Dortmunds teuerster Profi aller Zeiten kommt aus Armenien. Nach dem „Königstransfer“ von Henrikh Mkhitaryan hat der BVB in diesem Sommer 50 Millionen Euro für neue Stars ausgegeben – das weckt Erwartungen. Weht nun ein anderer Wind durch den Signal Iduna Park? DerWesten stellt Neuling „Heno“ einmal vor.
Dortmund.
Wer die BVB-Schlagzeilen der letzten Wochen verfolgt hat, befürchtete wohlmöglich, dass die „braven“ Zeiten bei Borussia Dortmund vorbei sein könnten. Neuzugang Pierre-Emerick Aubameyang machte in Frankreich mit Swarowski-Schuhen, bunten Sportwagen und Torjubel mit Spiderman-Maske auf sich aufmerksam.
Bei der Suche nach einem Nachfolger für Mario Götze mussten Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc mit Oligarchen aus Osteuropa feilschen. Beraten wird Henrikh Mkhitaryan – mit 27,5 Millionen Euro Ablöse der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte – übrigens von Manager-Schwergewicht Mino Raiola, der sonst die Geschäfte von Zlatan Ibrahimovic und Mario Balotelli regelt.
Charakterlich passt „Heno“, so der Spitzname der neuen Nummer zehn der Borussen, allerdings überhaupt nicht in die genannte Reihe der extrovertierten Raiola-Stars. Obwohl Henrikh Mkhitaryan einer der besten Fußballer ist, die Armenien je gesehen hat, lieben ihn die Menschen in seiner Heimat vor allem wegen seiner Bescheidenheit. Vom Rummel um seine Person – die Medien in Osteuropa berichteten ausführlich über die Transfersoap – zeigt sich der 24-Jährige unbeeindruckt.
Auch teure Flitzer interessieren ihn nicht: Mkhitaryan fuhr in der Vergangenheit nur die Wagen, die ihm sein Arbeitgeber zur Verfügung stellte. Obwohl ihm teure Design-Apartments in Donezk angeboten wurden, wählte der Mittelfeldspieler die Wohnung, die möglichst nah am Schachtjor-Vereinsgelände war. Er wollte sich nur auf Fußball konzentrieren
Klopp suchte keinen reinen Götze-Ersatz
In der Nationalmannschaft (39 Länderspiele), die erst zuletzt Dänemark mit 4:0 in die Schranken wies, ist Henrikh Mykhitarian längst Dreh und Angelpunkt. Vergangene Saison erzielte er als Mittelfeldspieler in 29 Ligaspielen für Schachtjor satte 25 Tore – Rekord in der ukrainischen Premjer Liha.
Armeniens dreimaliger „Fußballer des Jahres“ (2009, 2011, 2012) agiert am liebsten direkt hinter den Stürmern und zeigt seine Stärken in Strafraumnähe. Nicht als Egozentriker, sondern als Teamplayer hat sich „Mücke“, wie deutsche Gazetten ihn bereits tauften, einen Namen gemacht.
Obwohl der „armenische Zidane“ (als Anlehnung an den mehrfachen französischen Weltfußballer) seine Kreativität am liebsten im reinen Offensivspiel unter Beweis stellt, kann Dortmunds Neuer auch anders. Als Donezks Motor Fernandinho verletzt ausfiel, half er lange im defensiven Mittelfeld aus und lernte, als „box to box player“ von Strafraum zu Strafraum zu ackern. Diese Erfahrung hat den Strategen kompletter gemacht.
Seine Vielseitigkeit und Beidfüssigkeit machen Mkhitaryan zur flexiblen Waffe für Klopp. Sowieso hat der BVB-Coach Mkhitaryan, der im Nationaldress sogar schon Mal Rechtsaußen gespielt hat, gar nicht so sehr unter dem Aspekt des Götze-Ersatzes beobachtet, „sondern ihn schon frühzeitig gesehen und gedacht: Das ist doch mal ein außergewöhnlich guter Kicker.“
Klopp konnte sich vergangene Saison selbst ein Bild seines neuen Spielmachers machen. Im Champions-League-Achtelfinale beschattete „Heno“ seinen neuen Teamkollegen Ilkay Gündogan.
Watzke: Mkhitaryan „war kein einfacher Transfer“
Es scheint, als hätte sich Dortmund einen Musterprofi geangelt. Große Skandale sucht man in Mkhitaryans Vita vergebens. Dass sich der Profi zuletzt absetzte, um seinen Wechsel nach Dortmund zu forcieren, ist untypisch für ihn, macht jedoch deutlich wie hart der Poker um den Mittelfeldspieler war.
„Es war kein einfacher Transfer, aber wir wollten Henrikh unbedingt haben“, zeigte sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Dienstag erleichtert. Bis 2017 konnte der deutsche Vizemeister den 1,78m-Mann an sich binden.
Kompliziert waren die Verhandlungen auch deshalb, weil drei Oligarchen Transferrechte an Mkhitaryan besaßen. Metallurg Donezk angelte sich das Talent 2009 für eine relativ geringe Ablöse, sein Heimatverein Pyunik Yerevan bekam deshalb eine Weiterverkaufsbeteiligung zugesprochen. Als „Heno“ ein Jahr später zum Stadtrivalen Schachtjor übersiedelte sicherte sich auch Metallurg Transferanteile am Superstar der ukrainischen Liga.
Die drei Parteien hätten lieber gesehen, dass Mkhitaryan vor kurzem ein Angebot von Anzhi Makhachkala angenommen hätte, die 35, statt der 27,5 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben, die Dortmund laut Schachtjor-Angaben letztendlich überwiesen hat.
Auch der FC Liverpool hatte sich um den Armenier bemüht, doch Mkhitaryan wollte nur zum BVB und in Schwarzgelb kommende Saison in der Champions League spielen. „Henos“ Mutter Marina Tashchyan soll einen erheblichen Anteil daran gehabt haben, dass sich im Poker alle Parteien einigen konnten. Sie ist übrigens die Nationalmannschaftsdirektorin des armensichen Fußballverbandes.
Der Vater des Sprachtalents starb bereits mit 33 Jahren
Henrikh Mkhitaryan stammt aus einer waschechten Fußballerfamilie. Sein Vater Hamlet war selbst Profikicker, starb jedoch im Alter von 33 Jahren an einem Hirntumor. Seine Schwester Monica fungiert heute als Übersetzerin von UEFA-Präsident Michel Platini in der Schweiz.
Großen Anpassungsprobleme werden beim metropoliten „Heno“ nicht erwartet. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Frankreich. Die Sprachen Englisch, Französisch und Portugiesisch beherrscht er bereits. Auf Russisch absolviert er derzeit ein Fernstudium an der Uni St. Petersburg (Wirtschaft).
Die armenische Botschaft in Hessen hat Mkhitaryan bereits in einem Schreiben zu seinem Karriereschritt gratuliert. „Die Republik Armenien ist stolz darauf“, den berühmtesten Fußballer des Landes in Deutschland begrüßen zu dürfen, schreibt Honorarkonsul Dr. Steven-Brian Fera in einem Brief an den BVB. Mkhitaryan könne mit seiner persönlichen Unterstützung rechnen. Er wünsche ihm „Gottes Segen“ für seine neue Aufgabe im Klopp-Team.