Laut Medienberichten gibt es unerwartete Entwicklung bei der Energiewende. Von einem „Batterie-Boom in Deutschland“ berichtet das „Handelsblatt“, der „Spiegel“ meint sogar „Ein Batterie-Tsunami rollt heran“. Haben wir bald die Dunkelflauten nicht mehr zu fürchten? Werden Gaskraftwerke schneller überflüssig? Die Szenarien stimmen zuversichtlich, ein deutsches Energiewunder erscheint plötzlich möglich. Gelingt es Wirtschaftsminister Robert Habeck sogar mittelfristig, den Strompreis so günstig werden zu lassen wie noch nie? Es hätte eine besondere Ironie, denn die Grünen könnten im Februar abgewählt werden aus der Regierung.
+++ Auch spannend: Grünen-Kracher: Habeck schießt in Umfragen nach oben – Merz verliert stark +++
Unsere Redaktion hat bei einem Experten nachgefragt, wie diese Meldungen einzuordnen sind und welchen Anteil Minister Habeck daran hat. Professor Dr. Andreas Löschel lehrt an der Ruhr-Universität Bochum Umwelt- und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit.
Batteriespeicher: „Rasanter Preisverfall, der sich noch einmal deutlich beschleunigt hat“
Herr Professor Dr. Löschel, teilen Sie diese sehr zuversichtlichen Prognosen zu den Großspeichern und einer schnelleren Energiewende in Deutschland?
Tatsächlich hat sich die Installation von Batteriespeichern in den letzten Jahren rasant entwickelt. Überwiegend sind das Klein- und Heimspeicher, aber auch etwa 20 Prozent Großspeicher. Um die angenommene installierte Leistung von Batteriespeichern im Netzentwicklungsplan zu erreichen, müsste der weitere Ausbau mit einer Wachstumsrate von etwa 20 Prozent pro Jahr fortgeführt werden. Das hört sich erst einmal sehr anspruchsvoll an.
Allerdings gab es einen rasanten Preisverfall, der sich seit Mitte des letzten Jahres noch einmal deutlich beschleunigt hat. Die Gründe dafür sind ein Angebotsüberhang bei gleichzeitigem massiven Rückgang der Rohstoffpreise. Zwar dürfte sich diese Entwicklung wieder etwas verlangsamen und nicht alle Pläne dürften dann umgesetzt werden. Es deutet aber vieles darauf hin, dass die Annahmen zur Entwicklung der Batteriespeicher zu konservativ ausfallen.
Dunkelflaute wie im November: Es braucht weiter Gaskraftwerke
Bedeutet das, dass auch der Netzausbau in Deutschland gar nicht so eine große Herausforderung sein wird wie bisher angenommen?
Richtig ist, dass Batterien den Ausbaubedarf der Netze reduzieren. Für eine volkswirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Vorzüge von Batteriespeichern braucht es in Zukunft dynamische Stromtarife und regionale Strompreise, die Engpässe in den Stromnetzen berücksichtigen.
Andernfalls erhalten die Batterien falsche Preissignale für das Laden und Entladen. Der Strompreis berücksichtigt augenblicklich aber nicht die physischen Verfügbarkeiten. Bei hoher Stromerzeugung durch erneuerbare Energien im Norden sinken die Strompreise und Batterien im Süden und auch im Westen werden geladen. Dieser Strom steht oft aber real gar nicht zur Verfügung.
Zwar werden günstige Batterien den Ausbaubedarf der Netze reduzieren, es braucht aber die bessere Anreize, die Batterien an die richtige Stelle zu bauen und diese dann auch systemdienlich zu be- und entladen. Hier besteht großer politischer Handlungsbedarf.
Und was bedeutet dieser Boom für unseren Bedarf an Gaskraftwerken und die Gefahr der Dunkelflauten?
Der stärkere Ausbau der Batteriespeicher wird insbesondere für den Ausgleich der Stromnachfrage über 1-2 Tage relevant sein. Das wird einige Kraftwerke weniger wirtschaftlich machen, es wird aber den Bedarf von Kraftwerken zur Absicherung der Dunkelflaute kaum beeinflussen.
Wenn die Sonne kaum scheint und der Wind länger nicht weht wie in diesem November, dann sind nach heutigem Stand Gaskraftwerke, die perspektivisch mit grünem Wasserstoff betrieben werden, die beste Option. Diese müssten rasch ausgebaut werden.
Wenn der Markt durch günstige Batterien geringere Erlöspotentiale für Kraftwerke bietet, dann verstärkt das aber noch das bestehende „Missing Money“-Problem. Deshalb ist es umso wichtiger, Kapazitätsmechanismen zu entwickeln, die dieses Problem adressieren und dabei insbesondere längerfristige Terminmärkte nutzen. Hier gilt es, die geplante Kraftwerksstrategie rasch umzusetzen und bei der Ausgestaltung stärker auf Strompreissignale zu setzen.
Habecks Rolle: Regierung reduzierte sogar Förderung der Batterie-Forschung
Wird diese Entwicklung dann zu einem deutlich günstigeren Strompreis für die Endverbraucher führen? Und wenn ja: Wie viel werden wir an Kosten sparen?
Bis vor kurzem waren Speicher etwa bei Endverbrauchern mit einer PV-Anlage meist nicht wirtschaftlich. Das heißt die Einsparung bei den Stromkosten durch höheren Eigenverbrauch bzw. weniger Fremdbezug von Strom haben die Kosten eines Batteriespeichers nicht eingespielt. Trotzdem wurden die meisten PV-Anlagen mit Batteriespeichers verkauft, weil vielen Haushalte die höhere Autonomie durch den Batteriespeicher wichtig war.
Bei den gefallen Preisen für Batteriespeicher hat sich das geändert. Stromkosten für Haushalten und bei Unternehmen werden mit günstigen Batterien durch die Möglichkeit zur Ausnutzung von Preisschwankungen bei variablen Großhandelspreisen, die bessere Wirtschaftlichkeit von volatilen erneuerbaren Energien oder dem geringeren Ausbaubedarf der Stromnetze gesenkt werden. Wie stark die Kostensenkung durch günstigere Batterien ausfällt, ist augenblicklich schwer abschätzbar.
Kann man sogar von einem „Habeckschen Strom-Wunder“ sprechen, also liegt die Entwicklung an wichtigen politischen Weichenstellungen des Ministers?
Diese aktuellen Entwicklungen im Batteriebereich kann sich die augenblickliche Regierung kaum anrechnen. Der rasante Preisverfall bei Batteriespeichern, der sich seit Mitte des letzten Jahres noch einmal deutlich beschleunigt hat, ist getrieben durch ein stark gestiegenes Angebot, insbesondere aus China, bei gleichzeitig langsamer als erwarteter Elektrifizierung und damit einem Angebotsüberhang. In Deutschland zum Beispiel ist man bei der Elektrifizierung des Verkehrs und der Gebäude vorangekommen, aber eben hinter den eigenen Zielsetzungen deutlich zurückgeblieben.
Weitere interessante Themen für dich:
Auch der zweite Grund für den starken Preisverfall, der massiven Rückgang der Rohstoffpreise in den letzten Monaten, hat wenig mit deutscher Energiepolitik zu tun. Lithiumpreise sind um fast 80% gefallen, auch weil sehr rasch neue Kapazitäten etwa in Australien, dem größten Produzenten von Lithium, erschlossen wurden.
Gleichzeitig findet viel Wertschöpfung in der Anwendung statt. Allerdings wurde die Förderung der Anwendungsforschung für neue Batterien in Deutschland gerade massiv zurückgefahren. Das macht in diesem Kontext wenig Sinn.