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Basikow hütete das Tor der ewigen Bundesliga-Schießbude Tasmania

Basikow hütete das Tor der ewigen Bundesliga-Schießbude

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Foto: Felix zur Nieden/WAZ FotoPool
Klaus Basikow stand in der Saison 1965/1966 im Tor von Tasmania – Die Berliner sind bis heute die erfolgloseste Mannschaft in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Basikow ist das egal: „Wir waren Bundesliga-Spieler. Und das ist doch etwas.“

Berlin. 

Skat-Runde im Vereinsheim des BFC Alemannia Wacker im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Die Herrenrunde sitzt am Tisch vor der alten Holztheke. An der Wand eine Vitrine, Pokal reiht sich an Pokal. Von Fußballern ist noch nichts zu sehen, die Landesliga-Mannschaft trainiert erst später am Tag. Egal, für die Herrenrunde sind Bube, Dame, König, Ass gerade ohnehin wichtiger.

Der große ältere Mann mit dem schütteren weißen Haar sitzt im grau-schwarzen Vereins-Trainingsanzug auf der Bank und nestelt an seiner Brille. Er bestellt „ein großes Dunkles“. Prost, Klaus Basikow. Der wohl erfolgloseste Torhüter der Bundesliga-Geschichte. Der heute 76-Jährige stand bei Tasmania 1900 Berlin in der Kiste. Jener Mannschaft, die in der Saison 1965/66 mit nur acht Punkten und 15:108 Toren abstieg – schlechter war kein Team in 50 Jahren Bundesliga. Das Tor von Tasmania war die Schießbude der Liga.

Zwei Siege und vier Unentschieden – mehr war in 34 Meisterschaftsspielen nicht drin. Negativ-Rekorde hin oder her. „Uns kann keiner nehmen, dass wir Bundesliga-Spieler waren. Und das ist doch etwas“, sagt Klaus Basikow.

„Wer weiß, wann wir wieder gewinnen“

Es sollten ein paar entspannte Tage werden vor 48 Jahren. Klaus Basikow erholt sich mit Frau und Tochter gerade am Gardasee – ein paar gute Freunde sind auch dabei. In Frankfurt kegelt der Deutsche Fußball-Bund Hertha BSC nach finanziellen Verstößen aus der Bundesliga und bestimmt die Tasmania zum Nachrücker. Basikow ahnt davon in Italien nichts. Bis andere Urlauber einen deutschen Radiosender in ihrem Weltempfänger einstellen. „Die haben uns gesagt, dass es einen Reiseruf gibt, und alle Spieler von Tasmania sofort nach Berlin zurückkommen sollen. ‚Ihr spielt jetzt in der Bundesliga’, haben die zu uns gesagt“, erinnert er sich. Sofort bricht er die Zelte ab und macht sich auf den Weg in die Heimat. Die Zeit drängt, es sind schließlich nur noch drei Wochen bis zum ersten Meisterschaftsspiel gegen den Karlsruher SC.

Was schlimm endete, begann verheißungsvoll. Vor mehr als 80 000 Zuschauern im Olympiastadion siegt Tasmania mit 2:0 – Basikow hält seinen Kasten sauber. Der Sieg wird gefeiert. Im Interconti an der Budapester Straße. Basikow weiß es noch genau: „Buffet für 14 Mark, und einer meinte: Lasst uns das mal heute genießen, wer weiß, wann wir wieder gewinnen.“

Im zweiten Spiel geht es auf den Gladbacher Bökelberg. Ein verhängnisvoller Tag für Klaus Basikow. Zum Warmmachen schickt ihn der Trainer in die Weitsprunggrube. „Völlig bekloppt“, sagt er heute und erzählt von seiner schweren Rückenverletzung, die er dort beim Aufwärmen erleidet und die ihn nach der Saison die Karriere zwischen Pfosten kostet. Auswechslungen sind nicht vorgesehen. Der zweite Torhüter Heinz „Jumbo“ Rohloff muss von der Tribüne aufs Feld, und das Spiel wird 20 Minuten zu spät angepfiffen. Gladbach gewinnt mit 5:0.

Medikamente berauben ihn seiner Reaktionsfähigkeit

Für Tasmania beginnt die bis heute längste Serie siegloser Spiele einer Bundesliga-Mannschaft. 31 Spieltage, und neun Monate vergehen bis zum nächsten Erfolg – ein 2:1 gegen Mitabsteiger Borussia Neunkirchen. Der Sekt fließt in Strömen. Wie nach jedem der 34 Bundesligaspiele. Die Mannschaft bleibt übrigens vom ersten bis zum letzten Spieltag zusammen. Ehrensache. „Wir kannten uns schon ewig. Wir waren ja fast alle Berliner. Und Freunde“, sagt Basikow.

Trotz der schweren Rückenverletzung steht Basikow 14 Mal im Tor der Tasmania. Vor allem sein letzter Auftritt hat es in sich. Die beiden anderen Torhüter, Heinz Rohloff und Hans-Joachim „Jockel“ Posinski sind verletzt. Basikow muss gegen den Meidericher SV ran. „Ich weiß nicht, wie viele Spritzen und Tabletten ich bekommen habe.“ Schmerzen hat er in den 90 Minuten zwar keine, doch die Medikamente berauben ihn seiner Reaktionsfähigkeit. „Ich hab den Ball erst gesehen, als ich ihn aus dem Netz geholt habe.“ Nach neun Gegentreffern ist Basikow nur noch froh über den Schlusspfiff. Torwarthandschuhe zieht er danach nie wieder an.

Einmal im Jahr kommen die noch lebenden Tasmania-Legenden zusammen. Am 11.11. um 11.11 Uhr, irgendwo in Berlin. „Den Termin vergisst keiner. Wir gehen schließlich alle auf die 80 zu. Da ist das mit dem Gedächtnis nicht mehr so“, sagt Basikow. Zuletzt trafen sie sich häufig im Vereinsheim des BFC Alemannia Wacker. Basikow hatte das organisiert. Als langjähriger Vorsitzender des Vereins kein Problem. Und donnerstags ist er ohnehin immer da. Dann ist Skat-Tag.