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Schauspielerin Aylin Tezel muss oft noch ihren Ausweis vorzeigen

Warum Schauspielerin Aylin Tezel oft den Ausweis zeigen muss

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Tatort: Eine andere Welt Foto: WDR/Thomas Kost
Jung auszusehen – das ist Segen und Fluch zugleich. Für Aylin Tezel bedeutet das einerseits ein großes Rollenspektrum. Die 30-Jährige geht als Jung-Polizistin im Dortmunder „Tatort“ durch, kann aber auch, wie in „Kleine Schiffe“, eine kindliche 19-Jährige spielen. Ein Gespräch.

Berlin. 

Aylin Tezel hat als Jung-Polizistin im Dortmunder „Tatort“ für Aufsehen gesorgt. Jetzt ist sie als kindliche 19-Jährige in dem ARD-Film „Kleine Schiffe“ (Freitag, ARD, 20.15 Uhr) zu sehen. Mit der 30-jährigen Ostwestfälin sprach Jürgen Overkott.

Welche Reaktionen hat es auf den jüngsten Dortmunder „Tatort“ gegeben?

Aylin Tezel: Ich war in Irland beim Cork Film Festival, um meinen eigenen Kurzfilm „Tanz mit ihr“ (engl.: Inhale) vorzustellen, und deshalb habe ich so viele Reaktionen auf den „Tatort“ gar nicht mitbekommen. Ich kann nur so viel sagen: Von meinen Freunden gab es Reaktionen per SMS, die fanden den „Tatort“ ganz toll. Können Sie mir mehr sagen?

„Das ist ein Spannungsfeld“

Der Tenor bei einem großen Teil des Publikums war: Dieser „Tatort“ war die bisher beste Folge aus Dortmund. Gerade Sie und ihr Kollege Stefan Konarske werden so wahrgenommen, dass Sie für frischen Wind sorgen.

Tezel: Als Vierer-Team haben wir die Möglichkeit, unterschiedliche Charaktere zu entwickeln. Dabei fällt natürlich Faber auf, der aufgrund seines Charakters und seiner Familien-Geschichte nicht wirklich teamfähig ist. Meine Figur, die Nora, findet seine Ermittlungsmethoden spannend, etwa als er sie undercover in die Disco zum Ermitteln schickt.

Ihr junger Kollege Daniel dagegen findet diese Methode nicht so toll. Das heißt: Das Team braucht schon eine ganze Zeit, um sich zusammenzuraufen. Das ist ein Spannungsfeld. Das ist für uns eine große Chance, um das Team für die Zuschauer über eine längere Zeit hinweg spannend zu erzählen.

Bei der Disco-Szene fällt auf: Sie kommen im Glitzer-Fummel sofort rein, und ihr Kollege, im Alltagsdress, muss draußen bleiben. Haben Sie so eine ähnliche Situation schon mal erlebt?

Tezel: Nee. Ich erlebe eher das Gegenteil. Ich darf oft nicht rein, weil mir nicht geglaubt wird, dass ich volljährig bin. Es passiert mir immer noch, dass ich meinen Ausweis zeigen muss. Ich erinnere mich daran, dass mir im vorigen Jahr bei einer Gelegenheit keine Champagner-Pralinen verkauft worden sind, weil ich meinen Ausweis nicht dabei hatte.

„Eindeutig eine erwachsene Frau“

Empfinden Sie es als Nachteil, für jünger gehalten zu werden, als Sie sind?

Tezel: Nein, nein. Ich habe relativ spät angefangen zu drehen, jedenfalls im Vergleich zu Kollegen, die schon seit Kindesbeinen dabei sind. Und da war mein jüngeres Aussehen ein Vorteil, weil ich dadurch auch jüngere Rollen spielen konnte. Jetzt kann ich inzwischen auch Erwachsenenrollen spielen, habe aber immer noch eine sehr große Bandbreite.

In „Kleine Schiffe“, beispielsweise, spiele ich eine 19-Jährige – und zwar eine 19-Jährige, die noch sehr, sehr kindlich ist. Die „Tatort“-Kommissarin ist dagegen eindeutig eine erwachsene Frau, auch wenn sie noch nicht komplett ernst genommen wird aufgrund ihres jungen Aussehens.

