- Reinhard Rauball will sich am 20. November wieder zum BVB-Präsidenten wählen lassen
- Im Interview spricht er über die Fastpleite
- Außerdem haben wir mit Rauball über extravagante Profis geredet
Dortmund.
Reinhard Rauball ist ein gefragter Mann in diesen Tagen. Denn am Sonntag, den 20. November, einen Tag nach dem Spiel gegen den FC Bayern, hält Borussia Dortmund seine Mitgliederversammlung ab. Und Rauball will sich noch einmal zum Präsidenten wählen lassen. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht, die Wiederwahl ist sicher. Im Interview erzählt der 69-Jährige, was ihn noch reizt am Amt, von schönen und weniger schönen Erlebnissen – und welche wichtige Rolle der Fußball in der Gesellschaft spielen kann.
Herr Rauball, was reizt Sie daran, noch einmal drei Jahre lang BVB-Präsident zu sein?
Reinhard Rauball: BVB-Präsident zu sein, ist zunächst einmal grundsätzlich eine große Ehre. Zudem ist es zwar im Moment eine schöne Zeit, sportlich wie wirtschaftlich, aber bekanntlich werden Fehler häufig gerade dann gemacht, wenn es gut läuft. Und deswegen ist es auch eine wichtige Aufgabe, in guten Zeiten die nötige Sorgfalt anzuwenden, um einen solchen Verein verantwortlich zu führen. Und zwar gegenüber den inzwischen rund 145.000 Mitgliedern, aber auch gegenüber den Abteilungen und Gremien.
Nach dem Ende dieser Amtszeit wären Sie insgesamt über 20 Jahre BVB-Präsident. Was macht die Beziehung zu diesem Verein so besonders?
Rauball: Sie hat sich auf ihre besondere Weise entwickelt. Ursprünglich kam ich als junger Anwalt beruflich mit dem BVB in Berührung. Als dann im Jahr 1979 über Monate hinweg eine Vakanz auf dieser Position war, wurde eines Tages ich gefragt. Ich habe gesagt: Nein, ich bin erst 32, ein junger Anwalt mit junger Familie. Dann habe ich aber den Satz gesagt: Aber wenn ihr gar keinen findet, könnt ihr ja nochmal vorbeikommen. Das hat dann nicht allzu lange gedauert, und 1984 kam derselbe Anruf noch einmal und 2004 wieder.
So kam es zu drei Amtszeiten. Können Sie die drei emotionalsten Momente aus dieser Zeit nennen?
Rauball: Dazu gehört sicher die Relegation 1986, als uns Kobra Wegmann rettete. Da stand ich in den letzten Minuten plötzlich an der Außenlinie auf dem Platz und wusste nicht, wie ich dort hingekommen war. Zu diesen Momenten gehören sicherlich auch 2011 die erste Meisterschaft in meiner Amtszeit und 2012 der erste Pokalsieg und damit das Double 2012.
So hat Rauball die Fast-Insolvenz erlebt
Der 14. März 2005 dagegen, als am Düsseldorfer Flughafen die Gesellschafter des Stadionfonds Molsiris zu entscheiden hatten, ob sie dem Sanierungsplan zustimmen…
Rauball: Das war das Fürchterlichste, was ich in meiner Amtszeit bei Borussia Dortmund erlebt habe. Man starrt auf eine Zähluhr, auf der aufleuchtet, wie die Fondszeichner abgestimmt haben. Sie wissen: 75 Prozent müssen Sie erreichen. Am übernächsten Tag müssen bei der DFL die Lizenzunterlagen für die neue Saison eingereicht werden. Und bereits am nächsten Tag tagt der Gläubigerausschuss, der das natürlich als Teil des Konzepts mit zu begutachten und zu entscheiden hat. Und dann leuchtet da irgendwann eine Zahl auf, und Sie sacken – in diesem Fall erleichtert – in sich zusammen. So eine Situation möchte ich nicht noch einmal erleben.
Sie sind dreimal eingesprungen als Präsident. Zweimal sind Sie wieder abgetreten, als der Verein wieder in ruhigem Fahrwasser war. Dieses Mal nicht. Warum?
Rauball: Für jede einzelne Amtszeit gibt es unterschiedliche Beweggründe. Warum ich jetzt noch einmal antrete: Ich glaube, dass es dem Verein nutzen kann, wenn die gegenwärtige Phase der Kontinuität weitergelebt wird. Borussia Dortmund hat in Form von Aktien an der KGaA bei einem Kurs von derzeit etwa 5,64 Euro ein Vermögen von rund 29 Millionen Euro. Unser Schatzmeister wird am Sonntag in einer Woche auch einen siebenstelligen Gewinn verkünden. Und mit dem Geld muss verantwortungsvoll umgegangen werden. Die Abteilungen müssen solide finanziert werden. Die Aufgaben sind vielfältig.
Welche Überschrift sollen denn die kommenden Jahre Ihrer Präsidentschaft tragen?
Rauball: Die konkreten Aufgaben lauten, die Kontinuität zu wahren und dazu beizutragen, dass Ruhe herrscht im Verein und er eine entsprechende Außendarstellung hat. Ich will meinen Rat einbringen, wenn er gebraucht wird, damit die positive Entwicklung anhält. Es ist wichtig, dass die Abteilungen funktionieren, sie ihr Leben und die nötige finanzielle Ausstattung haben.
