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Es geschah im Namen Amerikas

Es geschah im Namen Amerikas

Washington. 

Zehn Jahre nach Bekanntwerden schwerer Misshandlungen irakischer Häftlinge im Skandal-Gefängnis Abu Ghraib durch US-Militär und angeheuerte Subunternehmer suchen vier Betroffene vor amerikanischen Gerichten noch immer nach Gerechtigkeit. Taha Yaseen Arraq Rashid, Suhail Al Shimari, Saad Al-Zubae und Salah Al-Ejaili wollen vor der Justiz schildern, wie sie von Mitarbeitern der US-Firma „Caci International“ vor Verhören fortgesetzt misshandelt wurden.

Wie Katherine Gallagher, Anwältin bei der in New York ansässigen Menschenrechts-Organisation „Center of Constitutional Rights“, auf Anfrage der NRZ sagte, wird ein Berufungsgericht in Richmond im US-Bundesstaat Virginia bald darüber entscheiden. „Es geht um Elektroschocks, sexuelle Gewalt, erzwungene Nacktheit, Knochenbrüche, extreme Temperaturwechsel und den Entzug von Sauerstoff, Nahrung und Wasser“, berichtete die Juristin, „unsere Mandanten wurden ihrer Würde und Menschlichkeit beraubt. Die Firma Caci hat von Staatsaufträgen profitiert und dabei Gesetze gebrochen.“

Das vor den Toren Washingtons in Arlington beheimatete Unternehmen ist mit einem Umsatz von zuletzt 3,7 Milliarden Dollar und über 12 000 Mitarbeitern einer der größten Vertragspartner des US-Verteidigungsministeriums. Das Unternehmen weist alle Vorwürfe zurück. Es hat seit 2008 mehrfach erfolgreich einen Prozess gegen sich verhindert.

Den vier Klägern, die im Irak und in Katar leben, stellte Caci mehrere tausend Dollar Anwaltskosten in Rechnung. Anwältin Gallagher: „Das ist in einem humanitären Fall wie diesem sehr ungewöhnlich. So sollen offenbar potenzielle Nachahmer entmutigt werden.“ Am Abend des 28. April 2004 hatte der Fernsehsender CBS den später vielfach beschriebenen „Horror von Abu Ghraib“ erstmalig in die amerikanischen Wohnzimmer gebracht: nackte Häftlinge, deren Köpfe mit Stoffhauben verhüllt waren. Entwürdigend aufgestapelt zu menschlichen Pyramiden. Angeleint wie Tiere. Selbst nach ihrem Tod noch misshandelt. Und das alles fotografiert von grinsenden US-Soldaten und ihren Helfern.

Die muslimische Weltwar empört

Die Aufnahmen waren, wie sich später herausstellte, Ende 2003 in der Haftanstalt Abu Ghraib bei Bagdad gemacht worden. Sie lösten in der muslimischen Welt einen Sturm der Entrüstung aus. Sie entfremdeten weite Teile der irakischen Bevölkerung ihren amerikanischen Besatzern. Und sie tragen nach Überzeugung von Menschenrechtsorganisationen bis heute zum Ansehensverlust Amerikas in der Welt bei.

Hauptgrund: Entgegen den Beteuerungen der damaligen US-Regierung unter George W. Bush, die das „völlig inakzeptable und unamerikanische“ Verhalten des Gefängnispersonals rückstandslos aufzuklären versprach und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wollte, sind bis heute nicht mehr als ein Dutzend US-Soldaten ausnahmslos unterer Ränge verurteilt worden. Darunter Lynndie England und Charles Graner jr., deren Foto um die Welt ging. Es zeigte sie vor einem Haufen nackter Iraker – mit zynischer Daumen-Hoch-Geste.

Bürgerrechtler beklagen, dass auch unter Präsident Obama keine ranghohen Militärs entlassen wurden und Entschädigungszahlungen für die Betroffenen ausgeblieben sind. Ausnahme: In einem Fall zahlte 2013 ein anderer Militär-Subunternehmer im US-Bundesstaat Maryland bei einem zivilrechtlichen Vergleich insgesamt 5,3 Millionen Dollar an 71 ehemalige Abu Ghraib-Häftlinge. Die Kläger hatten den Übersetzern der Firma vorgeworfen, Gefangene misshandelt zu haben.

In der amerikanischen Öffentlichkeit spielt das „dunkle Kapitel Abu Ghraib“ (Washington Post) zehn Jahre danach kaum eine Rolle mehr. In der jüngeren Generation, so hat Anwältin Gallagher es bei Vorträgen an Universitäten beobachtet, „wissen nur noch wenige, was damals im Namen Amerikas geschehen ist“.

Ein Prozess, in dem die Betroffenen ihre Geschichte erzählen können, „ist darum notwendig, damit wir uns als Land darüber klar werden: Abu Ghraib darf nie wieder geschehen.“