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Dirk Steffens: „Wir müssen raus aus der Komfortzone“

Dirk Steffens: „Wir müssen raus aus der Komfortzone“

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48713-4-04~fa485095-5553-42f4-860f-84b6dda06882.jpg Foto: ZDF/Ruth Omphalius
Dirk Steffens, bekannt aus „Terra X“, ist Naturfilmer und Umweltschützer. Im Interview spricht er über die große Lust auf Abenteuer.

Berlin. 

Dirk Steffens (48) hat die Welt gesehen. Er war schon in 120 Ländern. Er tauchte zu Korallenriffen, er kletterte auf Bäume. Bei „Terra X“ zeigt er den Zuschauern, wie sehr die Erde in Gefahr ist. Petra Koruhn sprach mit Dirk Steffens über Umweltschutz und die Abenteuer seines Lebens.

Petra Koruhn: Sie befassen sich mit den ganz großen Themen: Umweltverschmutzung, Abschmelzen der Pole, Waldsterben.

Dirk Steffens: Tja, wenn Sie das so aufzählen, hört sich das wirklich ziemlich deprimierend an, tatsächlich sind diese Themen von überragender Bedeutung, wichtiger als alles, was uns aktuell sonst noch so Sorgen macht. Es geht ja schließlich um das Überleben unserer Art.

Macht Sie das im Alltag gelassener? Nach dem Motto angesichts der großen Katastrophen ist es nicht so wichtig, wenn ich in der Kasse in der Schlange stehe.

Steffens: Ich würde mir wünschen, dass es so wäre. Aber nein, natürlich ärgere ich mich auch über Kleinkram.

Wollten Sie schon immer Abenteurer werden?

Steffens: Ich wollte immer Biologe werden oder Journalist. Zum Glück konnte ich diese beiden Leidenschaften dann in einem Job zusammenbringen: Natur- und Wissenschaftsjournalist.

Was hat Sie dann zum Naturfilmer gemacht?

Steffens: Ich arbeitete gerade als Nachrichtenredakteur beim Deutschlandfunk. Dann ein Anruf von einer Bekannten: Kannst Du mich vertreten, als Autor einen Reisefilm in Brasilien drehen? Wenig später stand ich am Strand von Ipanema und wusste: Sowas will für den Rest meines Lebens machen.

Was war passiert?

Steffens: Ach, es war einfach die ganze Stimmung in Rio de Janeiro. Der erste Drehtag war zugleich mega-chaotisch und mega-interessant. Und dann abends dieser Sonnenuntergang. Dazu ein kaltes Bier am Strand – und zack, habe ich die beste Entscheidung meines Berufslebens getroffen: Festanstellung kündigen. Dokumentarfilmer werden.

Sie sitzen ja nicht nur am Strand, sondern bewegen sich durch die freie Wildbahn, wenn man das mal so sagen kann.

Steffens: Ja, das kann man wohl so sagen. Mein Job ist oft schmutzig, körperlich anstrengend und ich begegne vielen wilden Tieren. Genau das macht ja den Spaß aus.

Haben Sie das lernen müssen.

Steffens: Klar, ich bin ja kein Abenteurer. Ich muss bei jedem Dreh von den Experten vor Ort lernen, was geht und was eben nicht – die Kompetenz dieser Menschen ist meine Lebensversicherung.

Wie sieht der Weg eines Abenteurers aus?

Steffens: 80 Prozent Glück, 20 Prozent Hartnäckigkeit. Bei mir war dieser Weg sehr lang, was ich jetzt tue, ist das Resultat jahrzehntelanger Arbeit. Ich habe mit Reisereportagen angefangen, dann die ersten Tierfilme, dann Wissenschaft dazu. Ungefähr zehn Jahre lang hinter der Kamera. In dieser Zeit habe ich nicht besonders viel Geld verdient, geschuftet wie ein Irrer und nur mäßigen Erfolg gehabt – aber viele Erfahrungen gesammelt, die mir heute noch helfen. Und dann fragte mich ein Kollege, ob ich es mal vor der Kamera versuchen wolle.

Und das hat offenbar geklappt.

Steffens: Es war verrückt. Ich war gerade auf Drehreise in der Antarktis. Da kam über die Funkanlage unseres Schiffes eine Email vom Sender und der Vorschlag, eine Probemoderation für das VOX-Format „tierzeit“ zu machen.

Und, haben Sie?

Steffens: Ja, ich habe mich auf meinen Hintern gesetzt, bin mit Vollgas einen Gletscher hinunter gerutscht, bis ich mitten in einer Pinguinkolonie landete. Und da habe ich dann, völlig aus der Puste, im Pinguinkot liegend und noch lauter als die Vögel schreiend, meine erste Fernsehmoderation gemacht. Der Redaktion hat’ gefallen.

