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Ganz normale Mütter ärgern sich über ihren Hängebusen, tischen ihrem Kind Notlügen auf oder nehmen sich eine Auszeit auf dem Klo. Romi Lassally hat 1000 Mami-Beichten in einem Buch zusammengefasst und zeigt: Auch eine Mutter darf Mensch bleiben.
Es gibt ein paar Launen, die dürfen Mamis einfach nicht haben: wütend, gelangweilt, traurig, überfordert oder gar des Kindes überdrüssig. Und nicht nur das. Frauen wird die Eignung zum Muttersein auch abgesprochen, wenn sie sich vor Kotze und Kacke fürchten, dem Kind nicht immer die ganze Wahrheit sagen oder Schwangerschaft und Geburt verfluchen, weil seitdem Brust und Bauch den Wettbewerb gestartet haben, wer zuerst die Oberschenkel erreicht.
Aber was ist, wenn Mütter genauso sind? Wenn sie sagen: „Ich liebe mein Kind, aber manchmal nervt es mich.“ Wenn sie einfach mal keinen Bock darauf haben, das 20. Gespräch am Tag in Kindersprache zu führen. Oder wenn sie die Kinder zwei Mal in der Woche vor dem Fernseher parken, um wieder mal ungehemmten Sex mit ihrem Ehemann zu haben.
Frau wird durch eine Geburt nicht perfekt
Viele dieser Mütter treffen sich anonym im Internet-Forum „True Mom Confessions“, was eine Mischung aus Beichte und Austausch ist. Denn viele Frauen plagen sich mit Scham und Schuldgefühlen. Würden sie ihre Gedanken öffentlich äußern, bekämen sie ziemlich schnell den Stempel „Schlechte Mutter“ aufgedrückt. Nun hat Autorin Romi Lassally aus den Beichten „ganz normaler Mütter“ ein Buch gemacht. Ein herrlich mutmachendes Werk, um künftigen Müttern, aber auch grau melierten Herren und gestählten älteren Hausfrauen zu zeigen, dass es eine völlig utopische Annahme ist, dass die Geburt aus einer Frau einen perfekten Menschen macht. Mann bleibt Mann – ob vor dem Karrieresprung oder danach. Und es gilt gleichermaßen: Frau bleibt Frau – ob vor der Geburt oder danach.
„Eines der Lieblings-T-Shirts meiner Tochter kann ich nicht ausstehen … Gestern Abend hab ich es mit rotem Nagellack beschmiert und ihr erklärt, dass es nicht mehr zu retten ist.“ Das ist nur eine Beichte aus dem ersten von neun Kapiteln, das mit dem für Mütter verpönten Wort „Notlüge“ überschrieben ist. Doch genauso wie es angepasste, schüchterne, dampfschwätzende oder gar cholerische männliche Angestellte gibt, gibt es ebensolche Mütter – und daran ändert auch der Hormonüberschwang während der Geburt nichts. Ein Beicht-Beispiel gefällig? „Wenn anderen auffällt, dass sich das Verhalten meines Sohnes verbessert hat, sage ich immer, es läge daran, dass ich roten Farbstoff und raffinierten Zucker aus seinem Speiseplan verbannt habe. In Wirklichkeit liegt es daran, dass ich eine Therapie angefangen haben und ihn nicht mehr so viel anbrülle. Aber wie erklärt man das?“
Hüften, Schenkel, Brüste und Bauch – Mütter haben ein Recht auf Unzufriedenheit, auch wenn das Baby stets zufrieden und satt an der Brust einschläft. Dabei mag der Wabbelbauch dem Säugling als Kopfkissen dienen, im Ehebett halten ihn jedoch viele der beichtenden Frauen für unerotisch. Schön sein zu wollen, ist kein Verrat am Kind. Genauso wenig wie der Wunsch, als Mensch in sämtlichen Rollen wahrgenommen zu werden und nicht auf die Rolle als Hausfrau und Mutter degradiert zu werden – auch wenn es in dieser Frage einige Ausnahmen gibt. Eine Mutter berichtet: „Ich bin sämtlichen politischen Gruppen bei Facebook beigetreten, damit meine Online-Freunde mich nicht für doof halten, weil ich ,nur’ eine Hausfrau und Mutter bin.“
Ein Tag im Leben von Müttern hat Höhen und Tiefen – mehr nicht
Babys schlafen viel – logisch, dass Müttern am Tag manchmal langweilig ist. Kleinkinder toben viel – logisch, dass Mütter manchmal Ruhe brauchen. Eine harsche Diskussion über Kinderglück und Mutterideal müsste am Familiengeburtstag aber wohl die Mutter befürchten, die in Lassallys Buch beichtet: „Um zu Hause auch mal Zeit für mich zu haben, sage ich meinem Mann, dass ich aufs Klo muss, obwohl ich gar nicht muss. Ich schließe die Toilettentür ab und spiele ein paar Runden Kniffel auf dem Handy.“ Oder noch ein bisschen heftiger: „Manchmal träume ich davon, mich scheiden zu lassen, dann hätte ich jedes zweite Wochenende frei.“
Madig machen will Autorin Romi Lassally das Muttersein nicht, aber realistisch will sie bleiben. Lassally selbst spricht von einer „tiefen Freude“, die im Muttersein liegt. Nur eben nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit. Schließlich hat auch der Traumjob oder die Traumbeziehung Makel. Und die verschwinden nicht, nur weil man nicht darüber spricht. Das will Lassally ihren Lesern vermitteln und hat, um das ganze Bild zu zeigen, eben auch Geständnisse aufgenommen, die pure Mutterfreude offenbaren: „Ich küsse jeden Abend 20 Zehchen, 20 Fingerchen, vier Äuglein, zwei Näschen, vier Öhrchen, zwei Bäuchlein und zwei süße Schnüttchen. Manchmal scheint mir unser zeitaufwendiges Einschlafritual etwas übertrieben, aber ich würde um nichts auf der Welt etwas daran ändern. Ich liebe meine Süßen!“
In jedes Kapitel eingestreut sind Sätze von Müttern, die sich wundern, „dass sie so was einmal sagen würden“. Auch diese Sätze zeigen, dass ein Tag im Leben von Müttern erfreulich vielfältig ist. Angefangen bei „Hör auf, deinem Bruder am Penis zu ziehen“ über „Das ist kein Kaubonbon, das ist Katzenkacke, spuck’s aus!“ bis hin zu einem der wundervollsten Sätze überhaupt: „Ich will noch ein Baby.“