Vor 25 Jahren, am 28. Januar 1986, erlebt die Welt das bis dahin schlimmste Unglück der bemannten Raumfahrt. Sieben Astronauten sterben.
Cape Canaveral.
Tod vor laufenden Kameras: Alle sieben Astronauten sterben, als am 28. Januar 1986 die amerikanische Raumfähre Challenger kurz nach dem Start am tiefblauen Himmel über dem Kennedy Space Center in Florida explodiert.
Statt eines neuen Höhenflugs wird ausgerechnet der als Medienspektakel inszenierte 25. Start eines Space Shuttles zum Tiefschlag für das Raumfahrtprogramm der NASA – und zu einer nationalen Katastrophe, die sich einbrennt ins kollektive Gedächtnis der USA wie die Ermordung Präsident Kennedys 1963 oder die Anschläge auf das World Trade Center 2001.
Die NASA-Verantwortlichen hatten sich auf ein Glücksspiel eingelassen, wollten sich über die Gesetze der Physik hinwegsetzen. Eine Kaltfront ist in der Nacht vor dem Start der Challenger-Mission STS-51-L über den Sonnenstaat Florida hinweggezogen. Das Thermometer an der Startrampe fällt auf – 11 Grad. So kalt war es vor keinen Start eines Shuttles, die seit dem gefeierten Jungfernflug der Columbia 1981 zwischen Erde und Orbit pendeln. Ingenieure des Zusatzraketenherstellers Morton Thiokol warnen in einer Telefonkonferenz mit der NASA eindringlich: Dichtungsringe aus Gummi könnten wegen der Kälte ihren Dienst versagen und die Antriebsraketen zum Sprengsatz werden lassen.
Die eigenen Manager schlagen die Warnung in den Wind und raten der NASA in der Telefonschalte nicht vom Start ab. Weil der Abflug ins All bereits zweimal verschoben worden war, gibt es die Freigabe für den Countdown. Eine fatale Fehlentscheidung. Neun Starts hatte es im Vorjahr, 1985, gegeben – so viele wie nie zuvor und nie danach. Die Reisen des Raumschiffs waren anscheinend zur Routine geworden.
Riesiges Medienaufgebot
Beim 25. Starts eines Shuttles ist das Medieninteresse dennoch riesengroß: Die USA schicken mit Christa McAuliffe eine Zivilistin ins All. „TIS“ heißt das Programm, das sich der Präsident selbst ausgedacht haben soll: Teacher in Space (Lehrer im All). Christa McAuliffe soll aus dem Orbit unterrichten. Präsident Ronald Reagan wird am Abend zur Nation sprechen und will das Raumfahrtprogramm, das zu Zeiten, als der Kalte Krieg noch heiß ist, vor allem militärischen Zwecken dient, feiern. Der Präsident muss seine Rede umschreiben.
Zwar legt die Challenger einen Bilderbuchstart hin. Steigt, angetrieben von mehr als 20 Millionen PS, in die Höhe. Doch die Katastrophe nimmt bereits ihren Lauf: An einer der beiden Feststoffraketen treten an einem undichten Gummiring heiße Gase aus und entzünden sich. Eine Halterung schmilzt, der Riesenaußentank mit Flüssigbrennstoff reißt. In der 74. Sekunde nach dem Start explodiert die Raumfähre in 15 Kilometern Höhe in einem riesigen Feuerball.
Trümmerteile regnen herab
Aus der Rauchwolke regnen Trümmerteile herab. Die Kabine der Crew hat die Explosion als Ganzes überstanden. Der freie Fall dauert zwei Minuten, bis die Kapsel ungebremst mit geschätzten 330 Stundenkilometern auf dem Atlantik aufschlägt. Wie lange die Besatzung im Sturz noch gelebt hat, bleibt unklar. Mindestens drei Astronauten sollen noch ihr Notfall-Sauerstoffsystem aktiviert haben.
Es ist das bis dahin schwerste Unglück in der Geschichte der bemannten Raumfahrt – und nicht der einzige technische Rückschlag, der die Menschheit im Jahr 1986, im ausgehenden zweiten Jahrtausend, trifft: Fast auf den Tag genau drei Monate später, in der Nacht des 26. April, fliegt in der damaligen Sowjetunion, im weißrussischen Tschernobyl, der Block 4 des dortigen Atomkraftwerks in die Luft. Ein Super-GAU. Die Strahlenwolke zieht bis nach Westeuropa. „Es war ein Menetekel, eine Botschaft aus dem nächsten Jahrhundert: eine Warnung, das Verhalten zur Technik zu ändern“, nennt der Atomphysiker Igor Kusmin das Reaktorunglück.
Die NASA zieht ihre Konsequenzen aus der vermeidbaren Challenger-Katastrophe. Die Raketen bekommen zusätzliche Dichtungsringe und eine Beheizung, die Crewkabine einen Not-Fallschirm. Erst eineinhalb Jahre später, am 29. September 1988, hebt mit der Discovery wieder ein Space Shuttle ab.