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Täter begründet Mord an Mirco mit Stress im Job

Täter begründet Mord an Mirco mit Stress im Job

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Foto: WAZ FotoPool
Ein Zehnjähriger musste sterben, weil ein 45-Jähriger ein „Ventil“ für seinen Frust suchte. So die Begründung des mutmaßlichen Täters. Das macht nicht nur Schwalmtal-Ungerath, sondern auch Grefrath, Mircos Heimat, fassungslos.

Grefrath. 

Ein Anruf seines Vorgesetzten soll Olaf H. aus Schwalmtal im Kreis Viersen am 3. September vergangenen Jahres so in Wut versetzt haben, dass der 45-Jährige ein „Ventil“ für seinen Frust suchte. Der Mitarbeiter eines großen Telekommunikationsunternehmens setzte sich am Abend in seinen Firmenwagen und fuhr ziellos in der Gegend herum. Dabei stieß er dann offenbar aus purem Zufall auf den zehn Jahre alten Mirco, der gerade mit seinem Fahrrad von einer Skateranlage nach Hause fuhr. Olaf H. zwang den Jungen in das Auto, fuhr etwa zwölf Kilometer und bog über einen Feldweg in ein Waldstück. Dort verging sich der Tatverdächtige vermutlich an dem Jungen, tötete ihn anschließend und legte die Leiche dort ab.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen Durchschnittsbürger, der sich Mirco offenbar als „Zufallsopfer“ ausgesucht hatte, wie der zuständige Soko-Leiter der Polizei Mönchengladbach, Ingo Thiel, am Freitag sagte. Der 45-Jährige habe offenbar seinen „Druck abreagieren wollen“, erklärte Thiel. Der Mann, der bislang strafrechtlich überhaupt nicht aufgefallen sei, sei als „Zeitbombe“ unterwegs gewesen. Er habe seine „Aggressionen ablassen“ wollen, betonte der Soko-Leiter. Dabei begegnete der Mann dann Mirco und entschloss sich zu der Tat. Der Junge stieg wie unter Schock in den Wagen – sein Schicksal war besiegelt.

Ein Durchschnittsbürger

Olaf H. gilt als „treusorgender Familienvater“ (Thiel), hat drei Kinder und lebt in dritter Ehe in Schwalmtal. Er ist den Angaben zufolge bislang bei der Polizei nicht aufgefallen. Zugleich habe er kein besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein, sagte Thiel. Bei dem Mord an Mirco sei es ihm vermutlich vor allem darum gegangen, die Macht über einen anderen Menschen zu haben und die Tötung als Machtgefühl auszuleben. Für Thiel steht die Tat in „der Feigheitsskala ganz oben“, schon an einen 15-Jährigen hätte sich der Täter vermutlich nicht gewagt, sagte er. Hinweise auf eine pädophile Neigung des Tatverdächtigen gebe es nicht.

Nach der Tat lebte der Mann sein Leben normal weiter, die Familie bemerkte zunächst nichts. Der Leasingvertrag für das Tatfahrzeug lief im vergangenen Oktober ab, der Mann nutzte seit November einen anderen Pkw. Nach Angaben von Thiel spielte der Mann mit dem Gedanken, sich zu stellen. „Aber auch dazu war er zu feige“, sagte Thiel. Als die Polizei Olaf H. abführte, war seine Familie „geschockt und völlig überrascht“, erklärte Thiel.

Der Tatverdächtige selbst hatte bei der Vernehmung Reue und Bedauern gezeigt. Seit Donnerstagabend sitzt er wegen Freiheitsberaubung, sexuellem Missbrauch, sexueller Nötigung und Mordes in Untersuchungshaft. Für die Familie Mircos endet damit eine Zeit der quälenden Ungewissheit.

Schwalmtal ist geschockt

Im Heimatort des Täters Schwalmtal, Ortsteil Ungerath, ist es jetzt ungewöhnlich ruhig. Die Menschen in dem Neubaugebiet kommen nur selten aus dem Haus. Es hat sich herumgesprochen, dass in der direkten Nachbarschaft der mutmaßliche Mörder von Mirco mit seiner Familie gewohnt haben soll. In dem gelb gestrichenen Einfamilienhaus, in dem der Mann mit seiner Familie gelebt haben soll, regt sich nichts. Die Fenster sind mit Rollos verschlossen, die Einfahrt ist leer. Alles deutet darauf hin, dass die Bewohner nicht zuhause sind.

