Dortmund.
Sterne. Überall Sterne. Hängen an den Wänden, liegen auf den Tischen, prangen an den Türen. Hinten steht ein Schrank mit alten Autoradios. Gleich daneben hat jemand eine lange Leiste angedübelt, an der Schlüssel baumeln. Hunderte Schlüssel. Davor steht Ralf Czytkowski. Ein Original. Schnauzbart, Brille, schwarze Wollmütze, Tarnjacke und ein fester Händedruck. „Kommt rein, Männer. Wollt Ihr ‘nen Kaffee?”
Czytkowski jedenfalls will. Aber ganz in Ruhe. „Darf alles nicht in Stress ausarten.” Nichts darf in Stress ausarten, denn Stress kann er nicht ab, der Ralf. „So, jetzt können wir reden”, sagt er nach dem ersten Schluck. Zum Beispiel darüber, dass auf dem Hof nebenan und in der großen Halle hinten knapp 200 alte Mercedes stehen. Mehr als sonst wo in Deutschland, vielleicht sogar mehr als sonst wo in Europa. 200 alte Mercedes. Oder was mal ein Mercedes war. Denn manchmal ist nicht viel von ihnen übrig. „Ersatzteillager” nennt Czytkowski die Gerippe auf dem Hof der Oldtimer-Halle in Dortmund-Marten. Auf die Kotflügel hat er geschrieben, was er noch herausholen kann. Hier ein Getriebe, da eine Kurbelwelle.
Hinten in der Halle stehen die besser erhaltenen Modelle. Doch selbst die sehen meist nicht gut aus. Matt ist ihr Lack, zerrissen das Velours, gesprungen manche Scheibe. „Ja klar”, sagt der 59-Jährige. „Ich restauriere ja auch nix.” Ist zu viel Aufwand. „Zahlt dir doch keiner, die ganzen Stunden, die du in so’ne Karre reinsteckst.”
Deshalb gibt er die Wagen so ab, wie sie da stehen. Sollen doch andere „die Leiche wieder zum Leben erwecken”. Ohne ihn. „Gewährleistung erlischt, wenn du vom Hoff fährst”, sagt Czytkowski und lacht. Und Garantie? Czytkowski lacht noch lauter. „Ich garantiere nur, dass die Kiste Rost hat.”
Das sagt er auch, wenn ein Interessent vorbeikommt. Und schreibt es im Internet. „Ich will ja keinen bescheißen.” Geht nicht gut auf Dauer. „Spricht sich herum, wenn du nicht ehrlich bist.” Trotzdem reden sie nicht nur nett über ihn im weltweiten Datennetz. Czytkowski weiß das und winkt ab. „Das sind Leute, die haben auf irgendeiner Oldtimer-Messe einen restaurierten Benz für 35 000 Euro gesehen. Und dann kommen se zu mir und wollen genau so ein Auto, aber nur 5000 Euro dafür zahlen. Geht nich.”
Der ehemalige Dachdecker spricht aus Erfahrung. Schließlich macht er schon seit 1985 in Gebrauchtwagen. Erst alle Marken, später nur noch Benz. Erinnerungen? Sammelleidenschaft? Ralf winkt ab. „Quatsch. Ist doch alles nur Blech. Hängt mein Herz nich dran. Aber Mercedes lohnt sich einfach am meisten.”
Die Preisangaben an Teilen und Autos, sie sind Richtwerte. „Klar kannze handeln mit mir. Musst nur realistisch bleiben. Wenn ich sach 800, und du sachst 100, dann wird das nix.” Und wenn der bekennende BVB-Fan jemanden nicht sympathisch findet, „dann verkaufe ich dem auch nix”.
Jeden Tag war er früher hier auf dem Gelände. Heute nur noch, wenn er verabredet ist. oder um mal kurz nach dem Rechten zu schauen. „Die Gesundheit”, sagt Czytkowski.
Nachschub rollt
Aus ganz Deutschland bekommt er seine Mercedes. Manchmal auch aus dem Rest der Welt. Vor der Halle stehen gerade zwei Neuzugänge aus Japan. „Schnäppchen”, sagt Ralf, auch wenn er den Import selbst bezahlt hat. Überhaupt ist Japan gut für Schnäppchen. Weil man dort einen Parkplatz nachweisen muss, will man einen Wagen zulassen. Und für Autos, die älter als zehn Jahre alt sind, werden keine Parkplätze mehr zugeteilt. „Dann haunse die Karren billig wech.“ Muss man wissen, so was. Czytkowski weiß es.
Draußen ist es kalt. Ralf will wieder ins Warme. „Wirklich keinen Kaffee, Männer?” Er nimmt noch einen. Ganz in Ruhe. Dann muss er weg, der Herr der Sterne. Draußen vor der Tür steht sein Auto. Ein Opel Corsa.
„Warum nicht?”, sagt Czytkowski. Große Autos sind ihm persönlich nicht wichtig. Nicht mehr. „Dicke Karren fährst du doch nur für andere Leute.” Fürs Image. Aber Image ist nicht wichtig, sagt Czytkowski. Wichtig ist, „dass kein Stress ist”.