Hat Friedrich Merz einen großen strategischen Fehler gemacht? Er wollte „All In“ gehen und hat sich verzockt. Sein Wortbruch im Bundestag könnte ihm und seiner Union einige Wählerstimmen kosten bei der Bundestagswahl am 23. Februar. Entgegen seiner Zusicherung suchte er doch mit AfD-Stimmen Mehrheiten. Am Freitag sogar erfolglos für ein Gesetz. Nun gibt es massive Kritik an seinem Vorgehen – auch aus der Bevölkerung.
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Auch die Presse urteilt hart über den Kanzlerkandidaten der Union, sogar die keineswegs linksgerichtete „WirtschaftsWoche“.
„WirtschaftsWoche“ und „Spiegel“ nehmen Merz auseinander
„Friedrich Merz kann es nicht“ titelte die „WirtschaftsWoche“. Das Blatt spricht von einer „Farce“, die sich im Bundestag abgespielt hat, es sei ein „Totalversagen“ gewesen. Merz habe die Mitte preisgegeben „und den Rechtspopulisten einen Triumph geschenkt“. All das „aus dem Affekt heraus, um eines vermeintlichen Vorteils im Wahlkampf willen“. Er habe seinen Willen durchboxen wollen, wie „ein Kleinkind, ein Trotzkopf“.
Ebenfalls wenig schmeichelhaft fällt das Urteil von Stefan Kuzmany in einem „Spiegel“-Kommentar aus, der ebenso den Titel trägt „Er kann es nicht“. Merz sei „ungeeignet für das Kanzleramt“, niemand könne sich „so viel Kurzsichtigkeit und strategisches Unvermögen“ dort wünschen. Der CDU-Chef habe keinen kühlen Kopf bewahrt. „Er neigt offenbar dazu, seine Wahrnehmung in herausfordernder Situation auf einen Tunnelblick zu verengen, den er für Entschlossenheit und Führungsstärke hält“, analysiert Kuzmany.
Neue Umfrage: 37 Prozent distanzieren sich mehr von der CDU/CSU
Doch sieht das nur die Hauptstadtpresse so? Nein, offenbar fremdeln nun auch deutlich mehr Wählerinnen und Wähler mit Merz nach dem AfD-Manöver und wenden sich ab. Das zeigen neue Umfragezahlen von INSA für die „Bild“ (2. Februar):
- 33 Prozent der von INSA Befragten sagen, dass sich ihre Meinung über Merz (eher) verschlechtert hat, 21 Prozent haben jetzt (eher) eine bessere Meinung über ihn. Für den Rest hat sich nichts verändert.
- 37 Prozent können sich jetzt (eher) weniger vorstellen, die CDU/CSU zu wählen. Dagegen können sich das 22 Prozent jetzt (eher) mehr vorstellen.
Merz hat den bislang drögen Wahlkampf emotionalisiert und polarisiert. Allein in Berlin gingen am Sonntag laut Polizei rund 160.000 Menschen aus Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag auf die Straße.
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Immerhin: Im Lager der AfD-Wähler hat Merz laut INSA etwas an Ansehen gewonnen. Jeder fünfte AfD-Wähler kann sich demnach nun (eher) vorstellen, die Union zu wählen. Es sind wohl vor allem die Wählerinnen und Wähler der progressiven und eher linken Mitte, also die Merkel-Wählergruppen, die sich von Merz abwenden.