Essen. Ein Revier-Bürger bringt Bildung zu den Ärmsten dieser Welt: Franz-Josef Kuhn (71).
Erst kürzlich war er wieder in Malawi, einem der ärmsten Länder der Welt. Mit dem Taxi reiste Kuhn in den Distrikt Dedza, 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lilongwe. Auch hier entsteht gerade eine neue Schule: die Makota Secondary abc-School (nach dem Fluss Makota); vier Klassenräume für 160 Schüler zwischen 15 und 18 Jahren, ein Bücherei- und Laborraum, ein Lehrerzimmer, ein Büro für den Schulleiter. Acht Lehrer sollen hier unterrichten, sobald die Dorfbevölkerung die nötigen Lehrerwohnungen gebaut hat. Die Ziegel dafür werden selbst gebrannt.
Diese erste weiterführende Schule im Distrikt ist die dritte, die Kuhn in diesem Winkel Afrikas mit gegründet hat. Sie wird wohl nicht die letzte sein, die er einweiht. Denn der „Export” von Schulen in bisher bildungsfreie Zonen in der Dritten Welt ist Kuhns großes Lebensthema.
Seit April ist Kuhn Pensionär. Zuvor war er 37 Jahre lang Verleger und Autor, leitete die Essener Verlage Spectra und Logo. Die entwickelten weit vor dem ersten Pisa-Schock schon innovative pädagogische Materialien für Kindergärten und Schulen.
Doch zwei erfolgreiche Unternehmen zu leiten, reichte dem tatkräftigen Mann nie. Vor 25 Jahren gründete er in Dorsten die „abc-Gesellschaft für das Lesen- und Schreibenlernen in der 3. Welt e. V.”, um den Ärmsten der Welt so direkt wie möglich zu helfen. „Die Menschen müssen sich ihrer sozialen und finanziellen Situation bewusst werden, um selbst handeln zu können”, sagt Kuhn. „Bauern, die rechnen, schreiben, lesen können, erwirtschaften bis zu 20 Prozent mehr mit ihrer Arbeit – besonders die Frauen.” Um Bildung in die arme Landbevölkerung zu bringen, initiierte er in den 80ern in Bolivien, Equador und Peru „Lehrer-Wander-Akademien”. Da lernten 32 000 Lehrkräfte in Intensivkursen moderne Pädagogik und Methoden zur Alphabetisierung kennen.
Was treibt ihn an? „Ich bin ein Nachkriegskind, bin alleine groß geworden.” Knapp skizziert er seine Jugend: „Geboren in Köln, dreimal ausgebombt und durch neun Schulen geflogen.” Der Vater starb, als er zwei war, die Mutter bald darauf. Er lebte in der Lüneburger Heide, im Harz, in Hildesheim und Offenburg, bis er mit 18 Jahren ins Ruhrgebiet kam. „Ich hatte gehört, dass man viel Geld verdienen kann im Bergwerk.” Zwei Jahre lang schuftete er in Essen auf „Fritz Heinrich” unter Tage, zwei weitere Jahre kloppte er Nachschichten am Hochofen, studierte tagsüber Volkswirtschaft. Heuerte dann in einem Schulbuchverlag an.
Kindern und Erwachsenen in der Dritten Welt das ABC – als Basis für ein eigenständiges Leben – zu bringen, wurde seine Leidenschaft. „Urlaub? Habe ich nie gemacht.” Drei Wochen unter Lehrern im bolivianischen Hochland oder am Amazonas – das war seine Freizeit. Seine Frau, sagt er „hat mich immer dabei unterstützt”. Die eigenen Kinder sahen ihn selten. Seien aber „sehr wohl geraten”.
Die abc-Gesellschaft, für die er unermüdlich Spenden sammelt, ist heute sein „Hauptberuf”. In Equador und Nepal hat sie Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien, 2002 gar die erste Indianer-Universität errichtet. Und nach dem Tsunami, Ende 2005, weihte die Gesellschaft in Sri Lanka, mitten im verwüsteten Tamilen-Gebiet, ein Schulzentrum ein.
Eine ganze Stadt half
Kuhn hatte dafür eine ganze Stadt begeistert: „Dorsten hilft” hieß es in Schulen, Kindergärten, Betrieben, Familien, und in Rekordzeit war das notwendige Geld zusammen.
Jetzt trommelt er für Malawis Jugend. Wieder will er eine ganze Stadt für das Schulzentrum begeistern. „Essen hilft”, heißt es diesmal. Mit Parteien und Politikern, Schulleitern oder Unternehmen in der Stadt ist Kuhn im Gespräch. 50 000 Euro wird der Bau der Makota Secondary School kosten, zwei Drittel der Summe sind bereits vorhanden. Den Rest, hofft Kuhn, werden Essener Schüler, Eltern und Betriebe zusammentragen. Kuhn: „Bisher haben wir unsere Projekte immer geschafft.”