Solingen.
NRW gilt als Hochburg für Franchise-Unternehmen. Am 23. und 24. Sepetember präsentieren sich die Firmen auf der Start-Messe in der Messe Essen, um Existenzgründern Appetit zu machen.
Es duftet behaglich. Wie ein gemütlicher Herbstabend, irgendwie vertraut, heimelig, nach „Karl-Heinz“ eben: der Tee-Sorte für kalte Stunden. Bei Tee Gschwendner gehört der Geruch zur Marke. 120 Geschäfte, ein Aroma, gleich einer warmen Oase in kühlen Glaspalästen. Doch es sind keine Angestellten des Unternehmens, die den Tee in die Tasse bringen: Gschwendner setzt auf ein Franchise-Konzept, lässt die eigenen Produkte von selbstständigen Geschäftsleuten vermarkten – wie Anette Grätz in Solingen, eine von 26 000 Franchise-Nehmern in NRW.
2009 hat Grätz ihr Geschäft in einer Einkaufspassage eröffnet, hat rund 100 000 Euro in die Gschwendnersche Standardausstattung investiert und etwa 10 000 Euro für die Lizenz bezahlt. Nun ist Tee Gschwendner ihr fester Lieferant, doch vor allem sie trägt das Risiko, sollte das Geschäft scheitern – der Preis für die Selbstständigkeit im Markengewand.
Schlüsselfertige Geschäftsidee
Mehr als in jedem anderen Bundesland setzten Franchisepartner 2009 laut dem Institut für Markenfranchise in Nordrhein-Westfalen auf die schlüsselfertige Geschäftsidee. Gemeinsam erwirtschafteten Franchise-Systeme in NRW etwa 17 Milliarden Euro Umsatz, trotz Wirtschaftskrise ein Plus von 6,8 Prozent.
Auch Anette Grätz ist im Krisenjahr 2009 mit „ihrem“ Teeladen gestartet. Als ihre beiden Kinder alt genug waren, wollte sie wieder arbeiten. Ein Bürojob sollte es sein – doch nichts zu finden. Anette Grätz hatte schon lange von einem Teegeschäft geträumt, sich allein aber nicht getraut. „Das Teegeschäft ist so komplex, all’ dieses Wissen über Produkt und Geschäft“, sagt die 43-Jährige. „Bei Gschwendner gab es Schulungen. Zudem hat man mir zwei Paten zur Seite gestellt, selbst Geschäftsinhaber: Da fühle ich mich gut aufgehoben.“
Alternative zur Arbeitslosigkeit
Laut dem Deutschen Franchise-Verband (DFV) ist die Selbstständigkeit für viele Arbeitslose eine Alternative, doch nicht nur sie wollen Chef werden: „Wir bemerken ein steigendes Interesse bei Gründungsinteressierten“, sagt DFV-Geschäftsführer Torben Brodersen – vor allem an etablierten Franchise-Systemen. Zu den Größten zählen Tui, Kamps, McDonald’s. Die Schnellrestaurantkette aber setzt weniger auf Neueinsteiger, sondern bevorzugt bewährte Partner. 4,3 Filialen unterhält jeder McDonald’s-Partner im Schnitt – Marcus Prünte eröffnet bald das elfte Restaurant in Essen, beschäftigt knapp 500 Mitarbeiter. Nach 14 Jahren im Burgergeschäft lebt er das Unternehmen. Ein Mann, der Visitenkarten in Form von Big Macs verteilt. Doch läuft sein McDonald’s in der Essener City schlecht, die Konkurrenz aus dem eigenen Haus ist zu stark. Denn auch der Konzern selbst betreibt dort zwei große Filialen. „Die Auswirkungen der Standorte haben wir unterschätzt“, sagt der 41-Jährige. Dennoch weiß er, was er an dem Namen hat. „Als McPrünte würde ich mit Sicherheit nicht mal 50 Prozent meines Umsatzes machen.“
Abgaben an die Zentrale
So glücklich sind nicht alle Gründer. Konkurrent Subway bekam das zu spüren, schrieb vor ein paar Jahren Schlagzeilen: zu hohe Abgaben an die Zentrale, zu hohe Investitionen, gar englischsprachige Verträge, lauteten die Vorwürfe. Subway dagegen betont, es gebe Maßnahmen, die Partner in der Führung ihrer Restaurants zu stärken. „Subway hat bei der Zufriedenheitsbefragung der Franchise-Nehmer zu schlecht abgeschnitten, ist deshalb noch immer nicht Vollmitglied“, heißt es vom DFV, der die durchschnittlichen Abgaben in der Branche auf zwei bis 15 Prozent des Umsatzes beziffert.
Franchise statt Filialnetz: Die Vermutung liegt nahe, dass die Konzerne eigene Risiken minimieren, ja an die Franchise-Nehmer auslagern. Dennoch ist Franchise laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) der sicherere Weg im Vergleich zur klassischen Selbstständigkeit. „Franchise-Nehmer scheitern weniger oft als traditionelle Existenzgründer“, sagt DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier. „Die etablierte Marke ist nicht zu unterschätzen: ein Stück mehr Sicherheit.“
Noch kann Anette Grätz nicht von ihrem Laden leben. „Das kommt aber noch“, hofft sie. Bis dahin heiße es eben abwarten – und Tee verkaufen.