Wer Mitglied in einem Fitnessstudio wird, muss sich oft langfristig binden. Ein BGH-Urteil erleichtert jetzt den Ausstieg aus dem Vertrag. Sportler dürfen demnachl jederzeit aus einem wichtigem Grund kündigen. Verschiedene Knebel-Klauseln seien nicht immer rechtens.
Essen.
Die Deutschen stürmen die Fitnessstudios: Über 7,6 Millionen Bundesbürger
trainieren inzwischen in einem der 7.300 Fitnesscenter. Viele binden sich
langfristig an ein Studio. Doch was, wenn ein Hobbysportler krank wird, ein
Umzug ansteht oder der Bauch-Beine-Po-Kurs wegfällt? Ein vorzeitiger Ausstieg
aus dem teuren Vertrag wurde bislang nur selten akzeptiert. Jetzt hat der
Bundesgerichtshof (BGH) erstmals für Klarheit gesorgt: Wer wichtige Gründe hat,
kann jederzeit früher kündigen (Aktenzeichen: XII ZR 42/10). Auch andere
Knebel-Klauseln sind nicht immer rechtens.
„Die Kunden von Fitnesscentern haben jetzt erstmals
Rechtssicherheit“, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke aus Köln. Wer mit seinem
Studio im Streit um den vorzeitigen Ausstieg liegt, kann sich nun womöglich auf
die neue höchstrichterliche Entscheidung berufen. Anderslautende
Vertragsklauseln sind unwirksam. „Auch wenn es die Betreiber vielleicht gerne
hätten: Fitnessverträge sind keineswegs für die Ewigkeit oder zwingend für die
vereinbarte Laufzeit“, sagt auch Rechtsanwalt Jens Ferner aus Aachen.
Attest muss für die Kündigung reichen
Grundsätzlich gilt jetzt: Raus darf, wer die Vertragsleistung nicht
mehr nutzen kann, auch wenn er wollte, und einen wichtigen Grund für die
Sonderkündigung parat hat. Nur – was ist „wichtig“? Dazu zählt nach
BGH-Auffassung in erster Linie eine ernsthafte Erkrankung. Woran der Sportler
leidet, muss er aber nicht sagen. Ein ärztliches Attest, das die Untauglichkeit
für den Fitnesssport allgemein bestätigt, muss dem Studio reichen. Wird eine
Frau nach Vertragsschluss schwanger, darf auch sie vom Sonderkündigungsrecht
Gebrauch machen. Mit Vorschlägen zum vorübergehenden Aufs-Eis-Legen des Vertrags
muss sie sich nicht mehr abwimmeln lassen.
Auch ein Umzug kann ein wichtiger Grund sein, wie bereits andere
Gerichte entschieden. Ändert das Fitnessstudio seinen Standort, darf es seinen
Kunden eine außerordentliche Kündigung nicht verweigern – selbst wenn das im
Vertrag ausgeschlossen wird oder wenn es nur innerhalb des Stadtgebiets die
Räumlichkeiten wechselt (Aktenzeichen: Oberlandesgericht Hamm, 17 U 109/91).
Wechselt nur der Inhaber, bleiben aber Geräte und Kurse gleich, gibt es keinen
Grund für eine vorzeitige Kündigung.
Zieht der Sportler selbst weg, kann er in der Regel problemlos raus
aus dem Vertrag, sobald er weite Anfahrtswege in Kauf nehmen müsste
(Aktenzeichen: Oberlandesgericht Frankfurt, 6 U 164/93). „Ab wann es wegen der
hohen Benzinpreise aber unzumutbar wird, müssen die Kunden wohl im Einzelfall
mit ihrem Studiobetreiber ausraufen“, sagt Carolin Semmler, Juristin der
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Zwei Jahre Laufzeit sind okay
Auch grundlegende Änderungen im Angebot können zur Kündigung
berechtigen, wie Ferner betont. Zum Beispiel, wenn die Öffnungszeiten stark
zusammengestrichen werden oder deutlich weniger Geräte zur Verfügung stehen. Da
hilft es dem Studio auch nicht, dass im Vertrag Klauseln stehen wie „Änderungen
vorbehalten“. Eine solche Klausel ist zu pauschal und damit unwirksam
(Aktenzeichen: Landgericht Heidelberg, 5 O 137/98). Bei kleineren Änderungen,
wenn etwa plötzlich ein Bauchtrimmer nicht mehr nutzbar ist oder der
Bauch-Beine-Po-Kurs ausfällt, sei der Ausstieg nur schwer durchsetzbar, betont
Ferner.
Dass es so leicht kein Entkommen aus Fitnessverträgen gibt, merkten
die Hobby-Sportler meist erst, wenn der Enthusiasmus abgeebbt sei, weiß Jurist
Solmecke aus Erfahrung. Die meisten Verträge haben eine Mindestlaufzeit von zwei
Jahren. Die BGH-Richter fanden daran nichts zu beanstanden. Wer keine wichtigen
Gründe für ein vorzeitiges Ende, aber keine Lust mehr zum Hantelstemmen hat,
sollte rechtzeitig einen Blick in das Kleingedruckte werfen, rät Solmecke.
Die meisten Verträge verlängern sich automatisch, wenn der Kunde
vergisst zu kündigen. Um mehr als sechs weitere Monate dürften sie aber nicht
ausgedehnt werden, sagt Semmler. Kündigungsfristen von einem Monat oder drei
Monaten vor Vertragsende seien rechtlich in Ordnung. Klauseln, wonach nur einmal
jährlich zu einem bestimmten Termin gekündigt werden darf, sind dagegen
unwirksam. (dapd)