Und dann haben Sie schon bald beim ZDF angefangen.

Steffens: So schnell ging das nicht. Ich habe jahrelang „tierzeit“ moderiert, auch ein paar andere Formate ausprobiert, für ARTE zum Beispiel. Und irgendwann rief mich dann Peter Arens, der Kulturchef des ZDF an, und offerierte mir den besten Job der Welt: Moderator für die ZDF-Reihe „Terra X“. Zwischendurch mal ein paar Tropenkrankheiten und Unfälle, aber alles in allem eine Glücksgeschichte.

Schlimmes?

Steffens: Nun, einmal hat mir beim Klettern ein Felsbrocken den Helm durchschlagen und das Gesicht zertrümmert. Meine rechte Gesichtshälfte war völlig hin. Das haben die Gesichtschirurgen in der Hamburger Uni-Klinik aber wieder hinbekommen. Ich fühle zwar auf der rechten Gesichtshälfte kaum noch etwas, die ist taub. Aber man sieht nichts mehr und es funktioniert alles. Dann noch ein paar Tropenkrankheiten. Aber das gehört wohl dazu.

Was sagt Ihre Frau zu ihrem Job?

Steffens: Die ist auch keine Stubenhockerin, macht Trekking-Touren und hat selber schon viel von der Welt gesehen.

Die Welt wird ja nicht wirklich besser. Wie halten Sie das aus?

Steffens: Manchmal ist das wirklich frustrierend, wenn ich an einen Ort zurückkomme, den ich in guter Erinnerung habe. Dann ist das Korallenriff ausgeblichen oder der Wald abgeholzt oder die Tierherden sind wieder mal kleiner geworden. Sehr traurig.

Sie wirken aber immer so gut gelaunt. Gar keine Weltuntergangsstimmung.

Steffens: Na ja, wenn schlechte Laune die Welt retten könnte, würde ich nie wieder lachen. Aber das Gegenteil ist doch wahr: Nur wenn wir es schaffen, möglichst viele Menschen für die Natur zu begeistern, können wir sie auch motivieren, sie zu schützen.

Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, dass Sie vielleicht selbst nicht genug für die Umwelt tun?

Steffens: Immer.

Zum Beispiel?

Steffens: Ich esse zum Beispiel so gut wie nie Fleisch. Fleischverzicht ist gut für die Ökobilanz. Aber Fisch esse ich bisher eine Menge. Ökologisch auch nicht gut. Jetzt will ich versuchen, das deutlich zu reduzieren. Aber das fällt mir schwer. Als norddeutscher Junge bin ich ja mit Fischbrötchen groß geworden.

Gibt es noch eine Chance für die Erde?

Steffens: Natürlich. Der Erde ist es ja sowieso egal, ob es uns Menschen gibt. Und wir müssen uns im eigenen Interesse nur entscheiden, wann wir endlich anfangen, nachhaltig zu leben. Tun wir es jetzt, werden die Umstellungsschmerzen nicht so schlimm, warten wir noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte, wird es verdammt weh tun. Zur Zeit verbrauchen wir die Ressourcen von 1,5 Planeten Erde. Und das kann natürlich nicht mehr lange gut gehen.

Was ist das größte Problem?

Steffens: Die Masse der Menschen. Zügelloser Konsum. Der Klimawandel, die Versauerung der Meere und natürlich das fürchterliche Artensterben. Aber wie gesagt: Das können wir alles in den Griff kriegen, die Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch.

Wie lange hält unser Planet das noch aus?

Steffens: Keine Ahnung. Ein paar Jahre, ein paar Jahrzehnte, vielleicht noch etwas länger, wer kann das sagen? Ich weiß ja noch nicht mal, wann genau ich sterben werde. Aber fest steht: Es wird passieren und es wird keine 100 Jahre mehr dauern.

Was können wir ändern?

Steffens: Unseren Lebensstil. Wir haben täglich 100 Mal die Wahl, uns für mehr Nachhaltigkeit zu entscheiden.

Aber im Alltag ist Nachhaltigkeit oft unbequem.

Steffens: Stimmt. Wir müssen manchmal raus aus der Komfortzone. Aber es wird leichter, die Wirtschaft passt sich an, sogar bei Discountern finde ich inzwischen Bio-Lebensmittel. Es geht voran. Nur noch zu langsam.

Fliegen Sie?

Steffens: Ja. Aber ich versuche gleichzeitig, durch die Unterstützung von Umweltprojekten meinen ökologischen Fußabdruck wieder zu verkleinern. Jeder gepflanzte Baum reduziert ja die Treibhausgase in der Atmosphäre. Das hilft.

Sie haben über 120 Länder gesehen. Waren fast überall auf der Welt. Wo macht so jemand dann noch Urlaub?

Steffens: In Schleswig-Holstein an der Ostseeküste. Sehr schön da oben.