Günter „Nobby“ Fürhoff war ein Fußballer mit riesigem Talent. Er machte 309 Spiele für RWE und erzielte 77 Tore, darunter 20 Treffer in 153 Erstliga-Einsätzen. Doch der ehemalige Essener hat es im Leben nicht immer leicht gehabt. Sowohl während seiner Laufbahn als auch danach.
Würzburg.
An der Wand hängt ein Dutzend Fotos. Es sind Szenen aus Fußballstadien. Aus einer Zeit, als die Fotografen noch Schwarzweiß-Filme in ihre Kameras spannten. Auf allen Bildern steht ein Fußballer mit langen blonden Haaren im Mittelpunkt. Das Vereinslogo mit den Versalien „RWE“ ist auf dem Trikot zu erkennen. In der kleinen Etagenwohnung im Würzburger Stadtteil Oberdürrbach ruft sich Günter Fürhoff nicht nur mit alten Fotos ein Kapitel seiner Vergangenheit zurück. Auf einem kleinen Tisch steht ein großer Pokal: Von den Fans von Rot-Weiss Essen für ihren Nobby.
Von 1968 bis 1978 spielte Fürhoff für seine Rot-Weissen. In 309 Spielen erzielte er 77 Tore, darunter 20 Treffer in 153 Erstliga-Einsätzen. Auch wenn Fürhoff heute nicht mehr so bekannt ist wie seine früheren Teamkollegen Willi Lippens oder Horst Hrubesch, in Essen ist er unvergessen. Weil er ein Regisseur mit genialen Zügen war, weil seine blonde Matte fast so schön im Wind stand wie die von Günter Netzer und weil er auch schon mal abseits des Rasens für Aufsehen sorgte.
Mit RWE n der Bundesliga auf Platz acht
Wenn Fürhoff heute in Würzburg rund 365 Kilometer entfernt und 37 Jahre später von seiner schönsten Saison an der Essener Hafenstraße erzählt, dann erinnern im ersten Moment nur seine Worte an den hoch begabten Regisseur, der mit RWE in der Spielzeit 1975/76 auf den achten Platz in der Bundesliga stürmte. Fürhoff ist 65 Jahre alt, aber er weiß selbst, dass er älter aussieht. „Ich habe Lungenkrebs“, sagt er, „Chemotherapie, Bestrahlungen, das volle Programm. Über 20 Kilo habe ich abgenommen. Aber jetzt geht es schon wieder.“
Fürhoff ist niemand, der sein Schicksal bejammert. Das hat er früher nicht gemacht, das wird er auch in Zukunft nicht tun. Und wenn er von damals erzählt, wie er „dem Sepp Maier mal einen Kopfball in die Kiste geknallt“ hat, dann leuchten seine Augen, dann blitzt der Schalk wieder auf. Dann erkennt auch der Reporter in dem Mann mit den hageren Gesichtszügen den Nobby mit dem feinen Füßchen und der blonden Mähne, den er vor Jahrzehnten in der Westkurve angefeuert hat.
Frisur und Spielstil wie Günter Netzer
„Ach ja, meine Matte. Das ist eine Geschichte für sich“, sagt Fürhoff, „ein bisschen sah ich wie der Netzer aus. Und ich will nicht angeben, aber wir hatten nicht nur die gleiche Frisur, wir hatten auch einen ähnlichen Spielstil.“ Irgendwann in den Achtzigern hat sich Fürhoff von seinem Erkennungsmerkmal verabschiedet. „Ich hatte nur noch ein paar Flusen auf dem Kopf“, erinnert er sich und spricht auch 35 Jahre nach seinem Umzug nach Würzburg immer noch wie einer, der aus dem Revier kommt: „Ich wollte mir doch nicht die Haare von hinten nach vorne kämmen müssen.“
Die Haare sind längst ab, doch der Name ist geblieben. Kein Mensch kennt Günter Fürhoff. Für alle ist er der Nobby. Nicht nur in Essen. Auch in Würzburg. „Den Spitznamen hat mir der Willi Lippens verpasst“, sagt Fürhoff. Damals gab es in England einen Nationalspieler Nobby Stiles, dem bei einem seiner gefürchteten Zweikämpfe ein Vorderzahn abgebrochen war. „Als mir das auch passierte, hat mich der Willi in Nobby umgetauft. Dabei ist es geblieben, obwohl ich alles andere als ein Raubein wie Stiles war“, sagt Nobby II.
