War es Mord oder Totschlag? Das war in dem Prozess gegen einen 47 Jahre alten Mann, der seine eigene Mutter im Seniorenheim erstach, vor dem Landgericht Frankenthal zuletzt noch die einzig spannende Frage. Die Tat selbst bestritt er nicht.
Frankenthal (dapd). War es Mord oder Totschlag? Das war in dem Prozess gegen einen 47 Jahre alten Mann, der seine eigene Mutter im Seniorenheim erstach, vor dem Landgericht Frankenthal zuletzt noch die einzig spannende Frage. Die Tat selbst bestritt er nicht. Das Gericht befand im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft auf Totschlag und verurteilte den früheren Immobilienmakler am Dienstag zu einer Haftstrafe von elf Jahren. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er die 72 Jahre alte Rentnerin am 7. Mai 2012 mit 19 Messerstichen in dem Altenheim in Römerberg (Rhein-Pfalz-Kreis) erstochen hat. Die Frau verblutete.
Während die Staatsanwaltschaft als Grund für die Tat vor allem einen Streit um das elterliche Haus sah, interpretierten sie die Richter als Ausdruck von „Wut, Enttäuschung und Zorn“. So sei das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn zerrüttet gewesen. Der Vorsitzende Richter Michael Wolpert sagte, die Mordmerkmale Habgier und Heimtücke seien nicht gegeben. So sei es evident gewesen, dass der Angeklagte und seine Frau schon in eine neue Wohnung ziehen wollten und alle entsprechenden Vorbereitungen getroffen worden seien.
Zwar habe die Mutter das Haus, das sie der Ehefrau des Angeklagten zuvor überschrieben hatte, wieder zurückgefordert. Allerdings spreche nicht viel dafür, dass dies der Grund für die eher spontan ausgeführte Tat gewesen sei. So habe der Angeklagte seine Mutter ohne Flucht- oder Vertuschungsplan aufgesucht und dann mit einem mitgeführten Messer auf sie eingestochen. Während des Verfahrens hatte ein Gutachter für forensische Psychiatrie den 47-Jährigen Mann für schuldfähig erklärt. Der Angeklagte hatte schon zum Prozessauftakt angegeben, er habe im Affekt gehandelt und könne sich an die Tat nicht erinnern.
Zwtl.: Mutter lebte unter fremdem Namen im Zimmer
Vor der Urteilsverkündung am Dienstag hatte Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz hingegen eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes gefordert. Ihrer Ansicht nach hat der Angeklagte seine Mutter aus Habgier und mit Heimtücke ermordet, nachdem diese ihn und seine Ehefrau aus dem Haus der Eltern geworfen hatte. Außerdem verwies sie darauf, dass die Mutter das auf die Schwiegertochter überschriebene Haus hatte, wieder zurückgefordert habe. Weil das Paar finanziell schwer unter Druck gestanden habe, passe das Motiv der Habgier. Die Mutter sei im Seniorenheim von ihrem Sohn beim Fernsehschauen überrascht und angegriffen worden: „Sie hatte keine Möglichkeit sich zu wehren“, sagte Brehmeier-Metz und interpretierte das Ganze als heimtückischen Angriff.
Der Anwalt des Angeklagten, Bernd Knöppel, plädierte indes auf eine Haftstrafe von zehn Jahren wegen Totschlags. Seiner Meinung nach hat sein Mandant zwar auf die Mutter eingestochen, nachdem diese ihn selbst, seine Ehefrau und den verstorbenen Vater massiv beleidigt hatte. Die 19 Stiche mit dem etwa 20 Zentimeter langen Messer seien aber im Affekt geführt worden. Außerdem sei die Mutter nicht arglos gewesen, immerhin sei eine Notrufklingel in ihrem Zimmer angebracht gewesen. Sie habe sich ohnehin vor ihrem Sohn gefürchtet und daher in ihrem Zimmer unter einem fremden Namen gelebt.
Das Gericht folgte im wesentlichen den Argumenten der Verteidigung. Allerdings wies der Vorsitzende Richter auf den Umstand hin, dass es für die letzte Begegnung keine Zeugen gegeben habe und daher der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ greife. Für den Angeklagten spreche indes auch, dass er selbst die Polizei angerufen hatte und sich geständig gezeigt habe. In seinem letzten Wort sagte der Mann, es tue ihm „unendlich leid“, dass er soviel Kummer über seine Familie gebracht habe.
dapd