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Charly Hübner plante Karneval, als die Mauer fiel

Charly Hübner plante Karneval, als die Mauer fiel

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Im ARD-Film "Bornholmer Straße" spielt Charly Hübner jenen Oberstleutnant, der die Grenze freigab. Der Schauspieler selbst war am 9. November 1989 mit ganz anderen Dingen als Politik beschäftigt. Foto: dpa
Das Erste würdigt die Maueröffnung an der Bornholmer Straße in Berlin mit dem gleichnamigen Film. Den Oberstleutnant, der die Grenze freigab, spielt der Mecklenburger Schauspieler Charly Hübner. Am 9. November 1989 war er 16. Er dachte damals an alles Mögliche – nur nicht an Politik.

Berlin. 

An der „Bornholmer Straße“ in Berlin wurde am 9. November 1989 Geschichte geschrieben. Dort wurde die Mauer zuerst durchlässig. Verantwortlich dafür war Oberstleutnant Harald Schäfer. In dem ARD-Film (Mittwoch, 5. November, 20.15 Uhr) wird er gespielt von Charly Hübner (42). Der Mecklenburger war damals 16. Im Gespräch mit Jürgen Overkott blickt er zurück.

Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Wir haben Karneval-Generalprobe gehabt. Mein Vater war Karnevalsnarr; er hat ihn nach Norddeutschland geschleppt. Und am neunten Elften war Generalprobe für den elften Elften, die 25. Saison. Und wir Jugendlichen haben uns ‘was Lustiges ausgedacht, das lief super. Und danach gab’s kostenfreies Bier vom Wirt. Das ging bis kurz vor Mitternacht. Und dann musste ich schlafen, weil ich morgens früh raus musste, weil ich den Zug kriegen musste, um rechtzeitig zur Schule zu kommen. Wir haben nichts mitgekriegt, was da in Berlin lief.

Und dann?

Ich hab’s am nächsten Morgen in der Schule erfahren. Die Hälfte der Klasse war schon weg – und die Hälfte der Schule auch.

Und Sie haben wirklich nichts mitgekriegt?

Das war Prä-Smartphone und Prä-Internet. Die Leute riefen auch nicht jeden an, weil längst nicht jeder ein Telefon hatte.

„Da ist gestern Abend was ganz Wichtiges passiert“

Vom Fernseher nicht zu reden.

Eben. Das ist bei uns einfach nicht angekommen. Erst durch die Schule wurde mir klar: Okay, da irgendetwas Wichtiges passiert. Und gegen Mittag konnten wir im Schulfernseher – wir hatten ein einziges Gerät – sehen, was passiert war. Wir waren in der Aula, und da sahen wir dann die Bilder von ARD und ZDF. Die haben natürlich viel mehr gezeigt als DDR 1, und dann war uns klar: Da ist gestern Abend was ganz Wichtiges passiert, mal sehen, was weiter passiert.

Was ist Ihnen durch den Kopf geschossen?

„So einfach ging’s?“ – Ich bin ‘72 geboren. Für mich war die Mauer gesetzt. Da gab’s nichts zu rütteln. Für mich war immer klar: Die Mauer war immer da, und die kann nicht einfach weggehen. Und dann ging’s doch einfach. Und dann dachte ich: Mal gucken, wann ich ‘rüber gehe, und fünf Tage später war’s dann so weit.

Wo sind Sie hingefahren?

West-Berlin. Das waren von Feldberg nur 120 Kilometer. Die Züge waren rappelvoll. Wir sind zur Bornholmer. Man fuhr immer an der Bornholmer vorbei, wenn man aus der Nord-DDR kam. Man sah immer die Grenzer. Aber das machte nichts mit einem, weil man dachte: Na, das ist Berlin. Und ich fuhr dann da ‘rüber und dachte: Na, der Wedding ist nicht viel bunter als der Prenzelberg. (lacht) Aber als ich mit der U-Bahn am Ku’damm ankam, sah ich das Westdeutschland, das ich aus der heimlich geguckten Werbung kannte.

„BASF-Cassetten waren ganz wichtig für mich“

Welches Bild hatten Sie von Westdeutschland?

Bunt. Dass die Häuser bunt waren, dass Werbe-Plakate herumhingen und dass man Sachen kriegen konnte, die man aus dem Intershop kannte. Platten, die bunter waren, die anders beschichtet waren, die anders rochen. BASF-Cassetten waren ganz wichtig für mich.

Die hatten die beste Ton-Qualität…

…und vor allem waren die wichtig, weil ich da meine ganze Musik drauf kriegte. Das war das Einzige, was mich interessierte.

Das war Ihr erstes Objekt der Begierde.

Ja, BASF-Cassetten kosteten damals drei Mark, und da habe ich 30 Stück gekauft. Mit meiner damaligen Freundin habe ich fünf Lose an einer Losbude am Zoo gekauft, drei Nieten und zwei Mal 125 Mark. Und dadurch konnte ich mir für 90 Mark Cassetten kaufen, und der Rest der Kohle wurde in coole Klamotten investiert.

Der Ex-Grenzer sagte: „No, ‘n paar Mal hab’ ich gedacht, ich bin auf der Leinwand“

Alles richtig gemacht. Haben Sie irgendwann damit gerechnet, in einem Film über die Bornholmer Straße mitzuspielen?

Nö. Gar nicht. Ich wusste bis zu dem Rollenangebot gar nicht, dass hinter der Bornholmer Straße eine besondere Geschichte steckt. Es gibt, im Osten wie im Westen, ganz viele nicht erzählte Geschichten. Dass in der Baracke an der Bornholmer Straße was los gewesen sein muss, konnte man sich denken. Dass aber dieser Mann mit diesem Gemüt und dieser Langsamkeit und dieser Präzision an diesem Abend die Verantwortung hatte, ist ein Glücksmoment der Weltgeschichte.

Haben Sie ihn vor dem Dreh getroffen?

Ja, im Vorfeld, eine Stunde. Ich wollte den Mann mal erleben, wie er über diese Zeit denkt. Als ich das Drehbuch gelesen habe, dachte ich: Das ist eine richtige Komödie, eine pfeffrige Sache, die man auf Tempo spielen kann. Und als ich IHN erlebt hatte, dachte ich: Nee, nee, das ist keine Sache für Tempo. Und er war ganz anders. Als alle Druck machten, sagte er nur: Ich muss da mal drüber nachdenken. Aber der Mann ist überhaupt nicht schläfrig, sondern, im Gegenteil, blitzwach. In Marienborn war er am Set, der Grenzübergang ist ja jetzt ein Museum, da war er aber sehr mit sich beschäftigt, weil der Ort etwas mit ihm machte.

War er zufrieden mit Ihnen?

Er sagte: No, ‘n paar Mal hab’ ich gedacht, ich bin da auf der Leinwand.