„Ich bin ein bisschen nervös und ängstlich“, gibt Aaron S. zu. Vor seiner Dokumentation über den „Nazi-Kiez“ in Dortmund sei der britische Dokumentarfilmer mehrfach gewarnt worden. „Geh nicht nach Dorstfeld“, hieß es von allen Seiten. Denn „offensichtlich bin ich braun“, spielt der Brite auf seine Hautfarbe an.
Doch das brachte Aaron S. nicht davon ab, sich mit zwei führenden Köpfen der Dortmunder Nazi-Szene zu unterhalten. Was diese vor laufender Kamera von sich geben, ist schwer auszuhalten.
Dortmund: Reportage im Nazi-Kiez schockiert
Sven S. wägt ganz genau ab, bevor er antwortet. Auf die Frage, ob Adolf Hitler aus seiner Sicht ein guter Mensch gewesen sei, wolle er nicht mit „ja“ oder „nein“ antworten – aus Angst, vor Gericht zu landen, wie er sagt. Als „Lichtgestalt des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet der Dorstfelder dann aber doch den „Führer“, der für die Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen in Europa verantwortlich ist, mit seinem Rassenwahn und dem Zweiten Weltkrieg unermessliches Leid verursachte.
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Zum Holocaust selber habe er „kein Gefühl“. Es sei zwar „nicht richtig“ gewesen, sechs Millionen Menschen systematisch zu töten. Aber man wolle sich nicht in „Sippenhaft“ nehmen lassen für das historische Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in Europa. Aus Sicht des Neonazis sei der Krieg im Nahen Osten derzeit nichts anderes, ein Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung. Er würde lieber 500.000 Palästinenser aufnehmen, wenn Deutschland dadurch alle Kontakte zu Israel abbrechen und das Land zu einem „Feindstaat“ erklären würde.
Neonazi hetzt gegen Politiker und Medien
Eine unmissverständliche Kampfansage an jüdisches Leben, das vordergründig mit der Gründung des Staates Israel und der damit einhergehenden Vertreibung von Palästinensern im Nahen Osten begründet wird. Bemerkenswert ist die angebliche Bereitschaft zur Aufnahme nicht-deutscher Menschen. Denn nichts scheint ihm und Sascha K., dem zweiten in der Doku zu Wort kommenden Anführer der rechtsextremen Szene in Dortmund, wichtiger als die Abschiebung von Menschen nicht-deutscher Herkunft.
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Es wirkt beinahe als erwarte Sven S. Applaus dafür, dass er einer muslimischen Frau helfen würde, wenn sie grundlos von fünf Leuten attackiert würde. Es sei nie richtig, Schwächere zu attackieren, schreibt er sich durch diese Weise ein hohes Maß an Menschlichkeit zu. Man solle sich Gegner suchen und keine Opfer. Und die sieht Sven S. im politischen System und in den großen deutschen Medienhäusern, die angeblich die Massen lenken. Die klare Kampfansage an die „wirklichen Feinde“: „Wehrt euch dagegen.“
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Es ist der Versuch der Mobilisierung extrem rechter Kräfte in Dortmund. Die Polizei Dortmund ließ dazu noch im November offiziell verlauten: „Die rechte Szene in Dortmund ist zerschlagen.“ Zu dem Schluss kamen die Behörden, nachdem Führungspersonen aus Dortmund abgewandert waren und die Mobilisierung bei Versammlungen „in diesem Jahr so gering wie nie zuvor“ gewesen sei. Wie es unter der Oberfläche brodelt, zeigt die Dokumentation aus Dorstfeld jedoch eindrücklich. Die Polizei Dortmund teilt dazu mit, dass man den „Bereich Dorstfeld weiter intensiv im Blick haben“ werde.