Zwei deutsche Segler wollten ins Paradies. Doch der Aufenthalt auf einer Südsee-Insel erwies sich als Höllen-Trip. Am Sonntag zeigt das ZDF den Film zum Buch.
Mainz.
Die Südsee, türkis und weit. Heike und Stefan, zwei deutsche Segler, die ihren Traum leben. Und ein rätselhafter Insulaner, der zum Mörder wird. Das sind die Zutaten einer wahren Geschichte, die den Boulevard vor dreieinhalb Jahren zu der Frage veranlasste: „Deutscher in der Südsee von Kannibalen getötet?“ – und die erwartungsgemäß ein Drehbuch nach sich zog. Allerdings hat in diesem Fall die Betroffene selbst die Vorlage zu „Blauwasserleben“ geschrieben. Der Film läuft am Sonntag, 20.15 Uhr, in der Reihe ZDF-Herzkino.
Kannibalen werden wohl nicht auftauchen, soviel ist klar. Diese „Spekulation“ beruhte auf dem Umstand, dass in der Geschichte der Südseeinsel Nuku Hiva Kannibalismus nicht unüblich war und Stefan Ramins zerstückelte Überreste in einem Lagerfeuer gefunden wurden. Und war der Mörder nicht etwa ein „einheimischer Jäger“? … Nein, war er nicht. Stefan Ramin hatte Henri Haiti, genannt Arihano, auf der Straße angesprochen, ob er ihn nicht zu einer traditionellen Ziegenjagd ausführen könne.
Der vermeintliche Kannibale arbeitete als Sicherheitskraft
Arihano war tatsächlich ein Gelegenheitsjobber, der machte, was eben auf der kleinen, von Arbeitslosigkeit geplagten Insel möglich war. Der vermeintliche Kannibale arbeitete etwa als Sicherheitskraft bei einem Musikfest und galt bei seinen Freunden als besonnen, als Schlichter, schreibt der Journalist James Vlahos, der intensiv auf der Insel recherchierte. Seine Version, das betont Heike Dorsch im Gespräch, deckt sich mit der ihren.
Denn auch sie muss ihre eigenen Erlebnisse interpretieren, wird nie die Wahrheit kennen, denn der Mörder behält sein Motiv für sich. Er tischte vor Gericht die abstruse Geschichte auf, der Deutsche habe ihn vergewaltigen wollen. Er habe ihn in Notwehr getötet. Selbst sein eigener Anwalt äußerte Zweifel. Aber vielleicht sagte Arihano durch die Blume, was er in seiner Heimat nie gestehen könnte …
Nuku Hiva – das heißt Insel der Krieger. Rechercheur Vlahos zeichnet das Bild eines Dorfes von Insel, in dem Arihano unter dem althergebrachten Männlichkeitswahn litt. Arihano aber, fand er heraus, fühlte sich zu Männern hingezogen und musste ein Doppelleben führen. In eben diesem Archipel zeichnete etwa der Maler Paul Gauguin am Bild vom „edlen Wilden“ – und welch eine Volte: Heute scheinen die Einheimischen den modernen Reisenden solche Klischees anzuheften, die vor allem um sexuelle Freiheit kreisen.
„Nur einer kann die Wahrheit kennen“
Kurz: Stefan Ramin ist wohl Opfer eines Sexualmordes geworden. Vermutlich badete er nackt unter einem Wasserfall, Arihano verstand dies als Aufforderung, die Zurückweisung kränkte ihn so, dass er Ramin im Affekt tötete. Danach versuchte er, auch Heike Dorsch zu töten, um die Spur zu ihm zu verschleiern. „Er hat mich vom Boot gelockt. Es gab einen Kampf, ich war an einen Baum gefesselt. Aber ich konnte irgendwie meine rechte Hand befreien … Die Erinnerungen verblassen auch.“ Heike Dorsch rannte blind, erreichte den Strand und schwamm um ihr Leben, hinter sich den Mörder, hin zu befreundeten Seglern. Arihano sagte später, es habe ihm „der Wille gefehlt“, sie zu töten.
„Es kann ja nur einer die Wahrheit kennen“, sagt Heike Dorsch heute. „Der Täter. Aber im Film bleibt es offen.“ Ob sie keine Sorge hat, dass ihre Geschichte verkitscht wird im „ZDF Herzkino“? – „Da habe ich mir keine Gedanken drüber gemacht. Ich habe mich so wohl gefühlt bei den Profis von der Produktionsfirma.“ Und seine eigene Geschichte im Film zu sehen? „Das ist schon ein komisches Gefühl, aber ich kann es gut abstrahieren.“ Heike Dorsch geht rational um mit ihrer Trauer. „Ich habe schlecht geträumt. Das hatte ich schon lange nicht mehr“, sagt sie. „Daran merke ich, es ist noch nicht vorbei. Ich hoffe, die Beschäftigung mit dem Thema trägt zu meiner Heilung bei.“
Sie lebt wieder in ihrer Geburtsstadt Würzburg, arbeitet an „verschiedenen Projekten“, ein weiteres Buch unter anderem. Sie sagt: „Die Vergangenheit ist zu grausam, die Zukunft ungewiss. Das macht es ein Stück einfacher, im Hier und Jetzt zu leben.“ Und das war schließlich immer Stefans Ideal.