Bloemfontein.
Hymne können sie besser. Beim Fußball gewinnt aber Deutschland. Mit einem furiosen 4:1-Sieg gegen England ist die Nationalmannschaft in das Viertelfinale der Weltmeisterschaft in Südafrika eingezogen.
Gegen das stargespickte Team des italienischen Trainers Fabio Capello wurde der Erfolg vor 40510 Zuschauern im Free-State-Stadium in Bloemfontein locker herausgespielt, so locker, dass die junge Auswahl Joachim Löws nun tatsächlich nicht nur in der nächsten Runde, sondern auch im engen Favoritenkreis für den Titelgewinn steht.
Vor dem Anpfiff noch hatte der Bundestrainer Furcht verbreitet und ein Fragezeichen in den Ausmaßen eines Elefantenbullen hinter Bastian Schweinsteiger gestellt. Verletzt sei der Bayer. Tag und Nacht müsse man sich um ihn sorgen. Würde er fehlen, es würde England einen unschätzbaren Vorteil verschaffen. Auf dem Aufstellungsbogen notierte Vorspielfuchs Löw dann aber bis auf den am Bauchmuskel gezerrten Cacau all die Namen, die auch schon auf dem Papier für die letzte Vorrundenpartie gegen Ghana gestanden hatten. Schweinsteiger war dabei. Jerome Boateng durfte wieder links in der Viererkette antreten. Miroslav Klose kehrte für Cacau zurück in die Spitze.
Die Felsen von Dover
Folgenreich. Nach wochenlanger liebevoller Betreuung durch den Bundestrainer ist der Stürmer wieder zum Mann der Treffer geworden. In der 21. Minute nahm er einen von Torhüter Manuel Neuer weit geschlagenen Ball im gegnerischen Strafraum an, verteidigte ihn energisch gegen Matt Upson und schoss an David James vorbei ein. 1:0. Klose ist aber auch immer noch ein Mann der selbstlosen Vorbereitung. In der 32. Minute zirkelte er den Ball auf Thomas Müller, der hob den Ball auf Lukas Podolski. Und der Kölner wuchtete ihn zur 2:0-Führung ins englische Netz.
Die Insulaner wirkten bis dahin starr wie die Felsen von Dover. Das änderte sich allerdings in Minute 37 abrupt. Nach einem von Steven Gerrard getretenen Eckball kam es zur Konfusion im deutschen Strafraum. Der schuldbewusste Matt Upson stieg hoch zum Kopfball, Jerome Boateng blieb auf Rasen. Anschlusstor. Und hätte Schiedsrichter Jorge Larrionda nur eine Minute später erkannt, was die Welt und vor allem Englands kampfeslustige Boulevardblätter nun wissen, hätte es noch vor der Pause 2:2 gestanden. Der Uruguayer aber sah nicht, dass Jermain Defoes Geschoss hinter der Torlinie gelandet war. Und Manuel Neuer reagierte blitzschnell und kombinierte Ballzugriff und Unschuldsmiene perfekt.
Und sogar Stefan Kießling…
Schön spielte die Mannschaft von Fabio Capello den Fußball noch immer nicht. Aus der Erstarrung hatten sich die Steven Gerrards, Frank Lampards und ein bisschen sogar Wayne Rooney aber befreit. Sie drückten und setzten Durchschlagskraft. Lampard katapultierte in der 52. Minute einen Freistoß aus 30 Metern Entfernung gegen die Querlatte. Doch Bastian Schweinsteiger, tatsächlich `Herz und Motor“, der deutschen Mannschaft, wie Löw erklärt hatte, erwies sich als Stabilisator und Dramaturg gefährlicher Situationen. In der 65. Minute legte er an den verteidigenden Roten vorbei klug Thomas Müller auf. Und der Bayer mit der Erfolgsgeschichte der Saison erzielte das 3:1.
Nachdem Müller kurz danach aber auch noch nach feinsinniger Vorarbeit Mesut Özils das 4:1 gegen die in ihrer Sturm und Drangphase mit spielerischer Leichtigkeit zerstörten Engländer besorgt hatte, holte Löw den 20-Jährigem vom Platz. Ein Zeichen von Überheblichkeit dürfte das nicht gewesen sein, eher ein Zeichen, das den Herren von der Bank signalisieren sollte: Ihr gehört dazu. Mario Gomez kam für Müller. Und sogar Stefan Kießling, bis dahin noch keine Minute bei der WM am Ball, erhielt seine Einsatzzeit. Man konnte es sich erlauben gegen Englands „goldene Generation“.