Veröffentlicht inPanorama

Dienstmädchen siegt gegen Peinigerin

Dienstmädchen siegt gegen Peinigerin

Hongkong. 

Erwiana Sulistyaningsih ist keine schwache Untergebene mehr. Acht qualvolle Monate hat sie als Dienstmädchen in Hongkong erleiden müssen. Schläge, Demütigungen, Schlaf- und Essensentzug musste sie aushalten. Jetzt geht die Indonesierin gegen ihre Peinigerin vor. Sie ist Klägerin und Vorkämpferin für Hunderttausende Frauen aus Südostasien, die als Haushaltshilfen in Hongkong arbeiten. Und seit Freitag ist sie eine Siegerin.

Sechs Jahre muss ihre Arbeitgeberin in Haft. Das hat Richterin Amanda Woodcock entschieden. Aber Erwiana Sulistyaningsih ist nicht nach Jubeln zumute, als sie Arm in Arm mit Unterstützerinnen vor das Gerichtsgebäude tritt. „Gerechtigkeit“ steht auf ihrem schwarzen T-Shirt. „Sechs Jahre Haft sind nicht genug. Das steht in keinem Verhältnis zu den Verbrechen, die sie mir angetan hat“, lässt Erwiana Sulistyaningsih in einem Flugblatt mitteilen.

Wie viele Frauen aus Indonesien war Sulistyaningsih auf der Suche nach einer gut bezahlten Arbeit, als sie 2013 nach Hongkong kam. Was sie fand, beschreibt sie jedoch als Hölle. Sie musste auf dem Boden schlafen, oft bis zu 21 Stunden täglich arbeiten und bekam nicht einen Tag frei. Wenn sie ihre Arbeit nicht schnell genug erledigte, habe ihre Chefin sie mit allem geschlagen, was sie gerade greifen konnte: einem Wischmopp, einem Lineal oder einem Kleiderbügel.

Erwiana Sulistyaningsih beschreibt grausame Szenen. Ihre Chefin habe ihr in einem Wutanfall den Schlauch eines Staubsaugers in den Mund gerammt. Ein anderes Mal habe ihre Peinigerin sie nackt unter eine Dusche gestellt und sie mit kaltem Wasser bespritzt. Nach acht Monaten ist die Indonesierin am Ende. Verletzungen haben sich entzündet, sie kann schlecht sehen und kaum noch laufen, wie später ihre Ärzte erzählen. Ihre Chefin setzt sie in ein Flugzeug nach Indonesien und droht Sulistyaningsih, dass ihr und ihrer Familie Schreckliches geschehen werde, falls sie jemals über ihre Tortur sprechen sollte.

Alltägliche Qual der Angestellten

Als Sulistyaningsih wieder zu Kräften kommt, will sie nicht schweigen, sondern für ihre Rechte kämpfen. Als ihr Fall bekanntwird, melden sich Dutzende Dienstmädchen in Hongkong, denen Ähnliches passiert ist.