Die Mitgliederzahl ist in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. Nur wegen des sportlichen Erfolgs oder hat das auch mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu tun?
Rauball: Beides spielt eine Rolle. Natürlich gibt es Zuwachs durch den steigenden sportlichen Erfolg. Aber auch in den ganz schwierigen Zeiten sind viele dem Verein beigetreten. Als ich 2004 zum dritten Mal Präsident wurde, hatte der BVB nur etwas mehr als 20.000 Mitglieder, heute sind wir bei 145.000 angelangt und damit der zweitgrößte Sportverein in Deutschland. Fast alle wollen dabei sein, wollen das Gefühl genießen, zu Borussia Dortmund zu gehören.
Die Parteien in Deutschland, gerade die großen, verlieren Mitglieder.
Rauball: Die Gewerkschaften auch. Noch schlimmer ist es bei den Kirchen mit den Austritten. Bei uns und im Fußball allgemein ist das Gegenteil der Fall – damit geht aber auch ein Teil der Verantwortung einher, die vorher auf Parteien, Gewerkschaften und Kirchen verteilt war. Durch seine große Strahlkraft ist der Fußball auch in der Lage, Botschaften zu verkünden an seine Mitglieder und Fans und ihnen eine Orientierung zu geben. Zum Beispiel bei Themen wie Rassismus, Homophobie und Gewalt, aber auch und gerade Integration und Menschenrechte.
Das denkt Rauball über den Spagat zwischen Borsigplatz und Schanghai
Die Interessen der Mitglieder sind nicht immer deckungsgleich, auch nicht mit denen des BVB. Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, spricht gerne von dem Spagat zwischen Borsigplatz und Schanghai. Wie sehen Sie diese Situation und Ihre Rolle darin?
Rauball: Es wäre illusorisch zu glauben, man könne die Zeit zurückzudrehen und für sich in Anspruch nehmen: Wir spielen nur mit Spielern aus der Region Dortmund – und uns ist wirtschaftliches Wachstum egal. Damit werden Sie in der heutigen Zeit jedenfalls nichts erreichen, mehr noch: Sie werden aus der Riege der Topklubs verschwinden. Deswegen ist es wichtig, die wirtschaftliche Basis zu halten und zu stärken, aber auf der anderen Seite auch die Grenzen zu erkennen, beispielsweise in der Vermarktung. Ich glaube aber, der BVB hat diese Balance gut im Griff.
Was bedeutet das konkret?
Rauball: Ich denke, dass wir gut damit fahren, unsere Eintrittspreise weitgehend stabil zu halten und eben nicht mit dem Trend mitzugehen, sie zu erhöhen – wenn man mal von der Inflationsrate absieht. Es ist auch ganz wichtig, dass wir die Stehplatzkultur erhalten und daran auch nicht den geringsten Zweifel lassen. Die Stehplätze zum Beispiel auf der Südtribüne durch Sitzplätze und Logen zu ersetzen, nur weil damit mehr zu verdienen wäre – daran wird bei Borussia Dortmund nicht gedacht.
Ohne das an einzelnen Personen festzumachen: Inzwischen beschäftigt der BVB Spieler, die zwischendurch mal nach Paris zum Friseur fliegen. Ist es nicht schwierig, das den einfachen Mitgliedern zu vermitteln?
Rauball: Das sind Grenzbereiche, die natürlich Fragen aufwerfen. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten hier einzuschreiten begrenzt. Fußballprofis verdienen heutzutage allgemein mehr als in früheren Jahren, und sie dürfen mit ihrem Geld machen, was sie wollen. Das ist ihr gutes Recht. Aber Spielbetrieb und Leistung dürfen nicht beeinträchtigt werden.
Sie werden vor allem als Präsident der Fußballer wahrgenommen, obwohl der BVB weitere Abteilungen hat. In Dortmund, in ganz Deutschland ist es so, dass der Fußball immer mehr Aufmerksamkeit bekommt, während andere Sportarten an den Rand gedrängt werden. Treibt Sie das um?
Rauball: Es ist ja nicht so, dass der Fußball vorsätzlich andere Sportarten verdrängen würden. Ich würde mir aber schon wünschen, dass jedes Kind früh schwimmen lernt und dass die Jugend auch in anderen Sportarten wie etwa der Leichtathletik oder Turnen unterwegs ist. Eine Monokultur ist auf Dauer für die Gesellschaft nicht gut. Wir fördern das aber nicht. Im Gegenteil: Die Handballabteilung des BVB war so gut wie gestorben, aber gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen haben wir ein Modell erarbeitet, das tragfähig war und ist.
Falls Sie gewählt werden, geht Ihre Amtszeit bis 2019. Würden Sie dann ein weiteres Mal antreten, oder was sieht ihre Lebensplanung und die Vereinsplanung vor?
Rauball: Sie machen einen Fehler: Nicht ich entscheide, wer jetzt oder gar in drei Jahren Präsident wird, sondern die Mitgliederversammlung auf Vorschlag des Wahlausschusses. Dem wiederum gehören Vertreter aller Gremien, der Abteilungen sowie die Kassenprüfer an. Das ist gut so und das bleibt auch so.