Noch ist Olaf Scholz nur Umfrage-Kanzler, doch in Berlin wird schon über seine künftige Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP spekuliert. Es gibt bereits eine spektakuläre Liste mit Ministernamen – natürlich stehen Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck drauf, doch es gibt auch einige Überraschungen!
Handelsblatt-Journalist Martin Grieve hat diese Kabinettsliste veröffentlicht, die zeigt, wie eine mögliche Bundesregierung unter Olaf Scholz aussehen könnte. „Dieses Papier kursiert derzeit in Berlin und sorgt für Unruhe und Spekulationen“, schreibt er auf Twitter.
Wie das „Handelsblatt“ berichtet, könnte der Urheber des Papiers der Seeheimer Kreis sein, der konservative Flügel innerhalb der SPD. Auf Anfrage der Zeitung dementieren die Seeheimer dies jedoch. SPD-Kreise behaupten, dass die Gedankenspiele aus der FDP stammen würden.
Ampel-Koalition unter Olaf Scholz: Diese Minister-Liste soll in Berlin kursieren
Einige Namen auf der Liste erscheinen realistisch, doch bei manchen sind Zweifel angebracht. Wir gehen in diesem Artikel die Liste einer Scholz-Regierung mit SPD, Grünen und FDP durch und schätzen ein, wie wahrscheinlich die auf dem Papier genannten Besetzungen sind.
Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) – 99 Prozent Wahrscheinlichkeit:
Diese Personalie erscheint im Falle eines Wahlsiegs von Olaf Scholz äußerst wahrscheinlich, weil Schmidt bereits Staatsrat der Hamburger Senatskanzlei unter Olaf Scholz war und aktuell Staatssekretär im Finanzministerium ist. Er gilt als engster politischer Vertrauer des Kanzlerkandidaten. Daher würde dieser Posten wie die Faust aufs Auge passen!
Finanzminister Christian Lindner (FDP) – 90 Prozent:
Zwar soll auch Robert Habeck Interesse an dem sehr einflussreichen Posten des Finanzministers haben, doch da die Grünen vermutlich eher das Außenministerium beanspruchen werden und SPD und Grüne die FDP in eine Ampel-Koalition locken müssten, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass Lindner den Posten kriegt, den er so sehr begehrt. Von hier aus könnte er Steuererhöhungen blockieren – oder vielleicht sogar manche Steuersenkungen auf den Weg bringen.
Außenministerin: Annalena Baerbock (Grüne) – 90 Prozent:
Sie kommt vom Völkerrecht, wie Baerbock selbst klargemacht hat und versucht aktuell mit deutlicher Kritik an der Afghanistan-Politik der Bundesregierung zu punkten. Es wäre nur folgerichtig, dass sie dieses Ministerium bekommt, wenn ihre eigene Kanzlerkandidatur scheitert – und natürlich die Vizekanzlerschaft.
Bundesminister für Klima, Energie, Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Robert Habeck (Grüne) – 90 Prozent:
Es wäre ein Superministerium, auf Augenhöhe mit Lindner und Baerbock am Kabinettstisch. Doch wird die FDP zulassen, dass auch Energie ans Umweltministerium geht und damit nicht ans Wirtschaftsressort? Habeck könnte aus diesem Ministerium heraus die Bundesregierung maßgeblich prägen und die grüne Agenda in der Klimaschutz- und Energiewende-Politik vorantreiben.
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Arbeit- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) – 90 Prozent:
Olaf Scholz verzichtet auf ein Team, aber hätte er ein Schattenkabinett gebildet, wäre Heil ein sicherer Kandidat gewesen. Er könnte der einzige SPD-Minister sein, der in seinem Amt bleibt. Seine Mega-Aufgabe für die kommende Legislaturperiode wäre das Herzensprojekt der Sozialdemokraten: Eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. Alternativ könnte Heil den wichtigen Posten als SPD-Fraktionschef übernehmen, für den aber auch Lars Klingbeil heiß gehandelt wird.
Verteidigungministerin Marie Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – 70 Prozent:
Sie ist die Bundeswehr-Expertin der FDP und genießt allgemeines Ansehen, außerdem gilt sie als eine der wenigen prominenten Sozialliberalen in der FDP. Diese Besetzung erscheint realistisch, sofern die FDP dieses Ministerium bekommt.
Verkehrsminister Toni Hofreiter (Grüne) – 70 Prozent:
Als Co-Fraktionsvorsitzender dürfte Hofreiter Ansprüche erheben, aber auch Cem Özdemir wird starkes Interesse an diesem Amt nachgesagt. Als Vertreter des linken Parteiflügels könnte er gegen die Realos Habeck, Baerbock und Özdemir auf einen Posten pochen, um die Partei in Gänze in der Regierung abzubilden.
Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) – 80 Prozent:
Dass die FDP das Wirtschaftsministerium beanspruchen wird, scheint ausgemacht. Wissing bringt langjährige Ampel-Erfahrung aus Rheinland-Pfalz mit. Dort ist er ebenfalls Wirtschaftsminister. Zudem hat er als Generalsekretär ein gewichtiges Wort in seiner Partei und damit einen Anspruch auf einen Platz im Bundeskabinett. Kommt das Digitalisierungsministerium hier noch dazu?
Olaf Scholz und die Ampel: Hinter diesen Minister-Spekulationen auf der Liste stehen große Fragezeichen.
Justiz- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) – 30 Prozent:
Sie hatte den Posten der Verbraucherschutzministerin bereits von 2001 bis 2005 inne. Ob es 16 Jahre später zum Comeback kommt? Fraglich. Zumal auch die FDP traditionell Anspruch auf das Justizministerium erhebt. Ein anderer möglicher grüner Anwärter auf dieses Ministerium ist Dr. Konstantin von Notz – wobei hier natürlich auch darauf geachtet werden muss, dass die Grünen paritätisch Frauen und Männer in die Bundesregierung schicken.
Gesundheitsministerin Saskia Esken (SPD) – 40 Prozent:
Wieso nicht Corona-Mahner Karl Lauterbach, ist wohl die erste Frage, die man sich hier prompt stellt. Doch die Besetzung ergibt Sinn: Zum einen hat Esken als Parteivorsitzende einen berechtigten Anspruch auf ein Ministeramt, Olaf Scholz bezeichnete sie bereits als „ministrabel“. Zudem will die SPD die Regierung paritätisch besetzen. Als Parteilinke könnte Esken mit diesem Ministerium mehr für soziale Gerechtigkeit durchsetzen (Stichwort: Bürgerversicherung) als zum Beispiel als Innenministerin.
Innenministerin Svenja Schulze (SPD) – 20 Prozent:
Als Umweltministerin steht Svenja Schulze in der Kritik. Bekommt sie eine weitere Chance als Innenministerin? Eher unwahrscheinlich! Ein „roter Sheriff“ wäre der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, aber er ist ein Mann – und da Scholz und Heil im Kabinett sind, könnte es für ihn nicht mehr reichen, wenn die SPD die Posten paritätisch besetzen will.
Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Steffi Lemke (Grüne) – 20 Prozent:
Ein grünes Kernministerium, schließlich geht es um die Umwandlung zu einer ökologischen Landwirtschaft – doch Steffi Lemke? Bis 2013 war sie Bundesgeschäftsführerin ihrer Partei, seitdem ist es deutlich stiller um sie geworden. Ihr Vorteil könnte aber ihre ostdeutsche Herkunft sein.
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Katrin Budde (SPD) – 20 Prozent:
Bislang außerhalb der SPD noch ziemlich unbekannt, aber dieses Ministerium hat schon die Karrieren von manchen Frauen beflügelt, etwa von Ursula von der Leyen oder zuletzt auch Franziska Giffey. Budde bringt bereits Erfahrung als Landesministerin in Sachsen-Anhalt mit. Politisch musste sie eine herbe Niederlage als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Landtagswahl 2016 hinnehmen.
Bildungs- und Forschungsminister Michael Theurer (FDP) – 10 Prozent:
Er ist bislang stellvertretender Fraktionsvorsitzender, aber ziemlich unbekannt. Sein Name auf der Liste erscheint willkürlich. Aber mal ehrlich: Von der bisherigen Forschungsministerin Anja Karliczek bekommt die breite Öffentlichkeit auch kaum etwas mit …
Entwicklungshilfeminister Rolf Mützenich (SPD) – 40 Prozent:
Dieser Posten wird gerne an verdiente Parteisoldaten als Würdigung übertragen. Als bisheriger Fraktionschef ist Mützenich somit definitiv eine Option. Sollte die SPD aber stärkste Fraktion im Bundestag werden, wäre auch das weitaus attraktivere Amt des Bundestagspräsidenten zu vergeben. Auch daran könnte Mützenich möglicherweise gefallen finden!
Ampel mit Kanzler Scholz: Minister-Liste nur eine Luftnummer?
Unter Journalisten wird die Liste mehrheitlich als Luftnummer eingeschätzt, insbesondere weil FDP-Chef Christian Lindner alles andere als ein Ampel-Freund ist und dieses Bündnis wohl bis zum Schluss zu verhindern versucht.
Daher dürfte es noch keine geheime Minister-Liste geben, die zwischen den Parteizentralen hin- und hergeschickt wird. Für Diskussionen hat die Liste im Netz aber allemal schon mal gesorgt und es könnte trotzdem vieles hinterher so kommen, wie es auf diesem Papier steht.
Annalena Baerbock: Ihr Ex-Chef verlangt Antwort von ihr – „Wo nehme ich das Geld her?“
Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war am Mittwochabend bei ProSieben. In einer Wahlshow wurde sie ausgerechnet mit ihrem Ex-Chef konfrontiert.