Sie gehört zu den renommiertesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Nicht erst durch ihre Verkörperung der Julia Grosz im Hamburger „Tatort“, auch durch Rollen der Irene im österreichischen Psychothriller Hotel oder der Erika in „Die Räuber“ zeigte Franziska Weisz, welch brillante Darstellerin in ihr steckt.
Am 15. und 17. November ist Franziska Weisz in der ARD in einer neuen Rolle zu sehen. In „Wer wir sind“ spielt die 43-Jährige die Rolle der Polizistin Catrin. Bei einem Aufeinandertreffen verschiedener Jugendgruppen und der Polizei ist auch ihre 17-jährige Tochter involviert. Es ist ein Abend, der das Leben beider Frauen verändert. Wir haben mit Franziska Weisz über die Serie und ihren Ausstieg beim „Tatort“ gesprochen.
In „Wer wir sind“ spielen Sie die Rolle der Polizistin Catrin, deren Tochter als Aktivistin in Konflikt mit der Polizei gerät. Sie ermitteln trotzdem und geraten in einen Gewissenskonflikt.
Genau. Ich darf offiziell ermitteln, gebe meine Ermittlungen in dem Moment, in dem ich herausfinde, dass meine Tochter involviert ist, jedoch nicht auf. Ich mache es sogar noch viel schlimmer: Ich vertusche es. Dieser Zwiespalt zwischen Loyalität zu Polizei und Gesetz, und dann der Liebe zur Tochter, und dem Bedürfnis, sie zu beschützen, ist das, was meine Figur antreibt, aber auch gleichzeitig zerreißt. Das fand ich sehr spannend.
War es genau dieser Zwiespalt der Rolle, der sie dazu veranlasste, sie zu spielen?
Auf jeden Fall. Das war ein großer Punkt. Dazu kommt, dass ich es sehr interessant fand, wie unterschiedlich Dinge in der Serie wahrgenommen werden. Eigentlich sind die Taten meiner Figur gut gemeint. Sie lügt sogar für ihre Tochter. Ihre Tochter jedoch sagt, dass sie keiner darum gebeten habe. Und das stimmt. Sie glaubt sogar, dass sie dies nur tue, um ihren eigenen Hintern zu retten. Catrin wiederum kommt gar nicht darauf, das so zu sehen. Für sie ist ganz klar, dass sie nur ihre Tochter retten wolle. Unterschiedliche Wahrnehmungen und daraus resultierende Missverständnisse, das ist ein sehr interessanter Aspekt der Serie und hat viel mit unserem Leben zu tun.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Umweltschutzaspekt.
Für mich ist das seit vielen Jahren einfach das große Thema. Eine Serie darüber machen zu dürfen und den Klimaaktivisten auf der einen Seite, den Politikern auf der anderen und der Polizei auf der dritten Seite, Gesichter zu geben, Schicksale zu geben, sie dadurch nachvollziehbar zu machen, das war für mich ein großer Beweggrund.
Gerade jetzt wird immer wieder diskutiert, welche Aktionen beispielsweise von der „Letzten Generation“ wirklich legitim sind, und welche über das Ziel hinausschießen. Man denke nur an das Beschmieren des Brandenburger Tores und der Weltzeituhr in Berlin. An welchem Punkt glauben Sie, geht die Unterstützung derer verloren, die sich noch nicht auf eine konkrete Seite gestellt haben?
Das ist eine richtige und wichtige Frage. Zu Greta Thunbergs Zeiten waren alle ganz begeistert: ‚Ach, die Umweltschützer, die junge Generation, das ist alles ganz toll, was die da machen.‘ Die waren nett und niedlich und alle haben Respekt davor gehabt, dass eine junge Frau so eine Chuzpe hat. Allerdings hat sich nicht wahnsinnig viel verändert. Es ist klar, dass die Entscheidungsträger, die eventuell doch von Lobbys aus der Wirtschaft beeinflusst werden und jedenfalls ihre Wähler nicht verlieren wollen, keine für sich unbequemen Entscheidungen treffen. Warum sollten die, denen es gut geht, Entscheidungen treffen, die für sie selbst unbequem sind?
Jedoch wächst die junge Generation mit einer anderen Angst auf, als wir es damals taten. Als ich in den 80ern ein Kind und in den 90ern ein Teenager war, gab es die Atomkatastrophe, den kalten Krieg, Tschernobyl. Das waren meine großen Schreckgespenster. Aber die Schreckgespenster der heutigen Kinder und Jugendlichen sind weggespülte Häuser, Waldbrände und Flucht. Das sind die Themen, vor denen die heutige Jugend Angst hat. Und da hoffe ich, dass die Serie ausdrücken kann, dass der Aktivismus nicht aus Langeweile oder Egoismus entsteht, sondern aus echter Angst und dem Gefühl, etwas verändern zu müssen, weil es sonst zu spät sein kann.
