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Birgit Kelle ist die Anwältin der Hausfrauen

Birgit Kelle ist die Anwältin der Hausfrauen

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Birgit Kelle Foto: Kerstin Pukall
Die Autorin Birgit Kelle kann mit dem Gleichstellungskampf nicht viel anfangen. Keine Mutter solle sich entschuldigen müssen, wenn sie für ihre Kinder da ist, sagt sie. Und ein alter Mann, der das Dekolleté einer jungen Frau lobt, müsse nicht gleich sexistisch sein.

Düsseldorf. 

Ein Heimchen vom Herd hatte man anders in Erinnerung. Birgit Kelle betritt das Café im Düsseldorfer Hauptbahnhof in hochschaftigen Stiefeln. Sie trägt einen eng geschnittenen Ledermantel und wuchtet ihren Rollkoffer eilig neben den Tisch. Die Zeit drängt. Die streitbare Publizistin bricht gleich zu einer Lesereise auf.

Seit sie im vergangenen Jahr eine provokante Feminismus-Kritik mit dem Titel „Dann mach doch die Bluse zu“ auf den Buchmarkt brachte, ist sie in Talkshows, Vortragssälen und Expertenkommissionen gefragt. Die 39-Jährige besetzt dort eine Exotenrolle: Sie ist die vierfache Mutter, die selbstbewusst Ja sagt zur Hausfrauenrolle und mit dem Gleichstellungskampf des althergebrachten Feminismus nichts anfangen kann.

„Ich will keine Frau zurück an den Herd bringen“, sagt Birgit Kelle und lacht. Als sie vor knapp 15 Jahren zum ersten Mal schwanger wurde, spürte sie eine Unwucht in der feministischen Debatte. Sie hatte damals ein Jura-Studium abgebrochen und arbeitete bei einem Anzeigenblatt des Badischen Verlags in Freiburg. Als sie im Kollegen- und Freundeskreis ankündigte, erst einmal drei Jahre nur für ihr Kind da sein zu wollen, stieß sie auf geballtes Unverständnis. Seither hat sie in vielen Beiträgen und Kolumnen dagegen gewettert, dass sich Frauen als gestrig und unselbstständig beschimpfen lassen müssen, wenn sie das Rollenmodell der Hausfrau und Mutter wählen.

Sie ist Mutter von vier Kindern, zwischen fünf und 14 Jahren alt

„Der klassische Feminismus hat nicht bedacht, dass es auch heute noch Frauen gibt, die gerne Hausfrau und Mutter sind und sich dafür nicht rechtfertigen wollen“, meint Kelle. Es geht ihr um gesellschaftlichen Respekt, aber auch um politische und finanzielle Förderung. „Ich kann nicht akzeptieren, dass eine Hausfrau sich für hundertfünfzig Euro Betreuungsgeld entschuldigen soll und der Idealzustand ein mit durchschnittlich zwölfhundert Euro staatlich geförderter Kita-Platz ist“, sagt sie. Ihre These: Wenn es sich mehr Mütter oder Väter leisten könnten, längere Zeit nur für die Kinder da zu sein, gäbe es auch keine Kita-Engpässe. Birgit Kelle stammt aus dem rumänischen Siebenbürgen, lebt am politisch schwarzen Niederrhein, ist CDU-Mitglied und bekennend katholisch.

Sie ist mit einem Journalisten verheiratet, ihre vier Kinder sind zwischen fünf und 14 Jahren alt. Das Magazin „Cicero“ nannte sie eine „Wut-Mutter“. Nach jedem ihrer Talkshow-Auftritte erhält Kelle rund 1000 Zuschriften. Rund zehn Prozent seien Hassmails, der Rest ist Zustimmung. Motto: „Endlich sagt es mal eine.“ Sie hält sich für liberal und weiß nicht, warum „es als reaktionär gilt, wenn man die gleiche Förderung für jedes Lebensmodell fordert“. Ehegattensplitting oder kostenlose Krankenkassen-Mitversicherung sind für sie Peanuts im Vergleich zur massiven Kita-Ausbauoffensive.

Sie nervt es, wenn Lüsternheit gleich „Sexismus“ heißt

Birgit Kelle erklärt den klassischen Kampf der Geschlechter für erledigt: „Die Sorgen und Nöte eines alleinerziehenden Vaters sind mir näher als das Lebensmodell einer kinderlosen Karrierefrau.“ Gleichstellungskonflikte gebe es heute nicht mehr vorrangig zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen Familien mit Kindern und Kinderlosen.

Von einer Frauenquote hält Birgit Kelle nichts. „Es ist ein Denkfehler des althergebrachten Feminismus, nach dem zweifellos wichtigen Kampf um gleiche Rechte und Chancen von Männern und Frauen heute auch noch den biologischen Unterschied und die oft unterschiedlichen Prioritäten im Leben einebnen zu wollen“, sagt sie. Sie nervt eine Frauenbewegung, die gleich „Sexismus“ schreit, wenn ein lüsterner Altliberaler mal an der Hotelbar das Dekolleté einer Journalistin auf Dirndltauglichkeit vermisst. Der Affäre um Anzüglichkeiten des früheren FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle entsprang auch Kelles Buchtitel „Dann mach doch die Bluse zu“.

Mitten im Gespräch klingelt das Handy. Kelles Mann ist dran. Während sie mehrere Tage auf Promotiontour für die Hausfrauen- und Mutterrolle geht, versorgt er daheim die Kinder.