Jetzt traut sich auch die deutsche Frau mit Gesundheitssandalen auf die Straße. Es hat hier etwas länger gedauert, was Mode-Experten auf die Vergangenheit zurückführen: Birkenstock galt als Schuh für Fußkranke. Mit Heidi Klum wurde alles anders. In diesem Sommer sind die Latschen geradezu schick.
Essen.
„Jesuslatschen“ hat man sie früher genannt. Das war sicher nicht als Beleidigung zu verstehen, aber auch nicht gerade als Zeichen für eine modische Offenbarung. Wer Sandalen mit einem tiefen Fußbett aus Kork trug, der war ein Freund der Natürlichkeit. Er wollte seinen Füßen frische Luft lassen und viel Platz zur freien Entfaltung. Auf dass die Nägel munter sprießen konnten, wenn es so sein sollte auch bis zum Horizont.
Oder aber er war Arzt, musste viel im OP stehen und wählte ein vorne geschlossenes Modell in Weiß, das mit dem Doktor-Kittel korrespondierte. Diese Form des offenen Schuhs war lange ein Symbol der Achtziger, Zeichen der Friedens- und Ökobewegung. Dann kam Heidi Klum.
Erwischt: Julia Roberts und Heidi Klum in Birkenstock
Aber nicht sie allein. Denn plötzlich entdeckten etliche Models und Laufstegschönheiten ihre Liebe zum Bequem-Schuh und wurden von Fotografen erwischt. Julia Roberts ganz entspannt unter kalifornischer Sonne. Hollywood-Kollegin Ashley Olsen geschmeidigen Schrittes auf den Straßen von Manhattan. Oder eben Heidi Klum lässig in Beverly Hills – die Füßchen in Gesundheits-Schlappen. Von High Heels, engen Stiefeln und spiegelglatten Catwalks werden sie ja oft genug gequält.
Die Promi-Sympathie zur flachen Sandale bleibt nicht ohne Folgen: Frauen in aller Welt gucken sich die Mode ab. Sogar in Deutschland. Dabei hat der Schuh es hier besonders schwer, vom Image des orthopädischen Gesundheitstreters loszukommen. Das hat seinen Grund. Denn Birkenstock, die Großmutter aller Korksandalen, hat bei uns ihren Sitz, im rheinland-pfälzischen Vettelschoß. Seit stolzen 240 Jahren versorgt sie Gesundheitsapostel mit natürlichen Fußbetten.
Die Designer kamen auf den Schlappen
In anderen Ländern kennt man diese Vorgeschichte nicht. „Deshalb gibt es in den USA, in Japan oder Italien weniger Vorbehalte gegen diese Art von Schuh“, so die Einschätzung von Claudia Schulz, Expertin des Deutschen Schuhinstituts. Überall dort hat die Modewelt die flachen Sandalen nicht als orthopädische Empfehlung für Fußschwache kennen gelernt, sondern zunächst als herrlich erdige Sohle zwischen ganz viel Gestöckel auf den Laufstegen gesehen. Armani war der Erste, der 1989 Models in die Puschen schickte. Prada zog nach mit einem Filzclog mit bequemem Fußbett. Später bekannte auch Designer Wolfgang Joop im Interview: „Ich habe mein Leben lang Birkenstock getragen.“
Dank Heidi Klum wechselte der Schuh endgültig die Image-Etage. 2003 begann eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Model aus dem Rheinischen und dem Traditionsunternehmen Birkenstock. Wie es heißt, überrumpelte das German Girl damals mit Nieten und Glitzersteinen die bis dahin eher bieder vorgehenden Ökoschuhmacher. Die Geburt der hippen Latschen.
Jetzt auch Modelle mit Lack oder im Leo-Look
Zwischen die klassischen Modelle mit Lederriemen oder einem Zehensteg in gedeckten Farben mischen sich nun edel gestaltete Lack- und Metallicleder, Tigerfell- und Leomuster oder Strassverzierungen. Sogar die Sohle darf knallbunt sein – einzig das komfortable Fußbett aus gepressten Korkkrümeln sieht meist aus wie immer. Der Öko-Gedanke soll keinesfalls vergessen werden.
„Gerade in einer Zeit, in der das Leben nicht immer einfach ist, geht der Trend zu flachen Schuhen, mit denen Frauen stabil durchs Leben kommen“, beobachtet Claudia Schulz. Sie prophezeit der Liebe zum Latschen noch eine längere Zukunft. „Bequemlichkeit setzt sich durch. Das zeigt auch die Sneaker-Mode. Wir wollen relaxed sein, ganz entspannt. Was könnte da besser passen als eine gepimpte Öko-Sandale?“
Doch die Stilexpertin warnt: Wer seine Füße natürlich bettet, bekommt keinesfalls die Lizenz zur Schludrigkeit. Er sollte erst recht penibel auf die Pflege achten. Pediküre ist angesagt. Lackierte Nägel und eine zarte Haut sind in offenen Schuhen Pflicht. Sonst kommt die Geschmackspolizei und verteilt Gummistiefel.
Socken in Sandalen?
Kombinieren lässt sich der Birkenstock-Stil mit Maxikleidern, Sommerröcken oder Röhrenjeans. Über Socken in Sandalen verlieren wir an dieser Stelle mal kein Wort und lassen einfach das Kopfkino spielen. . .
Und was ist mit den Männern? „Für sie ist diese Form von Schuh nicht gerade ein Styleobjekt“, sagt Claudia Schulz und betont außerdem, dass es sich um einen reinen Freizeitschuh handelt und keinesfalls um eine Alternative für das Büro. Auch nicht, um unter dem Schreibtisch heimlich von elegant auf gemütlich umzusteigen.