An Rhein und Ruhr.
Vögel fallen tot vom Himmel, Fische verenden zu Tausenden – und Tierforscher stehen vor einem Rätsel. Verschwörungstheorien und die Angst vor dem Weltuntergang haben Hochkonjunktur.
Was ist los mit den Tieren? Zu Hunderttausenden treiben tote Fische ans Ufer, Vögel fallen in Scharen tot vom Himmel – vor allem in Nordamerika, aber auch in anderen Teilen der Welt…
Begonnen hat es am 30. Dezember im US-Bundesstaat Arkansas. Tote Fische bedeckten dort über 30 Kilometer das Ufer des Arkansas nahe der Stadt Ozark. Erstaunlicherweise handelte es sich bei allen Fischen um Trommler. Da andere Arten nicht betroffen waren, schließen die Behörden Gift als Ursache aus. Möglich wäre eine Krankheit, doch die hätte sehr plötzlich auftreten und sich rasant ausbreiten müssen. Das erscheint letztlich so unwahrscheinlich, dass sich Experten auf keine Spekulation einlassen wollen, bevor Ende des Monats die Untersuchungen abgeschlossen sein werden.
Aus dem
Schlaf geschreckt
Fast unbedeutend wirkt der Vorfall verglichen mit dem, was wenige Tage später in der Chesapeake Bucht im US-Bundesstaat Maryland geschah: Dort trieben geschätzte zwei Millionen toter Fische an die Küste. Diesmal war das Rätsel jedoch schnell gelöst: Das zuständige Umweltministerium vermeldete, plötzlich abfallende Temperaturen hätten die Tiere das Leben gekostet, die ohnehin durch einen kalten Dezember bereits geschwächt waren.
Eine mögliche Erklärung war auch schnell zur Hand, als in der Silvesternacht nur 200 Kilometer entfernt in der Kleinstadt Beebe mehr als 5000 Vögel tot vom Himmel fielen. Anwohner sprachen von „einem regelrechten Regen“. Als es in der Nähe ein großes Feuerwerk gab, könnten die Explosionen die Rotschulterstärlinge aus dem Schlaf geschreckt haben. Weil die Tiere im Dunkeln schlecht sehen, seien sie orientierungslos umher und letztlich gegen Hindernisse geflogen. Verletzungen an der Brust und innere Blutungen sprächen für diese Theorie, so die US-Vogelexpertin Karen Rowe.
Weitere Massen toter Vögel wurden seit Anfang des Jahres in den US-Bundesstaaten Kentucky und Louisiana gefunden. Krankheiten und Gift haben Experten als Ursache ausgeschlossen. Die Behörden vermuten nun das Wetter als Ursache.
Auch Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell hält das Wetter für eine wahrscheinliche Erklärung der meisten Vorfälle. Verhungerten Vögeln sähe man den Zustand an, kranke Vögel flögen nicht herum. Und stoßen die Tiere gegen ein Hindernis, brechen sie sich Schnabel oder Flügel – was bei den Funden nicht der Fall war. Geraten Vögel allerdings in einen Hagelsturm, kann das ganze Schwärme töten. Ebenfalls plausibel wäre als Ursache der starke Druckunterschied, wie er hinter einem Flugzeug entsteht, erklärt der Experte. Gewissheit gibt es bislang jedoch keine.
Wo schlüssige Erklärungen fehlen, wuchern die Gerüchte. Vor allem auf Twitter und Facebook kursieren die wildesten Spekulationen. Ist das Ende wirklich nahe?
Die Theorie von
der Ufo-Kollision
Das rätselhafte Massensterben von Vögeln und Fischen, das mit Beginn des neuen Jahres einsetzte und seither nicht abriss, schürt, zumal in den gottesfürchtigen USA, die Furcht vor der Apokalpyse. „Ist Amerikas Tierwelt verflucht?“, fragte allen Ernstes der Internetdienst AOL in seiner Schlagzeile und riet vorsorglich, Nahrung zu bunkern, wenn in Kürze die Welt untergehen sollte. Das rätselhafte Tiersterben ist der ideale Nährboden für Verschwörungs- und Untergangstheorien aller Art. Wenn Vögel, die Mittler zwischen Himmel und Erde, tot zu Boden stürzen – „was droht dann erst uns?“ So mancher, der seiner Regierung in Washington ohnehin alles Schlechte zutraut, wittert geheime militärische Tests hinter dem jähen Tod von Vögeln und Fischen. In Beebe kursiert gar die Theorie von einer Kollision der Vögel mit einem Ufo.
Religionsprofessor Paul Duff, ein Spezialist der Apokalypse und des Buchs der Offenbarung, deutete die Zeichen in der „Los Angeles Times“ weniger dramatisch. „Noch jede Generation war davon überzeugt, dass das Ende nah ist.“ Gänzlich ungewöhnlich scheint es zumindest nicht zu sein, dass Vögel gelegentlich tot vom Himmel stürzen. 90 vergleichbare Fälle listete der US-Fernsehsender MSNBC im letzten Halbjahr 2010 auf. Und aus Arkansas ist überliefert, dass eine Serie von Blitzen 2001 eine Vogelschar wie Steine zu Boden fallen ließ. Jenseits der Rätsel bleibt eine Erkenntnis: Amerikas Vogelwelt geht es insgesamt nicht gut. Und das, so Amerikas Staatsornithologin Karen Rowe, sei weit besorgniserregender.