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Black Panther Herman Wallace nach Entlassung aus 42-jähriger Haft gestorben

Herman Wallace nach Entlassung aus 42 Jahren Haft gestorben

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Herman Wallace is shown in 2008 photo taken in the Louisiana State Penitentiary Foto: Reuters
Beinahe 42 Jahre lang saß Herman Wallace im Staatsgefängnis von Louisiana in Haft. In dieser Woche wurde das ehemalige Mitglied der schwarzen Bürgerrechtsbewegung „Black Panther“ entlassen, der Prozess gegen Wallace sollte neu aufgerollt werden. Doch dazu kommt es nicht mehr: Der 71-Jährige ist gestorben.

Washington. 

„Vergessen sind alle diese Dinge, die hinter uns liegen – schauen wir vorwärts.“ Für Herman Wallace war die Inschrift über dem Gefängnistor von „Angola“ immer schon zynisch. Fast 42 Jahre war der 71-jährige Schwarze im Staatsgefängnis von Louisiana eingesperrt. Eingesargt in Stahl, Beton und Einsamkeit. In einer Brutstätte für Psychosen. Denn „vorwärts“ heißt hier übersetzt entweder Wahnsinn. Oder Tod.

Richter Brian Jackson hatte am Dienstag überraschend die Freilassung des ehemaligen Black-Panther-Mitglieds angeordnet. Und einen neuen Prozess, der nun ausfällt, obendrein. Die Begründung wirkte konstruiert. Als der bereits wegen eines Banküberfalls einsitzende Wallace mit zwei anderen Häftlingen 1974 wegen Mordes an einem Wärter verurteilt wurde, blieb Frauen der Zugang zur Geschworenen-Jury verwehrt. Verfassungswidrig, entschied der Richter.

Selbst die Opferwitwe prangerte Willkür an

Dass die Beweislage gegen die so genannten „Angola 3“ erschreckend dünn war, dass weder Fingerabdrücke noch andere Spuren auf ihre Täterschaft hinwiesen, dass selbst die Opferwitwe Fairness für Wallace und die anderen einforderte und Willkür anprangerte, spielte für Jackson keine Rolle.

Von drei Seiten von den Sümpfen des Mississippi umgeben, in denen sich Schlangen und Alligatoren tummeln, war das mit 5000 Insassen bevölkerte Hochsicherheitsgefängnis lange Jahre der berüchtigtste Knast in Amerika. 300 Häftlinge brachten sich hier zeitweise jährlich um. Hinter Gittern, benannt nach der Baumwollplantage, auf deren Grund sie vor über 100 Jahren gebaut wurden, herrschten Vetternwirtschaft, sexuelle Sklaverei und Gewalt. Blues-Legenden haben die „Hölle“ besungen. „Dead Man Walking“ über einen zum Tode Verurteilten mit Sean Penn, wurde hier gedreht.

Wallace wurde „Muhammad Ali des Justizsystems“ genannt

Alt zu werden auf „der Farm“ und halbwegs bei Verstand zu bleiben, heißt es in vielen Dokumentationen, sei eine hohe Kunst. Dass Wallace es schaffte, den sie den „Muhammad Ali des Justizsystems“ nannten, grenzt an ein Wunder.

Lange Jahre trainierte er seinen Körper „und verschlang jede Zeitung, derer er habhaft werden konnte“, erinnert sich Wilbert Rideau, einst Chefredakteur der Knastpostille „The Angolite“ und Haftkollege. Die New Yorker Künstlerin Jackie Sumell baute nach seinen Anweisungen sogar ein Modellhaus – für den Tag der Freilassung. Herman Wallace verbat sich das Irrewerden an einem Ort der Verzweiflung.

Amnesty International spricht im Fall Wallace von Folter

Was der sich bis zum letzten Atemzug als unschuldig bezeichnende Mann vier Jahrzehnte in seiner sechs Quadratmeter großen Zelle leben musste, ist für Amnesty International staatlich verordnete „Folter“. Der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain, der als Kriegsgefangener in Nordvietnam 24 Monate in völliger Abgeschiedenheit verbrachte, nennt die Methode „entsetzlich – sie erdrückt deinen Geist und schwächt deinen Widerstand stärker als jede andere Form der Misshandlung“. Die Rede ist von Isolationshaft.

Wie der demokratische Senator Dick Durbin bei einer Anhörung sagte, waren zuletzt knapp 82.000 Häftlinge in den USA in extremer Isolierung ohne frische Luft und natürliches Licht untergebracht. 23 Stunden am Tag. Abgesehen von Leibesvisitationen und medizinischen Untersuchungen beschränkt sich menschlicher Kontakt auf das Anlegen der Handschellen durch die Wärter. Ein Leben lang. Bis der Tod sie befreit.

„Das ist das Grausamste, was Menschen einander antun können“, sagt Wallace‘ Anwalt George Kendall. Ob jemand isoliert wird, beklagt die Hilfsorganisation „Solitary Watch“, liegt im Ermessen der Gefängnisleitung. Manchmal reicht es aus, einen Häftling als Mitglied einer Bande zu denunzieren.

Herman Wallace soll friedlich eingeschlafen sein

Nur selten erfährt die Öffentlichkeit von dem Extremstrafvollzug. Zuletzt in diesem Sommer, als in Kalifornien 30.000 Sträflinge über mehrere Wochen in den Hungerstreik traten, um gegen die Willen und Physis brechende Methode zu protestieren. Vergebens.

Für Herman Wallace endete der erste Tag außerhalb der Gefängnismauern auf der Intensivstation eines Krankenhauses in New Orleans. Weitere werden nicht für ihn anbrechen. Er konnte kaum mehr sprechen, sein Gesicht war eingefallen. Leberkrebs im Endstadium. Donnerstagnacht ist er friedlich eingeschlafen, berichtet die Zeitung „Times Picayune“. Im Kreise seiner Familie, nicht allein. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Ich bin frei.“