Veröffentlicht inPanorama

Einmal geblitzt, Auto weg – wie die Schweiz gegen Raser vorgeht

Einmal geblitzt, Auto weg – die Schweiz geht gegen Raser vor

53727397--656x240.jpg
Foto: Getty Images
Mit neuen, harten Gesetzen geht die Schweiz gegen Verkehrsrowdys vor. Rasern drohen der Verlust von Führerschein und Auto sowie mindestens ein Jahr Haft. Die Alpenrepublik hat europaweit die schärfsten Regeln.

Bern. 

Besonders eilige Schweiz-Urlauber wissen: Tempo-Sünder können in dem Alpenland nicht auf Nachsicht hoffen. Zum Jahreswechsel aber hat die Schweiz die Gesetze noch einmal verschärft. Das Sicherheitspaket „Via sicura“ ist in Kraft getreten – und die ersten Wochen zeigen, dass die Polizei Raser konsequent aus dem Verkehr zieht. Zu schnell fahren kostet jetzt nicht nur viel Geld, sondern schnell auch den Führerschein und das Auto. Zudem droht Asphaltrowdys nun eine Strafe von einem Jahr Haft, mindestens.

Dass die neuen Gesetze tatsächlich ab sofort gelten, ohne Frist, haben Autofahrer bereits zur Kenntnis nehmen müssen. Mit Tempo 154 (statt 80) wurde ein 46-jähriger Deutscher in seinem BMW X6 im Kanton Aargau außerorts geblitzt – Auto weg. Gleiches gilt für einen 25-Jährigen, der in einem Porsche Cayenne mit 222 Km/h über die A1 gedonnert ist und einen jungen Kosovaren, der mit 102 Sachen durch Wil im Kanton St. Gallen raste. „Mit den neuen Gesetzen ist die Schweiz europaweit Vorreiter“, meint ADAC-Jurist Michael Thissen im Gespräch mit der NRZ, weist aber darauf, dass Autos auch in Italien bei groben Alkoholverstößen eingezogen werden. Man könne, so Thissen weiter, allen Mitgliedern unterwegs in der Schweiz nur eindringlich raten: „Haltet Euch an die Verkehrsregeln!“

320 Verkehrstote im Jahr 2011

Um „Via sicura“ hatten Politiker, Bürger und Verkehrsexperten in der Alpenrepublik lange gerungen. Ein wesentlicher Bestandteil ist ein Paragraf, der das „Raserdelikt“ erstmals konkret als Straftatbestand definiert (siehe Info-Box). „Rasen war bei uns früher ein Kavaliersdelikt, aber da hat es in den vergangenen zehn Jahren ein Umdenken gegeben“, sagt Michael Rohrbach vom Schweizer Bundesamt für Straßen. Es geht bei „Via sicura“ aber keineswegs nur um zu schnelles Fahren, die Verkehrssicherheit insgesamt soll verbessert werden. 320 Menschen kamen im Jahr 2011 auf Schweizer Straßen ums Leben, 4473 wurden schwer verletzt. Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Nicht geändert haben sich – zumindest einstweilen – die Bußgelder für zu schnelles Fahren. 260 Euro sind zum Beispiel fällig, wenn man 21 bis 25 km/h schnell auf einer Autobahn unterwegs ist.

Mit Spannung erwarten die Eidgenossen nun die ersten Urteile der Kantonsgerichte im Zeichen von „Via sicura“. Die Richter werden über Freiheitsstrafen zu entscheiden haben, möglich sind bis zu vier Jahre Haft, und über die endgültige Einziehung der Fahrzeuge, die grundsätzlich „bei groben Verkehrsregelverstößen“ greift – also auch bei Alkoholexzessen oder gefährlichen Überholmanövern, wie Bundesamtssprecher Rohrbach erläutert.

Ausländer bekommen Fahrverbot in der Schweiz

Klar ist: Der Führerschein ist beim ersten Mal Erwischtwerden für mindestens zwei Jahre weg, im Wiederholungsfall sogar für immer. „Für Ausländer gibt es dann ein Fahrverbot für die Schweiz“, sagt Rohrbach. Nur „ausnahmsweise“ soll die Fahrerlaubnis nach zehn Jahren wiedererteilt werden, falls ein positives verkehrspsychologisches Gutachten vorliegt.

Kritik kommt vom Automobilclub Europa (ACE): „Aus unserer Rechtsordnung heraus betrachtet sind die schweizer Maßnahmen überzogen“, meint Jurist Volker Lempp. Ohne hin sei „Via sicura“ nicht übertragbar, weil in Deutschland die Unfallzahlen sinken.

Für die Schweiz indes war das bisher nur ein erster Aufschlag in Sachen „Via sicura“. 2014 und 2015 sollen weitere Maßnahmen für mehr Sicherheit auf Straßen und Autobahnen folgen. Im Gespräch sind zum Beispiel 0,0-Promille für Fahranfänger und Berufskraftfahrer, eine Wegfahrsperre für Alkoholsünder sowie eine Lichtpflicht bei Tagfahrten. Diskutiert wird auch, dass einmal erwischte Raser bei Wiedererlangen ihrer Fahrerlaubnis für fünf Jahre eine Blackbox mit sich führen müssen, die alle Fahrten und Geschwindigkeiten genau protokolliert.