Vor 20 Jahren ließ ein Hochwasser dem Tourismus in der Sächsischen Schweiz das Wasser bis zum Halse stehen. Jetzt sorgen Waldbrände für Probleme.
Schmilka.
Wenn Hotelier Frank Schönherr aus Wehlen in der Sächsischen Schweiz dieser Tage Berichte über die Waldbrände im Elbsandsteingebirge hört und liest, traut er manchmal seinen Augen und Ohren nicht.
Da sei von einer Feuerwalze die Rede, von schwarzen Wäldern und giftigem Rauch, sagt der 45-Jährige und hält das für maßlos übertrieben. Auch der Begriff Katastrophenalarm suggeriere, als wäre hier alles Schutt und Asche: «Ich wünsche mir mehr Aufklärung und ein differenziertes Bild von der Situation.» Er selbst bekomme jeden Tag zwei Dutzend Anrufe und versuche, besorgten Gästen zu sagen, wie die Lage ist und was man alles machen kann.
Stornierungswelle mit Auswirkungen bis in den Herbst
Dennoch ist auch Schönherr mit seinem Hotel Wehlener Hof von Stornierungen betroffen. Selbst für Ostern 2023 hätten Leute schon abgesagt. Für den Rest des Jahres verzeichne der 45 Jahre alte Geschäftsinhaber 20 bis 30 Prozent Stornierungen. «Uns fliegen gerade die Stornierungen um die Ohren.» Er könne zwar verstehen, wenn sich angesichts der Bilder in den Medien Urlauber anders entscheiden, die in diesen Tagen in die Sächsische Schweiz reisen wollten. Aber die Stornierungen betreffen vor allem auch den Herbst, wo sich das gesamte Brandgeschehen schon lange wieder beruhigt haben dürfte. Wer einmal storniert hat, komme in der Regel auch nicht wieder zurück.
Auch beim Tourismusverband Sächsische Schweiz ist man etwas ratlos. Gerade hat sich das Gastgewerbe von den Mühen der Corona-Pandemie ein wenig erholt – und schon wieder muss die Branche einen Nackenschlag hinnehmen. Micaela Lindheimer, Vize-Geschäftsführerin des Verbandes, möchte das Wort «Stornierungswelle» noch nicht in den Mund nehmen.
Aktuelle Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, der die Betriebe nach den Auswirkungen befragte, liegen noch nicht vor. Der Verband kann die Entscheidung des Landratsamtes nachvollziehen, alle Wälder im Landkreis zu sperren. «Wir können uns keinen weiteren Brandherd mehr leisten», sagt Lindheimer.
Öffnung der Wanderwege noch nicht in Sicht
Dennoch hoffen die Touristiker, dass schon bald eine modifizierte Regelung in Kraft tritt und die Wälder wieder betreten werden können. Denn das Wandern sei für viele ein Hauptmotiv, in die Region zu kommen. Bis dahin versuchen die Anbieter, bei Anfragen von Urlaubern vor allem darauf hinzuweisen, was alles geht. Denn Dampfer- und Bootsfahrten auf der Elbe sind genauso möglich, wie Fahrrad-Touren auf dem Elberadweg oder ein Besuch der Festung Königstein oder der Felsenbühne Rathen. Hotelier Schönherr hat Stammgäste etwa nach Meißen und in die Schlösser von Moritzburg und Weesenstein geschickt: «Manche haben diese schönen Ecken das erste Mal gesehen.»
Schönherr möchte nicht in der Haut jener stecken, die im Landratsamt Entscheidungen zu treffen haben. Das Betretungsverbot für Wälder diene ja in erster Linie dazu, die Kapazitäten der Feuerwehr auf das Brandgeschehen im hinteren Teil des Elbsandsteingebirges zu konzentrieren, wo etwa 150 Hektar von den Flammen betroffen sind und immer wieder Glutnester auftreten. Dennoch hält es der 45-Jährige für sinnvoll, etwa den Uttewalder Grund oder das Basteigebiet wieder für Besucher freizugeben. «Die Öffnung der Waldwege würde unseren Schaden um die Hälfte reduzieren.» Vielleicht könne man mit Warntafeln die Menschen noch einmal sensibilisieren.
