehen, könnten die Russen ganze Frontabschnitte nicht mehr halten können.
„Für die Ukrainer ist es zentral, den Russen klarzumachen, dass ihre Position unhaltbar werden wird. Und das machen sie, indem sie die russische Logistik unterbinden und ihnen hohe Verluste bei der Artillerie zufügen“, erklärt Keupp.
„Taktik geht auf“
Die ukrainische Armee versuche hinter der Front anzugreifen, um gegnerische Artillerie zu zerstören und den Druck auf die Russen zu erhöhen. Und: „Diese Taktik geht auf. Russische Spezialkräfte, die eigentlich die Front verstärken sollten, ziehen sich bereits im Süden zurück.“ Die russische Armee müsste demnach bereits alte Geschütze hernehmen, da die Nachschubprobleme so groß seien. Auch werden Gastarbeiter aus Zentralasien als Kämpfer angeworben. Keupps Fazit: „So gut scheint es um die eigene Reserve an Soldaten also auch nicht zu stehen.“
Nach wie vor steht der Militärexperte zu seiner Prognose, dass der Krieg bereits strategisch entschieden sei. „So wie der Krieg läuft, kann das russische Regime nicht gewinnen“, macht Keupp im „Zeit“-Interview klar. Strategisch habe es schon verloren. Und das werde sich im Oktober noch einmal deutlicher zeigen, sobald die ukrainische Armee amerikanische Abrams-Panzer einsetze.
„Die Logistik der Russen wird so eingeschränkt sein, dass sie ihre Soldaten zurückziehen müssen, weil sie die Verbände nicht mehr versorgen können – oder sie werden abgespalten, eingekesselt und aufgerieben“, so Keupp. Trotzdem werden die Kampfhandlungen laut dem Experten nicht im Oktober enden. Doch Putin hätte, wäre er ein militärisch rationaler Mensch, längst eingesehen, dass er den Krieg nicht mehr gewinnen könne.
Putin: Einsatz von nuklearen Waffen nur „Bluff“
Gerade deshalb wird immer wieder diskutiert, ob der russische Präsident zu seinen Atomwaffen greifen würde. Doch die Menschen in Deutschland würden sich eher an Ängsten, als an Fakten orientieren, so Keupp. „Deswegen fruchtet hierzulande auch die russische Drohung vom Einsatz von Atomwaffen so gut. In Wahrheit ist das aber nur ein Bluff.“ Außerdem sei das Propaganda und das russische Regime ziehe den Schwanz ein, sobald der Westen Stärke zeige.
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Wann als könnte Russlands Angriffskrieg enden? „Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, dann kommt er im Frühjahr 2025 an die Macht. Bis dahin ist der Krieg vorbei und die Ukrainer haben gewonnen“, prognostiziert Keupp auch in Hinblick auf die anstehenden US-Wahlen.