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„Santiano“ singen sich mit Seemannsliedern zum Erfolg

Santiano zum Mitschunkeln

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Foto: Koch Universal Music/
Mit auf modern getrimmten Seemannsliedern hat sich das norddeutsche Trio „Santiano“ in die Charts gesungen. Das sich die die Musiker, allesamt im mittleren Alter, vor wenigen Monaten gefunden hatten, ist einem Zufall zu verdanken.

Langenfeld. 

Das Meer ist weit. Weit weg. Nicht einmal eine Nordsee-Filiale gibt es hier in der Einkaufspassage im Herzen von Langenfeld. Deshalb ist der ältere Herr auch ein wenig verwundert: „Da kreischen Möwen.“ Und Brandung, die hört er auch. „Kommt aus den Boxen da hinten“, stellt seine Frau fest. „Ist bestimmt wegen dieser Gruppe, die heute hier singt. Die mit den Seemannsliedern. Santana heißen die, glaube ich.“ Alles richtig, bis auf den Namen: Santiano nennt sich die Band, die derzeit die deutschen Hitparaden erobert.

Im Sturm.

Shantys singen sie. Lieder, die man sonst nur vom Hafenkonzert im Sommerurlaub kennt – vorgetragen von alten Männern in gestreiften Hemden und mit Tüchern um den Hals. Bei Santiano dagegen ist alles auf modern getrimmt und mit tanzbarem Beat unterlegt. Ein bisschen so wie einst Achim Reichel. Oder wie bei „Fluch der Karibik“.

„Moin, moin!, sagt Björn Both (46), da ist es Abendbrotzeit in Langenfeld. Gut hundert Leute sitzen mittlerweile in dem kleinen Eiscafé vor der Bühne. Both trägt schwarze Hose und weites, weißes Hemd zu Glatze und Dreitagebart. Was zwei junge Frauen im Publikum „kernig“ finden. Hinter ihm steht Hans-Timm Hinrichsen (46) und sieht aus wie ein Geselle auf Wanderschaft. Und dann ist da noch Pete Sage (62), der grauhaarige Teufel an der Fiddle, Axel Stosberg (44) und Andreas Fahnert (52) sind heute nicht da. „Einer muss Theater spielen“, entschuldigt Both die Fehlenden, „den anderen hat der HNO-Arzt kielgeholt.“ Was wohl heißen soll, der Mann ist erkältet.

Kein Problem. Auch als Trio bekommen Santiano auf ihrer „Center-Tour“ die Zuhörer zwischen Elektromarkt-Filiale und Buchgeschäft schnell in den Griff. Singen von Fern– und Heimweh, Kaperfahrten, verlassenen Bräuten und Männern mit Bärten. Singen Lieder, die man meist nicht kennt, die einem aber bekannt vorkommen.

Salzige Luft, steife Brise

Ähnliches machen sie schon lange – nur alleine oder in anderen Bands. Gute Musiker und Sänger aber mit überschaubarem Erfolg. Lokale Größen, bis zu jenem Abend in Flensburg, „an dem einfach alles passte“. Ein Abend im vergangenen Herbst, an dem sie sich zufällig treffen auf der Party eines Musikmanagers. Wo jemand zu später Stunde die Musik ausstellt und die Gäste selber singen. „Seemannslieder.“ Und wo jemand diese Lieder hört, der jemanden kennt bei einer Plattenfirma, der so etwas schon lange auf CD herausbringen will.

Von da an geht alles ganz schnell. Ein halbes Dutzend aufgepeppte Shantys spielen sie ein, packen ein paar neu arrangierte Irish-Folk-Klassiker dazu. Poppig klingt das. Doch von den meisten Radiosendern wird die Gruppe in die Kategorie Schlager einsortiert – und nicht gespielt. Egal. Eine groß angelegte Anzeigen- und TV-Spot-Kampagne macht die Menschen neugierig. Den Rest erledigt die Sehnsucht vieler Deutscher nach salziger Luft und einer steifen Brise. Volle Fahrt voraus segelt das Album „Bis ans Ende der Welt“ in die Charts, steht derzeit auf Platz drei. „Die Menschen“, glaubt Hinrichsen, „merken , dass wir glaubwürdig sind und voll hinter unserer Musik stehen.“ In Langenfeld klatscht das Publikum schon bei der ersten Nummer begeistert mit. Und bei Lied Nummer drei tanzen die ersten vor der örtlichen Niederlassung eines Bekleidungshauses. „War ganz gut“, zeigt sich Pete Sage mit dem Kurzgastspiel im Rheinland zufrieden.

Im Sommer auf Tournee

Doch bei Auftritten in Einkaufscentern soll es nicht bleiben, auch wenn Hinrichsen sagt, dass sie es alle mögen „so nah bei den Fans zu sein“. Für den Sommer ist eine große Tournee geplant, fast täglich kommen neue Termine bei Radios und TV-Shows hinzu. „Der Erfolg“, stöhnt Sage, „überrollt uns gerade ein wenig.“ Dann grinst er. „Wir haben aber nichts dagegen.“