Sven-Erik Hitzer, Inhaber des Bio-Refugiums in Schmilka, sieht weniger die Berichterstattung als das eigentliche Problem, sondern die Sperrung des Waldes. Der Hotelier führt ins Feld, dass 90 Prozent des Nationalparks Sächsische Schweiz gar nicht betroffen seien. Bei Hitzer mussten freilich alle Gäste abreisen. Seine Objekte liegen quasi im Zentrum des Brandgeschehens. Die Straße nach Schmilka ist schon in Bad Schandau gesperrt. Für Einwohner des kleinen Grenzortes ist ein Shuttle-Service eingerichtet. «Wir sind der einzige Ort in der Sächsischen Schweiz, der komplett zu ist.»
Gastgewerbe in Schmilka steht vor schwierigen Zeiten
Hitzer hat nach eigenen Angaben einen wöchentlichen Umsatzausfall von 150.000 Euro – und zurzeit keine Lösung für das Problem. Er sei zwar ausreichend versichert und habe auch eine sogenannte Betriebsunterbrechungsversicherung. Die gelte aber nur, wenn das Gebäude selbst durch Elementarschäden betroffen sei. «Wären wir abgebrannt, hätte sie gegriffen.» Hitzer zufolge braucht Schmilka ganz dringend eine finanzielle Unterstützung. Die Einwohner würden auch darunter leiden, dass der Ort zur «Airbase Number One» gemacht worden sei – tatsächlich nehmen dort den ganzen Tag Hubschrauber im Minutentakt Löschwasser aus der Elbe auf.
Am Dienstagnachmittag trifft sich Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU) mit Gastronomen und Hoteliers in Hohnstein, einem Gebiet, das nicht von den Bränden heimgesucht wird – und dennoch betroffen ist. Man habe sich eigentlich für den Winter etwas Speck anfuttern wollen, doch nun könne man das Geschäft für dieses Jahr abhaken, sagt ein Hotelbetreiber: «Das ist eine gruselige Situation für alle.» Margaux Paulin Steiger, die mehrere Hotels in der Region führt, drückt es so aus: «Meine wirkliche Sorge ist, dass wir wie in einem ICE sitzen, auf eine Klippe zurasen und die Bremse nicht mehr reinkriegen.»
Die Leute aus dem Gastgewerbe machen Klepsch klar, dass es um das Überleben einer ganzen Branche geht und man Überbrückungshilfen braucht. Der Brand und die Stornierungen seien nur das aktuelle Problem, es gehe auch um Personalnot, steigende Energiepreise, Inflation und wachsende Kosten für Mitarbeiter – das alles nach zwei Jahren Pandemie. «Wir kommen aus einer ausweglosen Situation und steuern in eine ausweglose Situation», sagt Steiger. Früher habe man manches durch unternehmerisches Geschick noch verhindern können. Jetzt scheine all das Erlernte nutzlos.
Mehr Probleme und kürzere Zyklen
Sven Reumann, der mit seiner Familie die beliebte Hocksteinschänke betreibt, hat Tränen in den Augen, als über die Lage redet. «Wir müssen uns immer wieder selber motivieren und können es bald nicht mehr.» Er sehe keinen Horizont. Sein Restaurant sei schon seit 1907 in Familienbesitz, auch frühere Generationen hätten mit Problemen zu kämpfen gehabt: «Aber die Probleme werden immer mehr, die Zyklen immer kürzer.»
Hoffnung verbreiten an diesem Tag zwei junge Frauen aus Heidelberg. Sie stehen mit ihrem Wagen auf dem Marktplatz in Hohnstein und machen Pläne für die kommenden Tagen. Sie sind ein paar Tage nach Ausbruch des Feuers wie geplant nach Rathen gefahren und haben sich nicht abschrecken lassen. «Man muss flexibel», sagt eine der beiden. Wandern seien sie auch schon gewesen – an der Elbe entlang. Jeden zweiten Tag gehe es nach Dresden und auch in die Museen. In den nächsten Jahren wollen sie auf jeden Fall wiederkommen. (dpa)
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