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. Virtuos mit Sprachen jonglierend, intelligent und selbstverliebt, mal entwaffnend charmant und mal von brutaler Grabeskälte – so beeindruckt Christoph Waltz in „Inglourious Basterds”. 17 Auszeichnungen hat er dafür bekommen. Die Krönung: Der „Oscar” für einen Schauspieler, der überhaupt keinen Hang zum Glamour hat.
„Die haben sie nicht mehr alle!” soll Christoph Waltz (53) ausgerufen haben, als er zum ersten Mal Einblick nehmen konnte in Quentin Tarantinos Drehbuch zu „Inglourious Basterds”. Amerikanische Juden, die im besetzten Frankreich die Skalps von Nazis jagen, der Tod Hitlers in einem Pariser Kino und die damit einhergehende beträchtliche Verkürzung des Zweiten Weltkriegs und Waltz selbst als SS-Mann mittendrin – ein Wahnsinn. Vielleicht ist dem österreichischen Schauspieler mit den kantigen Gesichtszügen dabei auch jene Warnung wieder in den Sinn gekommen, die er einst in den USA von dem legendären Künstleragenten Paul Kohner erhalten hatte. „Wollen Sie ihr Leben lang durch den Hintergrund laufen und ,Heil Hitler’ schreien?” hatte der den frischen Absolventen der Lee Strasberg Schauspielschule gefragt und damit auf das Rollenklischee für deutschsprachige Schauspieler in Hollywood angespielt.
Bedenken über Bord geworfen
Waltz hat schließlich alle Bedenken über Bord geworfen und den Part des SS-Oberst und Judenjägers Horst Landa akzeptiert. Er hatte den „Swing” in den Dialogen Tarantinos entdeckt und wohl gespürt, dass er mit dieser Rolle den Film würde dominieren können. Er sollte recht behalten: Virtuos mit verschiedenen Sprachen jonglierend, intelligent und selbstverliebt, mal entwaffnend charmant und mal von brutaler Grabeskälte, so reißt Christoph Waltz den Film an sich. Neben ihm wirkt ein Brad Pitt geradezu hölzern, schrumpft eine Diane Krüger zur Schauspiel-Elevin.
Der Dank für dieses Geschenk eines Christoph Waltz an das Weltkino will seit der Uraufführung beim Festival in Cannes einfach kein Ende nehmen. Insgesamt 17 Auszeichnungen hat Waltz bisher für seinen Horst Landa eingesammelt, Golden Globe und Screen Actors Guild Award inklusive. Die Krönung ist nun der Gewinn des „Oscars” als bester. Wobei man sich nun ernsthaft fragen muss, wie die verleihende Academy of Motion Picture Arts den Begriff „Nebendarsteller” definiert.
Er danke Quentin Tarantino dafür, dass er ihm mit dieser Rolle eine „neue Welt” eröffnet habe, hat Waltz bei der Annahme des „Golden Globe” seinen Gefühlen Ausdruck verliehen.
Kein Hang zum Glamour
Man spürte da die Erleichterung von einem, der in 30 Jahren Schauspielerleben im Kino bisher nie richtig Fuß fassen konnte. Er war zwar mal ein esoterischer Kommissar auf Werwolfjagd in „Sieben Monde”, mal ein erfolgloser Autor in „Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit” und überlebte als Ritter Tristan auch den Flop „Feuer und Schwert”.
Aber eigentlich war Christoph Waltz bisher nur das markante Fernsehgesicht, das man aus zahllosen Episodenrollen von „Derrick” über „Kommissar Rex” bis „Stolberg” kannte. Er wurde immer besetzt, wenn es um ambivalente, abgründige Charaktere ging, wenn labile Typen mit Hang zur Melancholie gefragt waren. So war denn Christoph Waltz mal ein Amokläufer in „Tag der Abrechnung”, mal ein Frauenmörder in „Der Tourist”.
Fernseharbeit jedoch ist flüchtig, allein die Masse an fiktionalem Ausstoß der Sender lässt Bilder und Filme schnell aus dem Gedächtnis verschwinden. Es spricht für die Kunst des Christoph Waltz, dass er trotzdem Marken gesetzt, Rollen gespielt hat, die sich dem Vergessen widersetzen. Die Verkörperung von Schlagersänger Roy Black in dem Biopic „Du bist nicht allein” (1996) war eine dieser erstaunlichen Leistungen. Oder die des Entführers von Richard Oetker in dem Zweiteiler „Tanz mit dem Teufel” (2001), den Waltz als arroganten Soziopathen gab und damit schon damals einen ganzen Film dominierte.
Auch wenn die „Basterds” ihm nun das Tor zu großen Kinorollen öffnen sollten, Glamour wird Christoph Waltz auch künftig nicht verströmen. Der Spross einer Theaterfamilie ist dafür einfach nicht der Typ. Im Umgang eher spröde und zurückhaltend, gibt er ungern viel von sich preis. Man weiß, dass er 17 Jahre mit einer Amerikanerin verheiratet war und mit ihr drei Kinder hat. Man weiß auch, dass er nun mit einer Kostümbildnerin in Berlin verbandelt ist und mit ihr eine weitere Tochter hat. „Er pendelt zwischen London und Berlin”, heißt es in den einschlägigen Archiven. Vielleicht kommt nun bald auch noch Hollywood hinzu.