Am Ende des „Tatorts“ nehmen Sie die jugendliche Mörderin in den Arm. Sie wirken dabei wie eine große Schwester.

Tezel: Ich bin auf jeden Fall sehr empathisch. Mir gehen Schicksale von Menschen sehr zu Herzen. Nora ist da ähnlich gestrickt, auch wenn sie normalerweise ihre Gefühle lieber für sich behält. Und ich fand es auch richtig in der Szene: Das junge Mädchen hat einen Mord im Affekt begangen und sie kann noch nicht absehen, was er für ihr Leben bedeutet. Sie hat nicht nur das Leben der Familie ihres Opfers zerstört, sondern auch das ihrer eigenen Familie. Das Mädchen ist geschockt, und Nora tut das Geschehene unfassbar leid.

„Ich brauche Abwechslung“

Wie haben Sie Dortmund beim Drehen kennengelernt?

Tezel:

Ich habe die Dortmunder als offen, interessiert und neugierig erlebt. Für Dortmund ist der „Tatort“ etwas Besonderes. Dort wird, ähnlich wie in meiner Heimatstadt Bielefeld, relativ selten gedreht. Das ist in Köln, Berlin, Hamburg und München anders. Da nehmen es die Bewohner oft vor allem so wahr, dass während Dreharbeiten Produktionsfahrzeuge ihre Parkplätze blockieren.

Im „Tatort“ spielen Sie eine Halb-Türkin, in „Kleine Schiffe“ ein deutsches Mädchen. Bestand mal die Gefahr, in die Ethno-Schublade gesteckt zu werden?

Tezel:

Nein. Das werde ich sowieso nicht. Mir ist wichtig, eine große Bandbreite abzudecken, nicht nur was die Nationalität angeht, sondern auch die Rollen selbst. Wenn ich in zehn Filmen hintereinander nur als Polizistin zu sehen wäre, wäre das langweilig. Ich brauche Abwechslung, und mir ist es wichtig, beim Spielen immer wieder auf eine neue Reise zu gehen.

„Ich habe bisher nur an meiner Friseurpuppe geübt“

Welche Reise steht aktuell an?

Tezel:

Eigentlich zwei Reisen gleichzeitig (lacht). Der eine Film heißt „Coming In“, ein Kinofilm von Marco Kreuzpaintner, in dem ich eine Hauptrolle zusammen mit Kostja Ullmann spiele.

In dem Film geht es um einen schwulen Starfriseur, der sich in eine Frau verliebt, Heidi aus Neukölln, sie ist auch Friseurin, vollkommen chaotisch, aber mit einem sehr großen Herz. Dafür habe ich im Vorfeld ein Friseurpraktikum absolviert und viel geprobt.

Haben Sie Ihre Schneidekünste schon an anderen Menschen ausprobiert?

Tezel: Bisher hat mich noch keiner rangelassen. Ich habe bisher nur an meiner Friseurpuppe „Ingrid“ geübt – und an Statisten.

Eine haarige Sache. Und das andere Projekt?

Tezel: …ist auch ein Kinoprojekt und heißt „Ruth“ unter der Regie von Uwe Janson. Mit mir spielen in den Hauptrollen Hannelore Elsner und Max Riemelt. In dem Film geht es um die Jüdin Ruth (Hannelore Elsner), die bei der Begegnung mit einem jungen Mann (Max Riemelt) mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird. Beide haben ein Trauma zu bewältigen. Und ich spiele Emily, die Verlobte des jungen Mannes. Sie wurde von ihm verlassen, und sie will wissen, warum.

„Doch dann ist ,Ruth’ dazwischen gekommen“

Sie haben einen enggestrickten Zeitplan. Das habe ich verstanden. Steht denn danach eine Reise im eigentlichen Sinn an?

Tezel: Das wäre mein Plan. Wenn ich abgedreht habe, würde ich gern ausspannen. Man weiß aber nie, was kommt. Als ich „Coming In“ abgedreht habe, dachte ich auch, ich könnte Pause machen, doch dann ist der Film „Ruth“ dazwischen gekommen. Bis Weihnachten werde ich durcharbeiten, aber Weihnachten werde ich mit meiner Familie verbringen und mich zu Hause entspannen. Darauf freue ich mich schon.