Essen. Gewalt in der Beziehung muss bei den ersten Anzeichen gestoppt werden. Ansonsten kann sie schnell zur Gewohnheit werden. Dass Worte und Taten gleichermaßen verletzen können, ist bekannt. Daher sollte ein Partner auch anscheinend harmlose Beschimpfungen des anderen nie kommentarlos hinnehmen.
Gewalt zwischen Partnern beginnt oft schleichend. Erst fallen einzelne spitze Bemerkungen. Darauf folgen abschätzige Kommentare vor Freunden. Mit der Zeit wird die Atmosphäre in der Beziehung immer giftiger, die Wortwahl hemmungsloser – und irgendwann setzt es die erste Ohrfeige. «Gewalt in der Partnerschaft muss man bei den ersten Anzeichen stoppen – sonst wird sie schnell zur Gewohnheit», warnt Claudia Kiefer, ehrenamtliche Beraterin bei der Opferschutzorganisation «Weißer Ring» im Nürnberger Land.
Beziehungsgewalt zieht sich durch alle Alters- und Bildungsschichten und geht sowohl von Männern als auch von Frauen aus. «Dabei üben Frauen, so die Erfahrung aus der Praxis, eher psychische und verbale Gewalt aus, Männer eher körperliche», sagt Kiefer. Allerdings richteten beide Formen der Gewalt gleichermaßen dauerhafte Schäden an. «Manchmal kann man hinterher gar nicht mehr genau abgrenzen, welcher der Partner einmal mit der Gewalt angefangen hat. Denn oft setzt ein Partner den anderen auch eher unbewusst unter Druck», sagt Kiefer.
Beschimpfungen nie kommentarlos hinnehmen
Damit anfängliche Konflikte gar nicht erst eskalieren, ist es wichtig, schon verbale Grenzüberschreitungen durch den Partner niemals kommentarlos hinzunehmen. «Je öfter jemand eine Grenze überschritten hat, desto leichter fällt es ihm, sie wieder zu überschreiten», warnt Kiefer. Jedes Verhalten des Partners, das ein ungutes Gefühl bei einem hinterlasse, müsse man daher hinterfragen. Gebe man gleich ein Signal, dass man sich verletzt fühlt und mehr Respekt fordert, merke der andere, wie weit er gehen könne und wo die Grenzen bei seinem Gegenüber liegen.
Eskaliert die Gewalt in der Beziehung, empfiehlt die Psychologin Betroffenen dringend, sich Hilfe von außen zu holen. «Viele machen den Fehler, zu lange abzuwarten. Sie reden sich ein, dass der Partner eben gerade eine schwere Zeit durchmacht und dass sich das schon wieder einrenken wird», sagt sie. Doch mit jedem Gewaltausbruch leide das Selbstwertgefühl der Betroffenen mehr, und irgendwann fehle den Gepeinigten schlicht der Mut und die Energie, sich noch aus der Situation zu befreien.
Hat das Paar Kinder, ist schon allein aus Rücksicht auf sie Eile geboten. «Wenn Kinder Gewalt zwischen ihren Eltern miterleben müssen, ist das für sie eine extrem traumatische Erfahrung. Sie werden dadurch massiv in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt, auch die intellektuellen Leistungen der Kinder lassen oft stark nach», sagt Margarethe Wegenast vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Zudem hätten Kinder aus gewaltgeprägten Elternhäusern ein besonders hohes Risiko, auch selbst in ihren späteren Partnerschaften Gewalt zu erleben.
In einer akuten Bedrohungssituation steht Opfern häuslicher Gewalt die Polizei zur Seite. «Die Beamten haben mittlerweile in allen Bundesländern die Befugnis, dem Täter einen Platzverweis auszusprechen und ihn damit zumindest zeitweise aus der gemeinsamen Wohnung zu entfernen», sagt Margarethe Wegenast.
Manchmal gibt es finanzielle Unterstützung
Langfristige Hilfe bekommen Betroffene dann an verschiedensten Stellen. «Es gibt mittlerweile überall in Deutschland Beratungsstellen und Vereine wie den Weißen Ring, Frauenhäuser oder Männergruppen, die sich um die Opfer häuslicher Gewalt kümmern», sagt Claudia Kiefer. Auch bei den Präventionsstellen oder Frauenbeauftragten der Polizei könnten Betroffene Hilfe erhalten. Manche Vereine böten auch finanzielle Unterstützung für den Neustart an, falls man seinen gewalttätigen Partner verlassen möchte.
Auch den Tätern wird beim Ausstieg aus der Gewaltspirale geholfen. «Nicht selten sind auch sie einmal Opfer gewesen und damit sozusagen doppelt betroffen», erklärt Kiefer. Eine Therapie oder eine Gesprächsgruppe könne sie bei der Aufarbeitung dieser Situation unterstützen. «Es gibt spezielle Anti-Gewalt-Trainings, in denen gewalttätige Männer sich mit ihrem Handeln auseinandersetzen und alternative Konfliktlösungsstrategien erlernen können», ergänzt Margarethe Wegenast.
Ob eine Partnerschaft weiter bestehen kann, in der es einmal Gewalt gab, ist individuell unterschiedlich. «Die grundsätzliche Voraussetzung für eine Paarberatung ist, dass beide Partner auf gleicher Augenhöhe sind», sagt Wegenast. Daher könne eine solche Beratung allenfalls bei Paaren funktionieren, die sich gleich bei den ersten Anzeichen von Gewalt Hilfe holen und wo der Gewalttätige eindeutig die Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Wer jahrelang unter Beziehungsgewalt litt, sei hingegen bereits stark durch den Partner manipuliert. Auch im Rahmen einer Paartherapie könnte der gewalttätige Partner daher starken Einfluss ausüben und so eine Trennung verhindern. «Auf jeden Fall sollten betroffene Frauen sich erst einmal alleine an eine Beratungsstelle wenden und für sich herausfinden, ob und warum sie an der Beziehung zu dem gewalttätigen Partner festhalten wollen», rät Wegenast. (ddp)