Auf Zeche Amalie in Katernberg gearbeitet
Wer Fürhoff in seiner Würzburger Wohnung besucht, der würde nicht auf die Idee kommen, dass dort ein Ex-Profi wohnt. Wer heute wie Fürhoff früher ein Jahrzehnt in der 1. und 2. Liga spielt, der hat ausgesorgt, der hat sein Häuschen im Trockenen. Aber Fürhoff beklagt nicht die frühe Geburt, er empfindet keinen Neid auf seine Nachfolger im 21. Jahrhundert. 1800 Mark hat er im Monat verdient. Kein Vergleich zu heutigen Gehältern, aber viel Geld für jemanden, der von ganz unten kommt.
Und als Fürhoff noch Günter hieß, war er wortwörtlich ganz unten. „Ich habe auf Zeche Amalie in Katernberg gearbeitet“, sagt er, „1000 Meter tief. Ich habe Staub und Dreck gefressen.“ Mit sechs Jahren ist Fürhoff Waise geworden, als seine Eltern bei einem Straßenbahn-Unglück ums Leben kamen. Mit 19 änderte sich sein Leben. Dank Erich Ribbeck. Der spätere Bundestrainer war damals Coach bei Rot-Weiss Essen. Fürhoff, der damals für den Vorort-Klub Union Frintrop spielte, beeindruckte Ribbeck so stark, dass er den Mann mit der Mähne zu seinen Profis holte.
1500 Mark Handgeld
1500 Mark gab es beim Wechsel auf die Hand. Wer weiß, welchen schweren Weg Fürhoff gegangen ist, versteht, dass nicht alles auf dem Sparbuch landete. Denn Nobby zauberte nicht nur auf dem Rasen. Weil er schon mal von Fans in Kneipen gesichtet wurde, hieß er bald nicht nur „Nobby“, sondern auch „Asbach“. Den Nobby hat Fürhoff längst verinnerlicht, mit Asbach kann er sich nicht anfreunden: „Da ist auch viel übertrieben worden.“
Auch beim Thema Ingo Appelt geizt Fürhoff mit Worten. Fürhoff ist der Stiefvater des bekannten Comedian. Mit 18 heiratete Fürhoff seine Frau Ilka, die den damals zweijährigen Ingo mit in die Ehe brachte. Als Appelt elf Jahre alt war, ließ sich Fürhoff scheiden. „Ich habe den Ingo immer mit auf den Fußballplatz genommen, aber er hat schon damals lieber Komödie gemacht als mit dem Ball zu spielen“, sagt der Stiefvater. Es gibt keine enge Beziehung zwischen Fürhoff und Appelt. Aber dann holt Fürhoffs jetzige Frau eine Autogrammkarte des Comedian. „Für Nobby, Dein Ingo“, steht dort geschrieben. „Es ist so, wie es ist“, sagt Nobby nur.
1978 verließ er Rot-Weiss Essen
Fürhoff hat vielleicht nicht alles aus seinem begnadeten Talent herausgeholt. Wahrscheinlich hätte er mit mehr Selbstdisziplin ein ganz Großer werden können. 1978 verließ er Rot-Weiss Essen. Nicht ganz freiwillig. Er wäre gern geblieben, aber er ist sich mit dem Klub nicht einig geworden. Würzburg 04 lockte ihn mit vermeintlich mehr Kohle. „Aber dann war der Verein schnell pleite“, sagt Fürhoff, „ich war immer zu gutmütig.“
Nobby lebt seitdem in Würzburg, obwohl er bis heute im Herzen ein Rot-Weisser geblieben ist. „Ich habe die schönste Frau Würzburgs geheiratet“, sagt er und lächelt seine Gaby an. Und plötzlich wirkt er wieder um Jahrzehnte jünger.