Deutscher Drill bei Aldi in Frankreich? Eigentlich sollte das dunkelste Kapitel der deutschen Vergangenheit seit über 65 Jahren vorbei sein. Doch nun kam heraus, dass manche Methoden der Nazis auch noch lange über das Dritte Reich hinaus Anwendung fanden. So wohl auch in unserem Nachbarland, wie der Spiegel nun berichtet.
Demnach soll bis 2018 (!) Aldi in Frankreich auf ein Führungsmodell aus Deutschland zurückgegriffen haben. Der Gründungsvater des sogenannten Harzburger Modells war kein Geringerer als der damalige SS-Oberführer Reinhard Höhn, der nach seiner Karriere im NS-Apparat im Wirtschaftssektor Fuß fasste. Erst später kam seine Vergangenheit ans Licht. Jetzt kam ein jahrelanger Prozess zum Ende im französischen Toulouse. Eine Aldi-Angestellte hatte gegen ihre Vorgesetzte geklagt und bekam Recht.
Aldi in Frankreich: Jetzt kommt diese umstrittene Methode ans Licht
Der Hintergrund: Reinhard Höhn erbaute im Harz nach dem Zweiten Weltkrieg eine Akademie für Führungskräfte. Die Unterordnung soll hierbei eine große Rolle gespielt haben. Die Chefs delegieren in dieser alten Schule Aufgaben, die die Mitarbeiter zu erfüllen haben, um es mal einfach ausgedrückt zu sagen. Ein Beispiel: Von Gewerkschaftsseite werde dem Discounter ein „System der Überwachung“ vorgeworfen. Mit Testkäufern werden Diebstähle nachgestellt, um zu prüfen, wie die Aldi-Kassierer reagierten.
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Aldi wehrte sich gegen die Vorwürfe, räumte das Prinzip des Testkaufs aber ein. Doch nicht nur Führungskräfte von Aldi – in Deutschland wurde die Praktik auch noch bis mindestens 1989 eingesetzt – auch andere namhafte Unternehmen wie Bayer, BMW oder die Bundeswehr schickten ihre Chefs in den Harz, um das „Harzburger Modell“ zu verinnerlichen.
Heutzutage ist das Modell überholt und wird nun nicht mehr so angewendet. Die Akademie habe nach Höhns Tod im Jahr 2000 den Ansatz evolutionärer ausgerichtet, hieß es 2004.
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Das ist Aldi:
- Aldi Nord und Aldi Süd sind zwei separate Unternehmensgruppen
- Aldi steht für Albrecht-Discount: In 1913 machte sich Karl Albrecht in Essen als Brothändler selbstständig
- In 1962 wurde der Familienbetrieb zu einem reinen Discounter umfunktioniert und hat den heutigen Namen „Aldi“ gekriegt
- Die Trennung in Nord und Süd erfolgte in 1961
- Mittlerweile zählt Aldi zu den zehn größten Einzelhandelsgruppen weltweit
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Im aktuellen Toulouser Fall wurde Aldi dazu verurteilt, 32.000 Euro Schadensersatz an die ehemalige Mitarbeiterin zu zahlen, die „von ihrer Vorgesetzten traktiert und später entlassen worden war“, heißt es im Spiegel. Andere Mitarbeiter warfen dem Discounter SS-Methoden vor.
Wie das Magazin weiter schreibt, habe die hierarchisch geprägte Managementmethode Angstzustände bei den Betroffenen ausgelöst.
Historiker veröffentlicht Buch über „Harzburger Modell“
Der französische Historiker Johann Chapoutot hat aktuell sein Buch „Gehorsam macht frei“ veröffentlicht, in dem er verdeutlicht, wie das leistungsgetriebene Denken der NS-Zeit im Wirtschaftssektor fortleben konnte. Im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk erklärt er das Konzept: „ Wir sind frei zu gehorchen, indem wir ein Ziel vorgeschrieben bekommen, und danach frei, diesem Ziel entgegen zu arbeiten, mit der freien Wahl der Mittel. Wir sind verantwortlich und auch schuldig, wenn das Ziel verfehlt wird. Das ist das Paradoxon und das ist auch die Perversität dieses Managementkonzeptes. Management ist immer eine Methode, die Unterordnung akzeptabel zu machen. Es dreht sich immer um die Frage der vermeintlichen Freiheit, der Initiative, des Handlungsspielraum, den man denn Untergeordneten lässt.
600.000 Manager seien seitdem in der Ausbildung der Akademie gewesen. (js)