- Siegfried Borchardt genoss eine Sonderbehandlung im Jobcenter Dortmund
- Die Mitarbeiter sollten vor ihm geschützt werden
- Könnte sein Beispiel Schule machen?
Duisburg.
Die Sonderbehandlung für den stadtbekannten Dortmunder Rechtsextremisten Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt (63) beim Jobcenter in Dortmund hat in den sozialen Netzwerken für großes Unverständnis gesorgt.
Wie von den „Ruhr Nachrichten“ berichtet, lud das Jobcenter den ehemaligen Dortmunder Ratsherrn („Die Rechte“) nicht regelmäßig ein, um die eigenen Mitarbeiter „vor den Auswirkungen psychischer oder sogar physischer Gewalt zu schützen“, so die Behörde.
Darüber regt sich etwa Sebastian S. bei Facebook auf: „Da möchte ich nur kotzen. Parallel werden Menschen, die wirklich wollen aber keine Stelle finden, mit Sperren und willkürlichen Repressionen vollgekleistert.“
Wir haben beim Jobcenter in Duisburg nachgefragt, ob Problemfälle dort ähnlich behandelt werden und ob jetzt etwaige Nachahmungs-Täter gefürchtet werden.
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Im Duisburger Jobcenter herrschen andere Regeln
Was auch immer zu der Sonderbehandlung im Dortmunder Jobcenter geführt haben kann – darauf wollte die Behörde aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht eingehen – macht die Kollegen in anderen Städten stutzig.
„Auch bei uns steht die Sicherheit der Mitarbeiter und Kunden im Vordergrund“, stellt Katrin Hugenberg, Sprecherin des Duisburger Jobcenters klar. So müssten die Kunden bei schweren Beleidigungen und Gewaltandrohungen in Duisburg mit Hausverboten rechnen.
„Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Personen von ihren Terminen entbunden werden,“ versichert Hugenberg. Wer ein Hausverbot erhalten hat, müsse sich an der Pforte melden und werde anschließend vom Sicherheitsdienst begleitet. Nur dann gebe es auch weiter Leistungen vom Amt. Deshalb sei es zwecklos, SS-Siggi nachzuahmen.
Datenschutz verhindert Kooperation zwischen Behörden
Diese Maßnahme verhindert allerdings nicht, dass bisher unauffällige Kunden gegenüber Mitarbeitern handgreiflich werden. Zwar gibt es laut Hugenberg intern Vermerke über Vorfälle im eigenen Jobcenter. Allerdings dürfen diese aus Datenschutz-Gründen nicht nach außen und damit auch nicht an andere Jobcenter weitergegeben werden.
Ein Kunde mit einer Gewalt-Historie in einem Duisburger Jobcenter ist somit in einer anderen Stadt ein unbeschriebenes Blatt.
Konfliktfälle häufen sich
Dass Gewalt gegenüber Mitarbeitern in Behörden zunehmend auftritt, zeigen nicht nur extreme Einzelfälle, wie die Messer-Attacke auf eine Mitarbeiterin im Jobcenter in Neuss im Jahr 2012.
Eine bundesweite, nicht repräsentative Umfrage der Hochschule Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft „komba“ (für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst) bestätigt einen gefühlten Trend: 91 Prozent der befragten Mitarbeiter berichteten von gelegentlichen bis häufigen Vorfällen mit mehr oder minder hohem Konfliktpotenzial.
Gemäß der Studie sind beispielsweise Existenzängste oder Fehleinschätzungen seitens der Kunden Grund für Gewalttaten in Jobcentern. Darüber hinaus werden weitere Konfliktfaktoren ausgemacht, wie etwa fehlende Empathie oder eine zu hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten.
Schulungen sollen Gewalt-Eskalation reduzieren
Über die schwierigen Arbeitsbedingungen wird in den Jobcentern und auch bei den Gewerkschaften intensiv diskutiert. Die Rede ist von mehr Sicherheitspersonal, einer funktionierenden elektronischen Vernetzung mit jedem Mitarbeiter und Weiterbildungs-Angeboten innerhalb der Behörde.
So setzt sich „komba“ etwa weiter für regelmäßige Deeskalations-Schulungen der Mitarbeiter ein. „Unsere Empfehlungen werden wir an die zukünftige Landesregierung leiten“, verspricht „komba“-Sprecherin Antje Kümmel.
(ak)