Am Donnerstag wäre Elvis 80 geworden. Hessen erinnern sich noch gern daran, als der „King“ GI in Friedberg war. Im Nachbarort wurde ein Hotel zum „Heartbreak Hotel“.
Bad Nauheim.
Natürlich werden sie feiern in Bad Nauheim und Friedberg an diesem Donnerstag. Wenn auch mit einer Träne im Auge. Im Sportheim wird es ein Party geben. Und an der schwarzen Granitsäule, auf der mit weißer Schrift der Name „Elvis Aaron Presley“ steht, werden wieder Kerzen brennen und Blumen liegen. Weil der „King“ an diesem Tag 80 geworden wäre. Und weil ihn viele hier während seiner Army-Zeit in Deutschland gekannt haben. „Persönlich gekannt.“ Darauf legen sie Wert.
Ob er sich noch erinnert an Elvis? Was für eine Frage. „Als wäre es gestern gewesen“, sagt Claus-Kurt Ilge. Dabei ist es fast 60 Jahre her. 1. Oktober 1958 steht auf dem Kalender, als Elvis Presley, der Nordamerika nie zuvor verlassen hat, die deutsche Provinz erreicht. Längst millionenschwer und ein Superstar, tritt er den Militärdienst für sein Land an. Nach der Grundausbildung wird er ins hessische Friedberg versetzt: Ray Barracks, Baracke 3707, Erdgeschoss links, Bett 13. Für den damals 15-jährigen Ilge ist es wie „ein Sechser im Lotto“. Er ist schon als Teenager fasziniert von Presleys Musik. „Sie war anders als alles, was ich kannte. Anders, als alles, was meine Eltern hörten. Ich habe sie geliebt.“
Hotel wurde von Teenagern belagert
Nicht nur er. Als der „King“ kommt, muss die Polizei Bahnsteige räumen, auf denen sich die Fans drängen – selbst wenn der Zug nur durchfährt. „Alles voller Menschen“, erinnert sich Ilge an die Zustände rund um den Friedberger Bahnhof. Er schafft es, die Absperrungen der Militär-Polizei zu umgehen, und als Elvis aussteigt, kommt Ilge ihm ganz nahe. Es ist die erste, aber nicht die letzte Begegnung der beiden.
Denn lange bleibt der damals 23-jährige Sänger nicht in der Kaserne mit ihren Stahlrohrbetten, Linoleumböden und Gemeinschaftslatrinen. Schon bald darf er auswärts nächtigen und macht das altehrwürdige „Hotel Grunewald“ im Nachbarort Bad Nauheim zum „Heartbreak Hotel“. Schmachtende Teenager belagern täglich die Herberge. Mit Lippenstift schreiben sie so viele Liebeserklärungen auf den weißen BMW 507 des Sängers, dass Elvis das Auto schließlich rot lackieren lässt.
Die überwiegend älteren Gäste sind zunehmend irritiert. Dem Presley-Clan, zu dem mittlerweile auch diverse Verwandte und Bekannte gestoßen sind, wird nahegelegt, sich eine neue Bleibe zu suchen. Im Februar 1959 mietet sich Elvis für 3000 Mark im Monat ein Haus in der Goethestraße 14. Gut ein Jahr lang wird der Bürgersteig davor zum Treffpunkt für Fans aus aller Welt. „Wenn irgendwo in Europa ein junger Mensch verschwunden war, ist er hier wieder aufgetaucht“, sagt Claus-Kurt Ilge. Er selbst ist damals „fast immer da“.
Genau wie Angelika Springauf. Sie sind ja auch fast Nachbarn. Mr. Presley wohnt nur ein paar Häuser weiter. „Beinahe jeden Tag habe ich ihn gesehen“ , erinnert sich die heute 70-Jährige und ist sich sicher: „Die ganze Welt hat uns damals beneidet.“ Denn jeden Tag nach Dienstschluss kommt der „King“. „Er hat sich immer Zeit für uns genommen“, erinnert sich Springauf, „er war ein Star zum Anfassen.“ Elvis gibt Autogramme, scherzt, lächelt für Fotos, flirtet mit den Mädchen. „Alle Mädchen haben für ihn geschwärmt. Aber da war nie was.“ Na ja, fast nichts. Elvis hat ihr mal einen Kuss auf die Wange gehaucht. „Mehr nicht. Aber eine Woche habe ich die Stelle nicht gewaschen.“
Wer dem Star bekannt vorkommt, darf auch schon mal den Einkauf in die Küche tragen. „Ich habe oft getragen“, sagt Ilge. So oft, dass Presley ihm vor seiner Rückkehr in die Staaten seinen Schallplattenspieler und sein Tonband schenkt. Die Armeejacke des Sängers hat Ilge schon zuvor aus Elvis’ unverschlossenem Cadillac mitgehen lassen, in dem sie immer sitzen durften, wenn es regnete. „Sichergestellt“, korrigiert der Friedberger. „Damit sie keiner klaut.“
Friseur verwahrte Locke des Sängers
Natürlich hat er alles verwahrt. Wie jeder in Friedberg verwahrt hat, was mit Elvis zu tun hat. Karl-Heinz Stein etwa hat noch einen Rasierstuhl. Er war der Friseur des „King“, er war „Barber Karle“, hatte angeblich auch mal Locken des Sängers. Aber die hat er schon lange verkauft. Heißt es. Von den Schneebällen, die verzückte Mädchen im Winter 1958/59 am Ende einer Schneeballschlacht nach Hause getragen haben, fehlt mittlerweile auch jede Spur. Wahrscheinlich aber nur, weil damals kaum eine Familie einen Tiefkühlfach besaß.
Fotos sind geblieben und die Erinnerung. Auch die an den Todestag von Elvis. „Schrecklich war das“, sagt Springauf. Auch Ilge wird jenen Abend des 16. August 1977, an dem er die Nachricht im Radio hörte, nie vergessen. „Es war“, sagt er , „als sei ein Teil meiner Jugend für immer gegangen.“