Und jetzt, wo man stundenlang im Stau steht, weil die Straßen blockiert sind, wo kulturelle Einrichtungen beschädigt werden, ist es nicht mehr lustig. Es ist störend, aber es soll die Politik aufwecken. Schade ist allerdings, dass die Menschen im Stau stehen und auf die Klimaaktivisten fluchen und nicht die Politik in die Pflicht nehmen, damit endlich etwas passiert und Schluss mit dem Ankleben ist. So weit wird nicht gedacht. Und das ist der Knackpunkt. Es soll ja nicht den Menschen das Leben versauen, sondern politische Lösungen erzwingen, die uns allen etwas Gutes bringen.
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Wobei die jetzige Bundesregierung in einer kniffligen Situation steckt. Selten gab es so viele Konflikte gleichzeitig, wie dieser Tage. Sich auf ein Thema zu konzentrieren, ist schwer.
Jein, die direkte Folge des Ukraine-Krieges auf uns, war Energieknappheit. Alle haben Angst gehabt, dass wir jetzt frieren müssen. Was wäre eine richtig tolle, klimafreundliche Lösung gewesen? Zu sagen: Leute, Zähne zusammenbeißen, es wird kalt. Wir können nicht mehr so viel heizen, außer ihr seid Millionäre und könnt es euch leisten. Stattdessen wurde in großem Stil subventioniert, anstatt die gezielt zu unterstützen, die es dringend nötig haben, und alle konnten schön weiter einheizen, als gäbe es kein Morgen. Was für mich eine verlorene Chance war.
Ein Beispiel aus meiner Familie: Mein Großvater war starker Raucher. Er hat aber gesagt, wenn das Päckchen Zigaretten 10 Schilling kostet, dann hört er auf. Und er hat von einem Tag auf den nächsten aufgehört, zu rauchen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir alle exakt so funktionieren. Wenn wir merken, das Heizen wird uns viel zu teuer, dann ziehen wir einen dicken Pulli an und lassen es etwas kühler sein. So hätte man einer großen Krise, etwas Positives abgewinnen können.
Sie haben vor einigen Wochen ihren Abschied beim „Tatort“ verkündet: Verraten Sie uns, warum sie aufgehört haben.
Es gibt immer Gründe, „Tatort“-Kommissar zu werden, und es gibt natürlich Gründe, auch wieder damit aufzuhören. Das haben auch schon viele vor mir gemacht. Es gibt viele unterschiedliche Rollen, die Spielwiese ist so groß und ich begrüße Entfaltungsmöglichkeit.
Also hätten Sie der Rolle gerne ein weiteres Gesicht gegeben?
Wenn für Facettenreichtum der Raum nicht besteht, dann ist eine Figur natürlich auch bald auserzählt.
Schauen Sie denn mit einem lachenden oder einem weinenden Auge zurück?
Mit beiden. Ich durfte so viel erleben in den Jahren. Allein die intensive Zusammenarbeit mit der Bundespolizei. Wir waren das einzige Team, das von der Bundespolizei war. Und die Hamburger Bundespolizei war so hilfreich und hilfsbereit. Sie haben sich ganz viel Mühe gegeben, uns realistisch sein zu lassen. Die Beamten haben uns sehr viel Einblick gegeben, waren jederzeit für uns erreichbar. Ich finde die Polizeiarbeit nachhaltig faszinierend. Man geht in der Früh los und hat überhaupt keine Ahnung, wo es einen hinspült. Das kann ein kleines Verbrechen an der Ecke sein, im nächsten Moment ist es schon eine riesige Sache, die groß in der Zeitung steht.
Genau das, dass man mit den verschiedensten Milieus in Kontakt kommt, hat mich so bereichert. Bei jedem Film konnte ich mit einem anderen Thema auseinandersetzen. Ob es internationale Kriminalität war, oder das Rotlichtmilieu in Hamburg. Ich habe so viel gelernt in der Zeit. Polizisten sind eben nicht nur ihre Uniformen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die abends wieder zu ihrer Familie nach Hause wollen. Und die Tatort-Community ist wirklich einzigartig. Ihren Sonntagabend mitgestalten zu dürfen, war eine große Ehre und Freude. Dafür bin ich sehr dankbar.
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Die ARD zeigt die sechs Folgen „Wer wir sind“ am 15. und 17. November (jeweils drei Folgen). In der Mediathek sind die Folgen bereits ab dem 10. November abrufbar.