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Ein Mythos zum Nachladen

Ein Mythos zum Nachladen

Hartfort. 

Nein, er hat den Revolver nicht erfunden. Er hat ihn aber verbessert. Vor allem aber hat er ihn berühmt gemacht. So berühmt, dass viele Menschen dieses Schießeisen bis heute „Colt“ nennen. So wie sie „Tempo“ zu jedem Papiertaschentuch sagen. Vor 200 Jahren wurde Samuel Colt geboren.

Er wird nicht alt, gerade einmal 47 Jahre. Doch als er stirbt, ist er einer der reichsten Männer Amerikas. Dazwischen liegt ein Leben, um das sich viele Legenden ranken. Wie die, dass Colt als Kind von der Schule geflogen ist. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes.

Er wollte Erfinder werden

Als gesichert gilt, dass er am 19.Juli 1814 in Hartfort, US-Staat Connecticut, geboren wird. Vater Christopher besitzt eine Textilmühle. Die könnte Samuel übernehmen, lehnt aber schon als Teenager dankend ab: „zu langweilig“. Was er will, hat er im „Kompendium des Wissens“ gelesen. Erfindungen will er machen. Am besten welche, die als unmöglich gelten. Unterwasserbomben beispielsweise. Um zu beweisen, was in ihm steckt, lädt er am Unabhängigkeitstag 1829 zur Sprengung eines großen Floßes ein. Das Floß bleibt ganz, aber auf die neugierigen Besucher regnet es Schlamm. „Dem Erfinder gelang es nur mit Mühe, der erbosten Menschenmenge zu entkommen“, heißt es damals in der örtlichen Zeitung.

Um Gras über die Sache wachsen zu lassen, heuert Colt auf einem Schiff an. Dort, so erzählt er später gerne, sei ihm die Idee zu seinem Revolver gekommen. Er habe das große Steuerrad betrachtet und so die Eingebung bekommen, eine Waffe mit rotierendem Zylinder zu bauen.

Die gibt es allerdings schon längst. Revolver heißen sie, was aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet: „sich um die eigene Achse drehend“. Sehr teuer sind sie und trotzdem sehr störungsanfällig. Colt ändert beides.

Er baut Revolver, die nicht mehr mit Steinschloss und Feuersteinen arbeiten, sondern Patronen nutzen, in die der Zündmechanismus eingebaut ist. Ein Prinzip, das bis heute genutzt wird. Die Waffen sind aus Eisen, liegen aber wie Blei in den Regalen seiner Firma. Erst als sich 15 Texas-Ranger dank der schnell nachladbaren Colts gegen eine mehr als vierfache Übermacht Indianer durchsetzen, kann sich der Tüftler vor Aufträgen kaum retten. So begeistert ist das Militär von seinen Waffen, dass Colt im amerikanischen Bürgerkrieg Nord- und Südstaaten gleichzeitig beliefert. Er kann das, sogar relativ günstig, weil er lange vor Henry Ford Methoden der Massenproduktion mit austauschbaren Revolverteilen entwickelt.

Er unterteilt den Zusammenbau seiner Waffe in einzelne Arbeitsschritte. An jeder Fertigungsstation wird ein standardisiertes Bauteil eingebaut. Zeitweise arbeiten über 1500 Angestellte im Schichtdienst, um die verfeindeten Parteien zu bedienen. Auch das Transportunternehmen Wells & Fargo wird Kunde, bekommt allerdings ein günstigeres Modell, bei dem schnelles Nachladen nicht möglich ist: Für lange Schießereien, so die Begründung der Postkutschengesellschaft, sei angesichts ihres stets engen Zeitplans ohnehin keine Zeit.

Die Eroberung des Wilden Westens macht den Colt endgültig zum Mythos. Kein Viehtreiber, Goldsucher, Farmer, Cowboy oder Ganove, der in jenen Jahren ohne ihn unterwegs wäre. Weltberühmt wird eine etwas leichtere Variante, die sich schnell ziehen lässt und den zynischen Namen „Peacemaker“ trägt – Friedensstifter. Colt bekommt das alles nicht mehr mit. Er stirbt am 10. Januar 1862. Nicht an einer Kugel übrigens, sondern an schwerer Gicht.