Für einen kurzen Augenblick öffnet eine Nachbarin aus dem Haus gegenüber ihre Tür. „Wir können es nicht fassen“, sagt sie schnell. Mehr will sie nicht sagen und ist auch schon wieder in ihrem Haus verschwunden. Die Nachricht, dass der Mörder von Mirco womöglich in der Nachbarschaft gewohnt hat, sorgt für Entsetzen in Ungerath.

Polizeieinsatz am Mittwochmorgen

„Ich finde fast keine Worte. Man ist fassungslos und kann sich das gar nicht vorstellen“, sagt eine Frau. Schnell habe sich die neue Erkenntnis in der Ortschaft herumgesprochen. Mehr will aber auch sie nicht sagen. Es fällt ihr sichtlich schwer zu verstehen, dass der Mörder von Mirco ausgerechnet aus ihrem Ort kommen soll.

Ein Nachbar berichtet, er habe den Polizeieinsatz, an dem der mutmaßliche Mörder abgeholt wurde, mitbekommen. Gegen 6 Uhr in der Früh seien einige Autos in die Straße gekommen. Dass die Aktion im Zusammenhang mit dem Fall Mirco stand, ahnte er zu dem Zeitpunkt nicht. „Da denkt man absolut nicht dran“, sagt er. Nach wenigen Worten ringt der Mann um Fassung und die Stimme versagt. Seine Frau springt ihm bei: „Was soll man dazu sagen? Man ist fassungslos.“

„Die Gewissheit ist erschütternd“

Im nur wenige Kilometer entfernten Grefrath sorgt die Nachricht vom Fund der Leiche für Trauer. „Nach der langen Zeit hatte man ja fast schon damit gerechnet. Dennoch ist die Gewissheit jetzt erschütternd“, sagt Brigitte Floet. Für die Eltern gebe es nun wenigstens Gewissheit und die Möglichkeit, von ihrem Sohn Abschied zu nehmen. Fast täglich hatten sie in der Bäckerei, in der die Grefratherin arbeitet, über das Verschwinden des zehnjährigen Mirco vor mittlerweile mehr als vier Monaten gesprochen. Eltern hatten ihre Kinder nicht mehr alleine zur Schule geschickt, immer und überall hielten die Menschen Ausschau nach verdächtigen Hinweisen.

Bei Victor Dressen sorgt die Todesnachricht für Entsetzen. Sein Enkelkind ist mit einem der Geschwister von Mirco befreundet, weshalb ihn das Schicksal noch mehr trifft. „Und nun soll es gerade ein Vater von zwei Kindern gewesen sein. Das ist unglaublich“, sagt er. Angesichts der Ungewissheit der vergangenen Monate und der Angst vieler Eltern um ihre Kinder gebe es nun aber Hoffnung auf Besserung. „Jetzt wird Grefrath zur Ruhe kommen“, sagt Dressen.

Trauerfeier für Mirco vermutlich am Donnerstag

Mit einer offiziellen Trauerfeier soll in der kommenden Woche Abschied von Mirco genommen werden. Als vorläufiger Termin gilt derzeit Donnerstag (3. Februar, 18 Uhr), sagte der Pfarrer der freikirchlichen Christengemeinde Krefeld, Norbert Selent, der Nachrichtenagentur dapd. Die Eltern von Mirco gehören der Gemeinde an. Der öffentliche Gottesdienst werde in der katholischen St. Laurentius Kirche in Grefrath stattfinden und zusammen mit den katholischen und evangelischen Gemeinden im Ort vorbereitet. Die Familie von Mirco werde nicht an der Trauerfeier teilnehmen, sagte Selent.

Bereits nach dem Verschwinden von Mirco vor fast fünf Monaten fand in Grefrath ein Unterstützungsgottesdienst statt. Er wurde ebenfalls in der St. Laurentius Kirche abgehalten und von der Christengemeinde Krefeld sowie den evangelischen und katholischen Gemeinden in Grefrath gehalten. Damals kamen mehrere Hundert Menschen zu dem Gottesdienst. Nach Angaben des Pfarrers wird zur Trauerfeier erneut mit einem großen Andrang gerechnet. (dapd)