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Für Großeltern ist alles klar: Heiratet ein Paar, hat es nur noch ein gemeinsames Konto. Doch das muss nicht sein, sagt Paartherapeutin Bettina Schimanski. Aus ihrer Sicht darf auch ein Liebespaar getrennte Konten haben. Wie Missverständnisse und Streit vermieden werden können, lesen Sie hier.
Geld ist in der Beziehung ein heikles Thema – auch in der Ehe. Muss ein verheiratetes Paar denn zwangsläufig ein gemeinsames Konto haben und alles miteinander teilen? Gehen nicht auch getrennte Konten – oder hat das dann nichts mehr mit Liebe zu tun? Katharina H, 31, ledig, keine Kinder
Die Antwort der Paartherapeutin Bettina Schimanski:
Aus meiner Sicht ist diese Frage ein Erbe oder auch die Irritation, die notwendigerweise aus folgendem entsteht: Unsere „romantische Beziehungsvorstellung“, wie sie unsere Eltern und Großeltern noch hatten, ist nicht mehr stimmig und haltbar. Im letzten Jahrhundert haben diese Vorstellungen unserer Ehe ein Gerüst gegeben, an dem wir uns orientieren konnten. Es war relativ klar, wie diese Dinge geregelt werden sollten: Treue, Geld, Konten, Umgang mit Kindern, Berufstätigkeit, Kontakt und Einbindung in die jeweilige Herkunftsfamile. etc.
Diese Zeiten aber sind vorbei – Partnerschaft und Ehe können/müssen nun mit all ihren Bedingungen, Vorstellungen und Erwartungen von jedem Paar neu ausgehandelt werden. Wir sind in der Postmoderne angekommen-und das hat Vor-und Nachteile.
Jeder muss für sich herausfinden: Was erwarte ich von meinem Partner? Ist es in Ordnung, wenn er/sie alleine in den Urlaub fährt/ ein eigenes Konto hat/ ein eigenes Bett/Zimmer? Die Themen, an denen sich ein Konflikt entzündet, sind austauschbar. Deshalb hat die Frage, ob es ein gemeinsames Konto geben muss oder ob jeder ein eigenes Konto haben darf, nichts mit Liebe zu tun.
Frage nach Liebe
Es kann aber sein, dass ich mich in meiner Partnerschaft schon längere Zeit nicht geliebt fühle, nicht beachtet, keine Verbundenheit mehr spüre bzw. an der Liebe des Anderen zweifele. Oder ich ziehe mit einem Partner zusammen, der eine ganz andere Vorstellung von Verbundenheit und Verantwortung hat, als ich – und dieser Mensch bringt dieses Bedürfnis unbedingt mit einem gemeinsamen Konto in Verbindung.
Dann wird die Frage nach einem gemeinsamen oder getrennten Konto auch die Frage danach: Liebst Du mich eigentlich? Oder die destruktive Suche danach: Ich wusste es doch, Du liebst mich ja nicht!
Ich arbeite in der Paartherapie dann so, dass ich zunächst jedem einzelnen ermöglichen möchte, zu ergründen und zu verstehen, was ihm an einem eigenen/getrennten Konto wichtig ist, und was er damit im „Innersten“ verbindet. Dann ist ein nächster möglicher Schritt, zu gucken, ob sich beide dafür interessieren können, was dem anderen an seinem Wunsch so wichtig ist.
Den anderen verstehen wollen
„Ach, deshalb möchtest Du das so!“ Das hört sich leichter an, als es ist. In der Regel sind wir in einem Konflikt aber nicht wirklich interessiert an dem anderen, sondern sind verletzt und wollen unsere Position verteidigen. Wir können dann gar nicht wirklich offen sein für das Anliegen unseres Partners. Das wäre daher auch mein „Rat“ an Paare, die an diese Punkte gelangen: „Was ist Dir daran so wichtig? Das möchte ich gerne verstehen!“
Dafür kann ich mich interessieren und aufmachen, mich ihm/ihr verständlich zu machen auf eine Weise, die möglichst nicht aus einem „identifizierten“ Zustand heraus kommt (d.h. nicht wütend, agressiv, beleidigt, schmollend, kalt, abwertend, manipulierend etc…)
Wir können im Grunde in einer Partnerschaft nur eines erwarten: DER ANDERE IST KOMPLETT ANDERS ALS ICH. Es kann dann sein, daß wir nicht zu einer Einigung kommen, sondern unsere gegenseitige Unterschiedlichkeit akzeptieren können. Es kann sein, daß es keine Lösung gibt – und deshalb arbeite ich auch nicht lösungsorientiert in der Paartherapie, weil dann notwendigerweise jeder/e etwas von sich abschneiden muss, und das macht unzufrieden, frustriert und wütend.
Wenn Sie auch eine Frage an unsere Paartherapeuten haben, schreiben Sie eine Mail an partnerschaft@derwesten.de